# taz.de -- Kolumne Schlagloch: Wie man nicht mit Rechten redet | |
> Mit Rechten reden? Der Auftritt der Anwältin Seyran Ateş bei der | |
> populistischen FPÖ in Wien zeigt schon mal, wie man es nicht machen | |
> sollte. | |
Bild: Früher Gebetsraum der Sankt Johannes-Kirche, jetzt predigt Seyran Ateş … | |
Am 13. November luden Institutionen der rechtspopulistischen Freiheitlichen | |
Partei Österreichs (FPÖ) in Wien zum Vortragsabend „Der politische Islam | |
und seine Gefahren für Europa“. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn | |
die Hauptrednerin nicht Seyran Ateş gewesen wäre – jene Berliner Anwältin, | |
die bereits mehrere viel beachtete Bücher zum mutmaßlichen Versagen des | |
Multikulturalismus und für eine Erneuerung des Islam veröffentlicht hat. | |
Als genau diese innerislamische Erneuerung feiern viele deutsche Medien | |
sie. Im vergangenen Sommer [1][wurde breit berichtet], dass Ateş die | |
angeblich erste deutsche – manchmal hieß es gar: europäische – liberale | |
Moschee gegründet habe. Ihre politischen Ansichten bezeichnet Ateş als | |
links, und sie spricht sich für die Gleichberechtigung sexueller | |
Orientierungen aus. | |
Eine Kooperation mit der FPÖ würde man hier nicht erwarten. Aber war es | |
tatsächlich eine Kooperation? Wenn man sich die zwei Stunden lange | |
Videoaufnahme ansieht und Ateş’Presseerklärung dazu liest, wird einem | |
deutlich, dass dieser Auftritt in Wien vor allem ein glänzendes Beispiel | |
dafür ist, wie es ablaufen kann, „mit Rechten zu reden“, wie ja derzeit | |
häufig gefordert wird. Und was es bedeutet, dabei mit Pauken und Trompeten | |
unterzugehen. | |
Ich sollte an dieser Stelle einschieben, dass ich Ateş’bisherige Bücher als | |
halbgare Beiträge zu einer Islam„kritik“ verstanden habe, die tatsächlich | |
Islamfeindlichkeit befördert. Und geradezu abstrus fand ich den Hype um | |
ihre „Ibn-Rushd-Goethe-Moschee“ als vermeintlich ersten Raum in | |
Deutschland, wo Frauen und Männer gemeinsam hinter einer Imamin beten. Auch | |
in unserem [2][Liberal-Islamischen Bund], gegründet 2010, führen Imaminnen | |
Gebete. Bloß laden wir nicht extra Kameras dazu ein. | |
Trotz dieser Anfangsvorbehalte glaube ich Ateş nach besagtem Video, dass | |
sie sich mit dem Auftritt in Wien der FPÖ nicht andienen, sondern | |
Aufklärungsarbeit leisten und mehr Verständnis für die Pluralität des Islam | |
in den rechten Raum hineintragen wollte. Mehrfach betonte sie, dass sie | |
links und nicht FPÖ-nah sei. Einmal sagte sie explizit, dass sie keineswegs | |
wolle, dass alle Muslime sich demselben Islamverständnis anschlössen wie | |
sie; auch konservativere Muslime hätten das Recht, ihren Islam in Europa zu | |
leben. | |
## Strache walzt sein Lieblingsthema Zuwanderung aus | |
Doch man müsste den rechten Parolendreschern viel genauer auf den Zahn | |
fühlen, damit aus so einem Abend nicht doch eine FPÖ-Werbeveranstaltung | |
wird. Man dürfte nicht so sehr um sich selbst kreisen wie Ateş, die fast | |
ihre gesamte Vortragszeit dafür aufwendet zu klagen, wie harsch sie in den | |
sozialen Medien für ihren Auftritt kritisiert worden sei. Ateş interveniert | |
nicht, wenn der FPÖ-Chef Strache sein Lieblingsthema „unkontrollierte | |
Zuwanderung“ auswalzt und von „Migrationsströmen“ spricht, die „ganz k… | |
das Ziel“ hätten, „Europa zu islamisieren“. | |
