# taz.de -- Kolumne Afrobeat: Die Rache der Söhne | |
> In Angola und im Kongo übertragen Oligarchen ihre unternehmerischen | |
> Erfolgsstorys auf die Politik. Eine neue Generation drängt an die Macht. | |
Bild: Unter dos Santos ist Angola ein Land, in dem eine Elite eine afrikanische… | |
Im Jahr 1972 sah die Welt sehr anders aus als heute. Die SPD erhielt bei | |
der Bundestagswahl 46 Prozent, Großbritannien stand kurz vor dem Eintritt | |
in die Europäische Union (damals EWG) und in Afrika galt die Demokratische | |
Republik Kongo (damals Zaire) als kommende Großmacht. | |
In Kinshasa, der kongolesischen Hauptstadt, war kurz zuvor die erste Bank | |
Afrikas mit ausschließlich afrikanischem Kapital entstanden. Der einst | |
erste schwarze Tanzbarbesitzer Belgisch-Kongos, Augustin Dokolo, gründete | |
die Banque de Kinshasa gemeinsam mit der Regierung des damals noch jungen | |
Militärdiktators Mobutu Sese Seko, der eine Politik der Afrikanisierung | |
betrieb. | |
Die Banque de Kinshasa wurde schnell zur wichtigsten Bank des Landes und | |
Dokolo einer der mächtigsten Unternehmer. Erst 1986, als Mobutu durch seine | |
Misswirtschaft kein Geld mehr hatte, wurde Dokolo enteignet. Es war eines | |
von vielen Beispielen dafür, wie Mobutu sein Land durch systematische | |
Ausplünderung in den Abgrund trieb. 2001 starb Augustin Dokolo krank im | |
Pariser Exil. | |
Im Jahr 1972 war sein Sohn Sindika Dokolo zur Welt gekommen, Produkt der | |
Ehe des Vaters mit einer Dänin. In Paris zur Schule gegangen, kehrte der | |
Sohn 1995 in die Heimat zurück, also kurz vor Ausbruch der Kongokriege. | |
1999, als der Kongo zerfiel, ging er ins benachbarte Angola und lernte | |
seine spätere Ehefrau kennen: Isabel dos Santos. | |
Die beiden heirateten 2002, bei einer Prachthochzeit im Präsidentenpalast. | |
Denn Isabel dos Santos war nicht irgendeine Angolanerin. Geboren wurde sie | |
1973 in Aserbaidschan, wo ihr Vater, Aktivist der von der Sowjetunion | |
unterstützten Befreiungsbewegung Angolas, als Student ihre russische Mutter | |
kennengelernt hatte. Als sie sechs Jahre alt war, wurde ihr Vater Eduardo | |
dos Santos Angolas Präsident. Er ist es bis heute. | |
## Eine afrikanische Gründerzeit | |
Aus dem Bürgerkriegsland Angola ist derweil einer der größten Ölförderer | |
Afrikas geworden. Die Familie dos Santos und ihre Freunde wurden | |
schwerreich, Isabel dos Santos wurde die erste Milliardärin Afrikas. Heute | |
leitet sie den notorisch intransparenten staatlichen angolanischen | |
Ölkonzern Sonangol. | |
Angola unter dos Santos ist das, was Zaire unter Mobutu werden wollte: ein | |
Land, in dem eine afrikanische Elite beispiellose Reichtümer erwirtschaftet | |
und eine afrikanische Gründerzeit einläutet. Die Ölpreise sinken jetzt, | |
aber die Milliardenreichtümer der Elite sind längst verteilt und gesichert, | |
während die Mehrheit der Bevölkerung weiter in Armut lebt. | |
Das Ehepaar Isabel dos Santos und Sindika Dokolo gibt sich unpolitisch. Sie | |
fördert afrikanische Mode und hat sich mit ihren Milliarden massiv in der | |
alten Kolonialmacht Portugal eingekauft. Er ist Großunternehmer wie einst | |
sein Vater und dazu Kunstmäzen – auch dank seines Erwerbs der Kunstsammlung | |
