# taz.de -- Kleidungssiegel „Grüner Knopf“: Kleider-Streiken statt Grün-K… | |
> Der „Grüne Knopf“ von Minister Müller löst das Problem der Fast Fashion | |
> nicht. Mehr erreichen könnten die Verbraucher – durch Nichtstun. | |
Bild: Nicht jedes Schnäppchen macht gute Gefühle | |
Jetzt ist er also endlich da, der [1][Grüne Knopf]. Lange entwickelt, darf | |
das neue Label künftig an Textilien stecken, deren Herstellung bestimmte | |
soziale und ökologische Kriterien erfüllt. Kundinnen und Kunden, die Wert | |
auf die Produktionsbedingungen ihrer Kleidung legen, können sich auf ihren | |
Shoppingtouren nach noch einem weiteren Siegel richten. | |
Sicherlich wird der Grüne Knopf auch in all die Ratgeber aufgenommen, die | |
für Interessierte die Kriterien der jeweiligen Siegel, ihre Stärken und | |
Schwächen einordnen: Garantieren sie bloß staatliche Mindestlöhne oder | |
schon die für ein gutes Leben notwendigen? Wie streng ist das | |
Chemikalienmanagement? Ist die Baumwolle nur gentechnikfrei oder bio? Und | |
welchen Wasserfußabdruck hat die Biobaumwolle? | |
Schon jetzt erfordert ethisch korrekter Kleiderkonsum ein hohes Maß an | |
Informationsbereitschaft. Das ändert auch der Grüne Knopf nicht. Und so ist | |
die Erfindung des hochanständigen und tapferen Entwicklungsministers Gerd | |
Müller ein trauriges Beispiel dafür, dass sich kein richtiges Regieren im | |
Falschen machen lässt. | |
Das zeigt ein Blick in die Lebensmittelregale der Discounter, die künftig | |
auch „besonders nachhaltig produzierte Textilien“ mit dem Knopf auszeichnen | |
wollen (wie zum Beispiel Aldi). Sie bieten ja schon jetzt einen stabilen, | |
gemütlich wachsenden Anteil an Biolebensmitteln an. Damit erfüllen sie eine | |
Nachfrage ihrer Kunden – [2][Demeter-Eier, Bioland-Milch und | |
Fairtrade-Schokolade] fügen sich problemlos in den Rest des Sortiments ein. | |
Nun ist zwar jedes Ei aus ökologischer Haltung, in der Hennen ausreichend | |
Auslauf haben und männliche Küken erst mal leben dürfen, gut. | |
## Was tun? Streiken natürlich! | |
Aber die empörenden Zustände der industriellen Landwirtschaft, die | |
Tierquälerei und die negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt | |
und das Klima hat die Biolandwirtschaft nicht abgestellt. Sie ist ein | |
Labor, in dem gezeigt wird, wie ein besseres Wirtschaften möglich wäre, | |
darum ist sie so wichtig. Abgesehen davon bietet sie gesunde Lebensmittel, | |
auch das ist schön. | |
Die Agrarkrise jedoch löst sie nicht. Das könnte nur eine | |
Landwirtschaftspolitik, die Subventionen umschichtet und die Regulierung | |
nach den Maßstäben des Tierschutzes und der Ökologie ausrichtet. | |
Nun hat Entwicklungsminister Müller mit seinem Einsatz für bessere Kleidung | |
ein ungleich dickeres Brett zu bohren als seine Kollegin Klöckner im | |
Agrarressort. Während die nämlich für eine bessere Landwirtschaft nur ihre | |
Furcht vor den Lobbyisten der Lebensmittel- und Chemieindustrie ablegen | |
müsste, hat er es mit weltweiten Lieferketten zu tun, in die er gesetzlich | |
nur schwer eingreifen kann. | |
Zwar fordern die maßgeblichen Organisationen aus dem Entwicklungs- und | |
Umweltbereich, Kirchen und Gewerkschaften ebendas: ein Lieferkettengesetz. | |
Aber wie und mit welchem Recht Deutschland sanktionsfähige Vorgaben an die | |
Produktion in anderen Ländern machen kann und wie diese dann wasserdicht | |
überprüft werden sollen, ist bis jetzt auch noch nicht so ganz schlüssig. | |
Was also tun? Streiken, ganz klar, und zwar nicht nur freitags. Jeder | |
Deutsche kauft, im Schnitt, jährlich 60 Kleidungsstücke. Dabei zeigt ein | |
Blick in jeden durchschnittlichen Kleiderschrank: Alles ist gerammelt voll, | |
überfüllt, zu viel. Eigentlich müsste kaum ein Bundesbürger jemals in | |
seinem Leben wieder eine neue Hose oder Jacke kaufen – egal, welche Farbe | |
ihre Knöpfe haben. | |
9 Sep 2019 | |
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[1] /Gruener-Knopf-Siegel-fuer-faire-Bekleidung/!5624202 | |
[2] /Demeter-Sprecher-ueber-die-Biobranche/!5606740 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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