Während Strache seine Schreckensszenarien ausmalt, hört Ateş anscheinend | |
gar nicht richtig zu, sondern sucht auf ihrem Handy erste | |
Echtzeit-Reaktionen auf die eigene Rede. Die liest sie teilweise vor, als | |
sie wieder das Wort erhält, und klagt erneut, wie sie für ihren Auftritt | |
bei der FPÖ gescholten wird. Damit gibt sie Strache weitere Gelegenheit, | |
die angebliche Toleranz der FPÖ herauszustreichen, während die Linken ja | |
ach so intolerant seien. Strache hat das letzte Wort, so wie er auch das | |
erste hatte, und Ateş begnügt sich mit der Bitte, man möge helfen, eine | |
europäische Islamkonferenz einzurichten. | |
Mit Rechten reden? So jedenfalls funktioniert das nicht. Man darf nicht | |
gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn direkt neben einem jemand | |
unverhohlen Agitation betreibt. Man muss den Rechten vehement | |
widersprechen, ihnen gegebenenfalls auch ins Wort fallen, wenn sie ihre | |
Fake News verbreiten. Nicht nur als Mitdiskutantin, sondern auch als | |
Lektor*in und Verleger*in muss man ihnen den Unsinn und die | |
fremdenfeindlichen Suggestionen herausstreichen, statt nur die | |
Rechtsabteilung Sorge tragen zu lassen, dass der verlegte Inhalt gerade | |
noch nicht justiziabel ist. | |
Thilo Sarrazins Hausverlag, die Deutsche Verlags-Anstalt, will bekanntlich | |
[3][Sarrazins neues Buch] über den Islam nicht verlegen; das löste im | |
Sommer ein großes Medienecho aus. Vielfach wurde vermutet, die Entscheidung | |
könne etwas mit einer verzerrten Darstellung des Islam zu tun haben. Doch | |
noch heute steht auf der Website der DVA: „Thilo Sarrazin ist einer der | |
profiliertesten politischen Köpfe der Republik. Seine fachliche Kompetenz | |
in Finanzfragen gepaart mit dem Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen, | |
hat ihn in viele wichtige Ämter gebracht.“ – Klingt irgendwie diplomatisch, | |
inklusive „unbequem“ als Adelsprädikat. | |
Doch es reicht nun mal nicht, wenn liberale Akteure des Kulturbetriebs die | |
Rechten in aller Ruhe reden und schreiben lassen, in einer Unschuldsgeste | |
die Hände heben und vollmundige Zitate zur Freiheit der Andersdenkenden vom | |
Stapel lassen. Ja, diese Freiheit ist ein wertvolles Gut; aber | |
Meinungsfreiheit ist nicht nur ein passiv gewährtes Recht, sondern geht | |
einher mit der Pflicht der anderen, sich mit dem, was da gesagt wird, auch | |
auseinanderzusetzen. Ein demokratischer Staat darf strittige Meinungen | |
natürlich nicht verbieten. Doch wir, die Zuhörer*innen und | |
Veranstalter*innen, die Verleger*innen und Leser*innen, wir müssen prüfen | |
und widersprechen und die Anerkennung verweigern. | |
Erinnert sich noch jemand, wie diejenigen, die vor einem Rechtsruck | |
warnten, Jahr um Jahr verspottet wurden, sie würden Probleme vermuten, wo | |
gar keine sind? Bis diese Probleme unübersehbar waren, so wie jetzt. Die | |
AfD sitzt in sämtlichen Landtagen. Reden müssen wir mit ihnen, aber das | |
bedeutet, ihnen zu widersprechen. Sonst haben wir das hohe Gut | |
Meinungsfreiheit, für das Frühere gekämpft und große Opfer gebracht haben, | |
nicht verdient. | |
21 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Ibn-Rushd-Goethe-Moschee-in-Berlin/!5472158 | |
[2] https://www.youtube.com/channel/UCgl2a1CfmX0l0iuJ0PG91lA | |
[3] /Debatte-Reden-mit-Rechten/!5548652 | |
## AUTOREN | |
Hilal Sezgin | |
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