# taz.de -- Kampf gegen Kohleabbau: Räumung in Lützerath verschoben | |
> RWE will das Dorf für den Tagebau Garzweiler II abreißen, um Kohle zu | |
> fördern. Nun verschiebt sich der Prozess. Derweil muss Kerpen doch in | |
> Berufung. | |
Bild: Abriss verschoben: Lützerath am Rande des Tagebaus Garzweiler | |
Hamburg/Kerpen taz/dpa | Nachdem die Klimabewegung wochenlang dafür | |
mobilisiert hatte, ab Montag [1][das nordrhein-westfälische Dorf Lützerath | |
zu blockieren], wird die Räumung dort nun auf frühestens Anfang Januar | |
verschoben. Der Grund dafür ist eine Einigung des Oberverwaltungsgerichts | |
NRW mit dem Energiekonzern RWE. | |
Lützerath soll genau wie fünf weitere Dörfer in der Region [2][dem Tagebau | |
Garzweiler zum Opfer fallen], der im Interesse von RWE bis zum | |
Kohleausstieg weiter wachsen soll. Der letzte in Lützerath verbleibende | |
Landwirt Eckhard Heukamp will das Feld aber nicht räumen und klagt gegen | |
seine Enteignung, das Verfahren läuft noch. RWE beantragte jedoch bei der | |
Bezirksregierung Arnsberg, Heukamps Grundstück vorzeitig in Besitz nehmen | |
zu dürfen, also bevor das Gericht über die Enteignung entscheidet. | |
Die Bezirksregierung gab dem Antrag von RWE statt, das Verwaltungsgericht | |
Aachen bestätigte die Zustimmung. Zum 1. November sollte die „vorzeitige | |
Inbesitznahme“ erfolgen. Die Klimabewegung rief für dieses Wochenende ein | |
„Unräumbar-Festival“ aus, rund hundert Personen folgten dem Aufruf bislang | |
und campieren auf einer Wiese auf Heukamps Grundstück. | |
Ihrer Ansicht nach entscheidet sich in Lützerath, ob Deutschland die in | |
Paris vereinbarte 1,5 Grad-Grenze einhalten kann. Wenn Garzweiler weiter | |
wächst, könne man das vergessen. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine | |
[3][Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung], die die | |
Initiative „Alle Dörfer bleiben“ in Auftrag gegeben hatte. | |
## RWE hat zugesagt, die Füße stillzuhalten | |
Am Mittwochnachmittag bestätigte nun das Oberverwaltungsgericht Münster, | |
dass die Inbesitznahme von Heukamps Grundstück durch RWE zum ersten | |
November doch nicht erfolgen werde. Heukamp hatte Beschwerde gegen die | |
Entscheidung der ersten Instanz eingelegt, die zwar keine aufschiebende | |
Wirkung hat, die zu prüfen laut der vorsitzenden Richterin Gudrun Dahme | |
aber einige Zeit erfordere. | |
In so einem Fall sei es üblich, mit einer der beiden Streitparteien zu | |
vereinbaren, die Füße stillzuhalten, bis das Gericht Zeit hatte zu | |
entscheiden. „RWE hat zugesagt, bis dahin nichts zu unternehmen“, sagte | |
Dahme der taz. Spätestens muss das Gericht am 7. Januar entscheiden. | |
Allerdings bezieht sich die Zusage RWEs nur auf das Grundstück des | |
Landwirts. Das restliche Dorf gehört bereits RWE, dort kann der Abriss | |
jederzeit losgehen. „Wir bleiben auf jeden Fall hier und verlängern das | |
Unräumbar-Festival nun eben bis zum 7. Januar“, sagt eine Sprecherin der | |
Initiative „Lützerath lebt“, die sich Indigo nennt. Die Fristverlängerung | |
kommt den Aktivist*innen gelegen: „Es bedeutet, dass wir mehr Zeit | |
haben, die Strukturen auszubauen, die Lützerath unräumbar machen“, sagt | |
Indigo. Einige Klimschützer*innen sind bereits seit über einem Jahr vor | |
Ort und bauen Baumhäuser und Barrikaden, um die Räumung des ganzen Dorfes | |
zu verhindern. | |
Der Landwirt Heukamp hat noch Hoffnung, dass das Oberverwaltungsgericht zu | |
seinen Gunsten entscheidet. „Es ist ja jedem klar, dass das mit der Kohle | |
hier ein Ende haben wird“, sagt er der taz. Ob RWE bis dahin das Recht | |
haben solle, fröhlich weiter zu baggern, sei hingegen fragwürdig. Alle | |
Parteien bis auf die AfD hätten sich schließlich zum 1,5-Grad-Ziel bekannt. | |
„Wann wollen die das denn umsetzen?“, fragt Heukamp. „Wie lange wollen sie | |
damit noch warten?“ | |
## Kerpen muss doch in Berufung | |
Im Rechtsstreit um die Räumung des Hambacher Forsts vor drei Jahren muss | |
die Stadt Kerpen nun doch Berufung beantragen. Das nordrhein-westfälische | |
Bauministerium habe eine Anweisung dazu erteilt, sagte am Donnerstag ein | |
Sprecher der Stadt. | |
Im September 2018 hatte die Polizei den von Klimaschutzaktivisten besetzten | |
Wald geräumt. Der Hambacher Forst liegt am Rande eines Braunkohle-Tagebaus | |
und sollte damals gerodet werden. Die CDU-geführte NRW-Landesregierung | |
hatte die Stadt Kerpen und den Kreis Düren angewiesen, die von | |
Braunkohlegegnern errichteten Baumhäuser zu räumen. Begründet wurde dies | |
mit Brandschutz. | |
Im September dieses Jahres stellte aber das Verwaltungsgericht Köln fest, | |
dass die Brandschutz-Begründung damals nur vorgeschoben gewesen sei. Die | |
Räumung sei damit rechtswidrig gewesen. | |
Die Stadt Kerpen wollte diese Entscheidung zunächst anfechten und | |
beantragte die Zulassung einer Berufung beim Oberverwaltungsgericht | |
Münster. [4][Am Dienstagabend votierte der Kerpener Stadtrat jedoch mit | |
knapper Mehrheit dafür, darauf zu verzichten, also keine Berufung zu | |
beantragen]. | |
Doch jetzt sieht die Lage wieder anders aus: „Der Landrat des | |
Rhein-Erft-Kreises als Aufsichtsbehörde ist vom Ministerium aufgefordert | |
worden, der Kolpingstadt Kerpen die Weisung zu erteilen, dass die | |
Kolpingstadt Kerpen den Antrag auf Berufung nicht zurücknimmt – entgegen | |
dem Ratsbeschluss, den wir diese Woche Dienstag hatten“, sagte ein Sprecher | |
der Stadt Kerpen. Der Fall solle also doch vor das Oberverwaltungsgericht | |
kommen. | |
Bauministerin Ina Scharrenbach, aus deren Haus die Anweisung kommt, gehört | |
der CDU an. Sie hatte wie der inzwischen zurückgetretene Ministerpräsident | |
Armin Laschet (auch CDU) immer wieder bestritten, dass andere Gründe als | |
der Brandschutz die entscheidende Rolle bei der Räumung gespielt haben. | |
28 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Braunkohleprotest-bei-Garzweiler/!5801312 | |
[2] /Widerstand-gegen-Tagebau-Garzweiler-II/!5803785 | |
[3] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.819609.de/diwkompakt… | |
[4] /Schlappe-fuer-NRW/!5807347 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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