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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Am liebsten Pampa
> Die Summer Edition der British Shorts zeigt eine Vielfalt an Kurzfilmen.
> Von der Bucket List für eine Tote bis zur Hirten-Doku ist alles dabei.
Bild: Christian Cargills „Heart Valley“ (2022) ist am 4. August zu sehen
Klassische Vampire brauchen bekanntlich Blut als Lebenselixier, Tina
dagegen Orgasmen von Männern. Man sieht, was passiert, wenn sie aus welchen
Gründen auch immer keinen geordneten Beischlaf organisiert bekommt: Ihre
Haut wird faltiger, ein rasanter Alterungsprozess setzt ein, jegliche
Energie scheint langsam ihren Körper zu verlassen. Klingt nach einer
fleischgewordenen Männerphantasie, diese Tina. Doch der nächste Typ, der
sich mit ihr einlässt, stellt dann schnell fest: Diese Frau ist eher ein
Albtraum.
„A Little Death“ heißt der humorige Kurzfilm von Maria Pawlikowska, der der
gut abgehangenen Graf-Dracula-Thematik einen neuen Spin gibt und der bei
der diesjährigen Sommerausgabe des [1][Kurzfilmfestivals British Shorts]
läuft, das von 4. bis zum 6. August in den Freiluftkinos Friedrichshain und
Insel sowie im Sputnik stattfindet.
Die Vielfalt an Kurzfilmen, die hier gezeigt werden, ist enorm.
Experimentelle Animationsfilme, queere Shorties, eine Hommage an den
britischen Kultregisseur und Aids-Aktivisten Derek Jarman, alles ist hier
mit dabei. Eines der Highlights ist sicherlich der oscarprämierte
nordirische Film „An Irish Goodbye“ von Tom Berkeley und Ross White. In dem
Kurzfilm führt der Tod der Mutter zwei Brüder nach langer Zeit wieder auf
dem elterlichen Bauernhof zusammen. Dabei taucht eine Liste auf mit 100
Dingen, die die Mutter gerne noch in ihrem Leben unternommen hätte.
Gut, nun befindet sie sich eingeäschert in einer Urne, aber die Brüder
kommen überein, dass es sich auch postum gehört, ein paar Träume der Mutter
wahr werden zu lassen. Einmal gemeinsam einen kiffen, das kriegen sie noch
einigermaßen leicht hin. Schwieriger ist da schon, den hinterlassenen
Wunsch zu erfüllen, in Richtung Weltall zu entschweben. Aber auch für diese
Aufgabe wird eine Lösung gefunden. Mit einer Länge von etwas über zwanzig
Minuten haut der Film eine witzige Pointe nach der anderen heraus, bekommt
überraschende Plotwendungen hin und vermag es außerdem hervorragend,
knorrige Nordiren zu zeichnen und auch mal zu überzeichnen.
## Zufrieden in Wales
Der Achtsamkeitspreis des Filmfestivals, falls der verliehen würde, und
überhaupt alle nur erdenkbaren weiteren Preise aber gebührt
hundertprozentig der Kurzdoku „Heart Valley“ von Christian Cargill. Wer
sich schon immer mal dachte, dass es langsam mal reicht mit dem stressigen
Leben in der Großstadt und wie schön dagegen sicherlich ein Dasein als
Schafhirte in der Pampa von Wales wäre: Nach diesem Film könnte klar sein,
dass das eigentlich eine ziemlich gute Idee ist. Denn einen
ausgeglicheneren, entspannteren und zufriedeneren Mann als den walisischen
Schafhirten Wilf Davies, der hier porträtiert wird, kann man kaum finden.
Sieben Tage in der Woche muss er arbeiten, erzählt er. Aber eigentlich sei
das gar keine Arbeit mit den Schafen, sondern so etwas wie ein ewiger
Urlaub. Die Berufung im Beruf, die sich alle immer wünschen, er hat sie
ganz offensichtlich gefunden. In seinem Leben gibt es nur die Natur und die
Schafe, aber das reicht. Mittags gibt es jeden Tag ein paar Sandwiches und
abends immer dasselbe: Angebratene Zwiebeln, Bohnen aus der Dose und Fisch.
Wer weiß, ob das selbst angesichts der bedenklich niedrigen Standards der
britischen Küche überhaupt wirklich ein Gericht ist. Aber es ist nunmal die
Leibspeise von Wilf Davies und die gönnt er sich eben täglich.
Dann geht die Sonne unter in seinem Tal, er blickt noch einmal zu seinen
Schafen und vermittelt einem den sicheren Eindruck, dass es keinen
glücklicheren Menschen als ihn geben kann.
2 Aug 2023
## LINKS
[1] https://www.britishshorts.de/
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
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