# taz.de -- Katastrophe mit 21 Toten: Loveparade-Prozess vor dem Aus | |
> Wegen Corona droht ein Ende des Mammutprozesses: auch die letzten | |
> verbliebenen drei Angeklagten könnten ohne Strafen oder Auflagen | |
> davonkommen. | |
Bild: Flucht aus dem Gedränge bei der Loveparade vor 10 Jahren in Duisburg | |
BOCHUM taz | Das Landgericht Duisburg will den Loveparade-Prozess ohne | |
Urteil einstellen. Das bestätigte Gerichtssprecher Thomas Sevenheck der taz | |
am Dienstagnachmittag. Wegen der aktuellen Prozessunterbrechung aufgrund | |
der Corona-Pandemie bestehe „eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, den | |
angeklagten Sachverhalt verurteilungsreif aufzuklären“, so der Richter am | |
Landgericht. Der Prozess steht seit seinem Beginn 2017 unter massivem | |
Zeitdruck: Spätestens am 27. Juli 2020 endet die „absolute | |
Verjährungsfrist“. | |
Denn dann ist es mehr als zehn Jahre her, dass bei der Duisburger | |
Loveparade 21 Menschen getötet und 650 zum Teil schwerst verletzt und | |
traumatisiert wurden: Auf einer Rampe, die vom dunklen und dreckigen | |
Karl-Lehr-Tunnel unter dem Güterbahnhof der Ruhrgebietsstadt zum damaligen | |
Veranstaltungsgelände führte, wurden sie bei einer Massenpanik in | |
drangvoller Enge erdrückt – alle 21 Todesopfer starben durch Quetschungen | |
des Brustkorbs. | |
Schnell ins Visier der Öffentlichkeit gerieten Duisburgs damaliger | |
Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) sowie der Chef der | |
Veranstaltungsfirma Lopavent und Inhaber der Fitnesskette McFit, Rainer | |
Schaller. Beide wurden jedoch nicht angeklagt, als der Prozess im Februar | |
2017 in einem zweiten Anlauf endlich begann. [1][2016 hatte das Gericht | |
sogar vollständig abgelehnt], überhaupt eine Hauptverhandlung zu eröffnen: | |
Es mangele schlicht an „konkretem Tatverdacht“ gegen einzelne, namentlich | |
benennbare Verantwortliche. | |
Auch im zweiten Anlauf 2017 mussten sich nur Mitarbeiter*innen von | |
Sauerland und Schaller für die Katastrophe verantworten. Im eigens als | |
Gerichtssaal angemieteten Osttrakt des Düsseldorfer Kongresszentrums saßen | |
nur Ex-Stadtentwicklungsdezernent Jürgen Dressler und fünf weitere | |
Stadtbedienstete auf der Anklagebank. Dazu kamen vier Beschäftigte | |
Schallers, die bei der Lopavent als Gesamtleiter, technischer Leiter, | |
Produktionsleiter und als Sicherheitschef beschäftigt waren. | |
## Die Rolle der Polizei | |
Die Rolle der Polizeiführung, deren Beamte sogar noch mit einem Bulli in | |
die Menschenmenge vor der Rampe zum Loveparade-Veranstaltungsgeläde | |
hereingefahren waren und die so die drangvolle Enge noch vergrößert hatten, | |
wurde dagegen nie beleuchtet. | |
[2][Im Februar 2019 folgte dann eine weitere Enttäuschung] für die | |
Nebenkläger*innen, darunter viele Angehörige von Getöteten: Wegen geringer | |
Schwere der Schuld wurde das Verfahren gegen sieben der zehn Angeklagten | |
nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung eingestellt. Ihnen sei ihnen kein | |
„schuldhaftes Verhalten“ nachzuweisen, erklärte Oberstaatsanwalt Uwe | |
Mühlhoff. Der Nachweis, welche Handlung welches Beschuldigten direkt zum | |
Tod oder zur Verletzung von Menschen geführt habe, sei nicht zu erbringen. | |
Ohne jede Auflage konnten sieben der zehn Angeklagten deshalb den Saal | |
verlassen. Auf der Anklagebank zurück blieben nur noch drei Mitarbeiter der | |
Lopavent – und auch bei Ihnen zweifeln die Duisburger Richter, ob ihnen | |
schuldhafte fahrlässige Tötung individuell nachgewiesen werden kann. | |
Bei der Katastrophe habe es sich um ein „multikausales Geschehen“ | |
gehandelt, erklärt das Gericht stattdessen. Bis zum 20. April sollen | |
Anklage, Nebenkläger*innen und Verteidigung nun erklären, ob sie einer | |
Einstellung des Verfahrens zustimmen. | |
7 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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