des verstorbenen deutschen Sammlers Hans Bogatzke. | |
„Die nächsten Oligarchen werden Afrikaner sein“, erklärte Sindika Dokolo | |
vor wenigen Monaten in einem Interview. Er brüstete sich, den größten | |
Diamanten der Welt gekauft zu haben, und die Frage, ob er sein Geld in | |
Steuerparadiesen bunkere, bejahte er: „Ich bin doch nicht blöd.“ | |
## Der Frust ist immens | |
Aber die Dinge geraten in Bewegung. Angolas mittlerweile 74-jähriger | |
Präsident Eduardo dos Santos will 2018 nach fast vierzig Jahren an der | |
Macht sein Amt aufgeben. Eine politische Öffnung ergibt das nicht – sein | |
Verteidigungsminister soll ihm nachfolgen. Aber es schafft einen | |
Präzedenzfall: Kein Führer einer ehemaligen Befreiungsbewegung in Afrika, | |
die die Macht mit der Waffe erkämpfen musste, hat sie je freiwillig | |
abgegeben. | |
Joseph Kabila, Kongos Präsident, klebt derweil am Sessel. Die 2016 fälligen | |
Wahlen fanden nicht statt, eine Vereinbarung über Wahlen 2017 wird nicht | |
umgesetzt. Der Frust im Land ist immens. Bewaffnete Konflikte nehmen zu, | |
die Zahl der Binnenvertriebenen ist auf Rekordniveau und steigt immer | |
weiter, vor allem dank der Konflikte in der Oppositionshochburg Kasai, | |
direkt an Angolas Grenze. | |
Ohne Angola wäre Kabila nicht an der Macht. Angolanische Truppen halfen | |
1997 beim Sturz Mobutus durch Laurent-Désiré Kabila, Vater des jetzigen | |
Präsidenten, und schützten ihn und seinen Sohn seitdem gegen Rebellen. Das | |
strategische Interesse ist klar: Unter Mobutu hatten die USA Zaire zum | |
Rückzugsgebiet für angolanische Rebellen ausgebaut, das darf nie wieder | |
passieren. | |
Die Krise im Kongo treibt nun Sindika Dokolo auf den Plan. Er hat eine | |
humanitäre Hilfsaktion für die Kasai-Flüchtlinge in Angola gestartet und | |
überschüttet das Kabila-Regime mit scharfer Kritik. „Frauen und Kinder mit | |
Macheten- und Schusswunden, traumatisiert – inakzeptabel!“ twittert er. Im | |
Interview wirft er Kongos Regierung vor, das eigene Land zu | |
destabilisieren, und warnt: „Als Kongolese möchte ich beim Kampf zur | |
Wahrung der demokratischen Errungenschaften nicht abseits stehen.“ | |
## In Ungnade gefallener Günstling | |
Dokolo stellt sich außerdem hinter einen anderen schwerreichen | |
kongolesischen Geschäftsmann: Moise Katumbi, der populäre ehemalige | |
Provinzgouverneur der Bergbauprovinz Katanga, der ins Exil gehen musste, | |
nachdem er Oppositionskandidat für die schließlich nie angesetzten Wahlen | |
2016 geworden war. | |
Katumbis Sprecher ist ein alter Schulfreund von Sindika Dokolo: Olivier | |
Kamitatu, ein langjähriger Oppositioneller. Dessen Vater Cléophas Kamitatu | |
war einst ähnlich wie Sindika Dokolos Vater zunächst ein Günstling Mobutus | |
und dann in Ungnade gefallen. | |
Entsteht demnächst aus dieser virtuellen Allianz eine reale, die Kabila | |
wirklich gefährlich wird? Vordergründig würde Angola damit im Kongo für | |
Ordnung sorgen. Tatsächlich würden die Oligarchen der Region ihre eigene | |
Erfolgsstory auf die Politik übertragen wollen. Und in einem tieferen Sinne | |
würden sich die Söhne an Kabila für das Unrecht rächen, das ihren Vätern | |
unter Mobutu widerfuhr. | |
Vielleicht kommt auch alles ganz anders. Aber in jedem Fall liegt Wandel in | |
