# taz.de -- Klimaprotest in Lützerath: Im Hotspot der Bewegung | |
> In Glasgow wird geredet, in Lützerath versuchen Aktivist:innen, das Dorf | |
> vor RWE zu retten. Sie kämpfen auch für das 1,5-Grad-Ziel. | |
Bild: Greenpeace-Aktivist*innen markieren die 1,5-Grad-Grenze vor Lützerath mi… | |
LÜTZERATH taz | Eigentlich sollten dieser Tage [1][auf dem Hof des Bauern | |
Eckhardt Heukamp] Umzugskartons stehen. Von seinem Fenster in dem Dorf | |
Lützerath bei Erkelenz kann er den riesigen Schaufelbagger des | |
Braunkohletagebaus sehen, der ihm buchstäblich den Boden unter den Füßen | |
wegbaggert. So jedenfalls will es der Betreiber dieses Riesenbaggers in dem | |
Örtchen, der Energiekonzern RWE. Er lässt keinen juristischen Schritt | |
unversucht, um den Hof des Bauern vorzeitig in Besitz zu nehmen, um dann | |
den Tagebau auf dem Gebiet des Dorfes Lützerath und fünf weiteren Dörfern | |
fortzuführen. Doch Heukamp will bleiben. | |
Sowohl die zuständige Bezirksregierung Arnsberg als auch das | |
Verwaltungsgericht Aachen haben RWE grünes Licht gegeben, den Hof und das | |
Land des Bauern in Besitz zu nehmen. Gleichwohl will man bei RWE erst | |
einmal [2][eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster abwarten], | |
die spätestens am 7. Januar nächsten Jahres ergehen soll. Es geht um viel | |
Kohle: 780 Millionen Tonnen Braunkohle will RWE bis 2038 aus Garzweiler I | |
und II herausholen. | |
Doch Heukamp denkt nicht an einen Auszug. Längst ist sein Hof zum Hotspot | |
der Klimaschutzbewegung geworden. Und so standen am Sonntag nicht | |
Umzugs-Lkws, sondern fünftausend Demonstrierende vor dem Hof des | |
widerspenstigen Bauern. | |
## Das Dorf als Symbol für den Kampf ums Klima | |
Sie wollen ihn vor den Baggerschaufeln schützen und vor allem die Regierung | |
auffordern, ihre Versprechungen in der Klimapolitik einzuhalten. Aufgerufen | |
zu dieser Demonstration hatten unter anderem Fridays for Future, | |
Greenpeace, der BUND, „Alle Dörfer bleiben“ und „Lützerath lebt“. Und… | |
seinem Hof stand Hauptredner Eckhardt Heukamp, umringt von Fernsehkameras | |
und JournalistInnen. | |
Er werde nicht freiwillig einen Hof verlassen, der von seiner Familie schon | |
in der vierten Generation betrieben werde, erklärte Heukamp unter dem | |
Beifall der Anwesenden. Er hoffe auf die Ampel-Koalitionsgespräche in | |
Berlin und werde den Rechtsweg weiterverfolgen, „damit mit dem Abbaggern | |
vor Lützerath endlich Schluss ist“. Lützerath, so Heukamp, sei zum Symbol | |
geworden für den Kampf um Klimagerechtigkeit. | |
Sprecher war auch der Demonstrant Juan Pablo Gutierrez aus Kolumbien. Er | |
kommt aus einem Gebiet, in dem sechzehnmal mehr Braunkohle abgebaut werde | |
als in Garzweiler, und klagte den Kolonialismus und Kapitalismus an. Mit | |
deren Ausbeutung der fossilen Energieträger bewegte sich die Menschheit auf | |
ihren Abgrund zu. | |
„Es sind die zwei K, Kapitalismus und Kolonialismus, die die ökologischen | |
Grundlagen zerstören“, rief die in Deutschland lebende Aktivistin, die | |
Tamilin Lakshmi Thevasagayam, aus. Während man auf der Nordhalbkugel einen | |
Temperaturanstieg von 1,5 Grad anstrebe, seien für die Menschen im Süden | |
schon 1,2 Grad Erwärmung „die Hölle“. Es sei eine Schande, diese Bagger v… | |
Lützerath sehen zu müssen, die den Feinstaub tausend Kilometer | |
weitertragen. | |
## Wo die 1,5-Grad-Grenze verläuft | |
Gegenüber der taz erklärte [3][der russische Umweltschützer Wladimir | |
Slivjak], der für seinen Einsatz für die Umwelt mit dem diesjährigen | |
alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde, dass er sich sehr freue, auf | |
der Lützerather Demonstration sprechen zu können. Leider seien derartige | |
Demonstrationen derzeit in Russland nicht möglich, da viele Menschen Angst | |
hätten, in die Öffentlichkeit zu gehen. Auch seine Organisation | |
„Ecodefense“ sei vom russischen Justizministerium mit dem stigmatisierenden | |
Begriff „ausländischer Agent“ eingestuft worden. | |
Sollte RWE tatsächlich Lützerath abbaggern, würde dies nach Auffassung der | |
UmweltschützerInnen alle Versprechungen der Regierung, am 1,5-Grad-Ziel | |
festzuhalten, Lügen strafen. Das bestätigte kürzlich eine Studie im Auftrag | |
der Umweltorganisation Greenpeace, die das Deutsche Institut für | |
Wirtschaftsforschung erstellt hatte. „Wenn Lützerath verteidigt wird, | |
bleiben 600.000 Millionen Tonnen CO2 im Boden. Wenn Lützerath fällt, ist | |
das unvereinbar mit dem Ziel, den menschengemachten globalen | |
Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen“, so FFF [4][auf seinem | |
Portal]. | |
Nachtrag der Redaktion: Tatsächlich sind es nur 600 Millionen Tonnen CO2, | |
aber das ist immernoch eine ganz Menge. | |
31 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Der-Hausbesuch/!5719920 | |
[2] /Kampf-gegen-Kohleabbau/!5811602 | |
[3] /Alternativer-Nobelpreis-fuer-Aktivisten/!5804898 | |
[4] https://fridaysforfuture.de/gastbeitrag-luetzerath-unraeumbar-machen/ | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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