der Luft. Eine neue Generation drängt an die Macht – und die persönlichen | |
Motivationen sind dabei mindestens genauso wichtig wie die politischen. | |
11 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Kongo | |
Angola | |
Eduardo dos Santos | |
Angola | |
Angola | |
Angola | |
Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Kongo | |
Kongo | |
Afrikanische Flüchtlinge | |
Kongo | |
Portugal | |
Angola | |
Hungersnot | |
Schwerpunkt Flucht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Angolas Präsident greift durch: Afrikas reichste Frau entmachtet | |
Sie ist die Tochter des einstigen Langzeitherrschers von Angola. Dessen | |
Nachfolger hat Isabel dos Santos nun als Chefin der staatlichen Ölfirma | |
gefeuert. | |
Parlamentswahl in Angola: Hoffnung auf Wandel nach MPLA-Sieg | |
Die Regierungspartei bleibt mit reduzierter Mehrheit im Amt. Der | |
Präsidentenwechsel stößt auf großen Zuspruch. | |
Machtwechsel in Angola: Abschied eines Patriarchen | |
Nach 38 Jahren an der Macht hat Eduardo dos Santos seinen | |
Verteidigungsminister als Nachfolger auserkoren. Aber der muss erst mal die | |
Wahl gewinnen. | |
Oppositionsführer im Kongo: Stachel in Kabilas Sitzfleisch | |
Dem exilierten und beliebten Politiker Moise Katumbi wird in Abwesenheit | |
der Prozess gemacht. Damit rückt die Wahl im Kongo in weite Ferne. | |
Kongolesische Rebellen: Ein Land in Unsicherheit | |
Eine bisher unbekannte Gruppe hat Beni angegriffen, eine wichtige Stadt im | |
unruhigen Osten der Demokratischen Republik Kongo. | |
Menschenrechtsverletzungen im Kongo: Tausende Tote und Todesschwadronen | |
Die UN-Menschenrechtskommission berät über eine Untersuchung im | |
Kriegsgebiet Kasai. Die katholische Kirche legt eine vernichtende Bilanz | |
vor. | |
Ermittlungen gegen Kongos Justizminister: Ein Politprofi im eigenen Schatten | |
Belgiens Justiz nimmt gegen Kongos Justizminister Ermittlungen auf. Er soll | |
Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. | |
Kasai-Konflikt im Kongo: Flüchtlingselend im Diamantengebiet | |
Zehntausende Menschen fliehen aus Kongos jüngstem Bürgerkriegsgebiet nach | |
Angola. Dort sind die Bedingungen verheerend. | |
Gefängnisausbruch im Kongo: „Heiliger Führer der Bantu“ befreit | |
Der Führer einer bewaffneten Gruppe aus dem Westen der Demokratischen | |
Republik Kongo wird von seinen Anhängern aus der Haft geholt. | |
Musik der Kapverden: Der einzige Reichtum | |
Musik als Branding-Instrument ist eine gute Idee für ein armes Land: Ein | |
Streifzug über die Atlantic Music Expo (AME) auf den Kapverden. | |
Vor der Wahl in Angola: Kreml-Astrologie in tropischer Nacht | |
Nach 38 Jahren im Amt will Präsident Eduardo dos Santos dieses Jahr die | |
Macht abgeben. Die Opposition erhofft sich einen Wahlsieg. | |
Kommentar Hungersnot im Südsudan: Notstand als letzte Hoffnung | |
Fünf Millionen Menschen sind in Lebensgefahr – die Krise ist | |
menschengemacht. Die Reaktion der Weltpolitik auf das Drama ist lächerlich. | |
AU-Sekretär über Migration nach Europa: „Eine Brutstätte für Extremisten�… | |
Afrikanische Staaten fühlen sich beim EU-Afrika-Gipfel benachteiligt. | |
Olawale Maiyegun, Sekretär der Afrikanischen Union, über eine schwierige | |
Partnerschaft. |