# taz.de -- Jules-Verne-Klassiker als ZDF-Serie: Heldenhafter Rettungsversuch | |
> Das ZDF hat „In 80 Tagen um die Welt“ von Jules Verne als Miniserie neu | |
> verfilmt. Das dürfte alte Fans erfreuen. Doch kann es auch neue gewinnen? | |
Bild: Phileas Fogg (David Tennant), Abigail Fix (Leonie Benesch) und Jean Passe… | |
Weihnachtsrituale im deutschen Fernsehen sind natürlich „Drei Haselnüsse | |
für Aschenbrödel“ und „Sissi“. Früher gehörten dazu aber mal Verfilmu… | |
großer Romanklassiker aus dem Abenteurer-Genre als Mehrteiler: „Die | |
Schatzinsel“, „Die Abenteuer des David Balfour“, „Der Seewolf“ sowie … | |
Jules-Verne-Bücher „Zwei Jahre Ferien“, „Michael Strogoff“ und „Math… | |
Sandorf“. | |
Ausgerechnet von Vernes berühmtesten Werken ließ man dagegen bisher die | |
Finger: „20.000 Meilen unter dem Meer“ und „In 80 Tagen um die Welt“ wa… | |
nämlich bereits 1954 und 1956 als Hollywood-Großproduktionen verfilmt | |
worden. Inzwischen kann man diese vielleicht aber doch etwas angestaubt | |
finden. Selbst die „In 80 Tagen“-Miniserie mit Pierce Brosnan ist ja | |
mittlerweile über 30 Jahre alt. Die Zeit war also reif für einen neuen | |
Versuch. | |
Die Konfektionierung als [1][Miniserie] in acht Teilen soll vermutlich | |
heutigen Seh-, das heißt Streaming-Gewohnheiten entgegenkommen. Aber acht | |
Folgen à 45 Minuten, das entspricht unterm Strich genau vier Teilen in | |
Spielfilmlänge. Im Ergebnis ist er also wieder da: Der Abenteuermehrteiler | |
zu Weihnachten, international koproduziert, in Südafrika und Rumänien | |
gedreht. | |
Aber überzeugt die Serie auch inhaltlich? | |
## Gewisse Freiheiten | |
Da wäre also dieser bis an die Grenze zur Karikatur exzentrische englische | |
Snob Phileas Fogg (David Tennant), der, wie die anderen Gentleman im | |
Londoner „Reform Club“ des Jahres 1872, noch nie in seinem Leben einen Tag | |
gearbeitet hat. So kommt er eben aus reiner Langeweile auf die Schnapsidee, | |
die Weltkugel in 80 Tagen in westöstlicher Richtung – das wird für die | |
Schlusspointe entscheidend sein – zu umrunden. Und weil sie Engländer sind, | |
machen sie gleich noch eine Wette daraus. So weit, so gut, und alles wie | |
gehabt? | |
Nicht ganz. Bei den Abenteuerepisoden, die Fogg erlebt, haben sich die | |
„Ideengeber“ (Ashley Pharoah, Caleb Ransom) gewisse Freiheiten genommen. | |
Vor allem betrifft das Foggs zwei Sidekicks, die nun mehr sein sollen als | |
das, nämlich veritable Hauptrollen. Der französische Diener Passepartout | |
(Ibrahim Koma) erinnert in dieser Reinkarnation als vielbegabter Filou | |
schon sehr an den von Netflix wiederbelebten [2][Arsène Lupin]. Er ist nun | |
auch schwarz wie dieser: PoC-Thema abgehakt. | |
Damit die Hausaufgaben in Sachen Diversität gemacht sind, fehlt jetzt nur | |
noch, genau: eine Frau. So wird aus dem Detektiv des Originals eine | |
Journalistin (Leonie Benesch aus „Babylon Berlin“), aus Mister Fix wird …: | |
„Besonders stolz sind wir auf die Figur der jungen Reporterin Abigail,Fix' | |
Fortescue: Wir haben diese weibliche Hauptrolle ganz neu in die Geschichte | |
hineingeschmuggelt“, formuliert das ZDF. „Unerschrocken geht sie ihren Weg | |
in einer männlich dominierten Welt, sodass sich auch mehr als 100 Jahre | |
später junge Frauen in dieser Abigail Fix wiederfinden können.“ | |
Ungefähr so streberhaft-wohlfeil klingen auch die Sätze, die sie ihr in den | |
Mund gelegt haben. „Mein Vater erwartet von mir, über Ponys zu schreiben. | |
Mit einem netten Mann sesshaft zu werden und ihm Enkelkinder zu schenken. | |
Aber das ist nichts für mich.“ | |
## Weihnachten 2021 – alle gucken, was sie wollen | |
Es gab da schon inspiriertere neue weibliche Protagonisten im | |
Klassiker-Gewand („Enola Holmes“). Mehr als harmlose Unterhaltung für die | |
ganzen Familie, vom Großvater bis zur Enkelin, will, soll und kann es nicht | |
sein. Es fehlt halt ein bisschen dieser spezifische – nun ja – | |
ernsthaft-sehnsuchtsvolle Sound der alten Abenteuervierteiler. Mit dem aber | |
vielleicht die Enkelin und der Enkel heute nichts mehr anzufangen wüssten. | |
Kann schon sein. | |
Kann aber auch sein, dass die mit Verne und anderen selbst in dieser | |
modernisierten Form nichts mehr anzufangen wissen. Dass der Großvater und | |
der Vater allein vorm Fernseher sitzen, während sich die Oma und die Mutti | |
im anderen Zimmer die 2021er-Remakes von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel… | |
und „Sis(s)i“ auf Amazon und RTL angucken. Und die Enkelin und der Enkel | |
streamen [3][„Squid Game“] auf dem Smartphone, jeder für sich. Frohes Fest! | |
20 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Die-besten-Filme-des-Jahres-2021/!5820147 | |
[2] /Die-Polizei-in-Frankreichs-Kultur/!5747623 | |
[3] /Kritik-an-Netflix-Serie-Squid-Game/!5806233 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
## TAGS | |
Fernsehen | |
Weihnachten | |
ZDF | |
Netflix | |
Serien-Guide | |
Serie | |
Istanbul | |
Frankreich | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Netflix-Serie „Emily in Paris“: Kokett ignoriert | |
„Emily in Paris“ wurde monatelang wegen platter Frankreichklischees heftig | |
kritisiert. Die zweite Staffel zeigt sich auffallend unbeeindruckt. | |
Neue Serie Eldorado KaDeWe: Eine Oase der Freiheit | |
Die Serie taucht in die lesbische Subkultur der Weimarer Republik ein. Sie | |
könnte neue Maßstäbe für öffentlich-rechtliche Produktionen setzen. | |
ARD-Serie „Legal Affairs“: Abseits der Carmen-Nebel-Zielgruppe | |
Die Serie „Legal Affairs“ versucht, modern zu sein. Das gelingt mit ihrer | |
Themenwahl, doch in der Dramaturgie fehlt es an Kniff. | |
Türkische Netflix-Serie „Kulüp“: Schabbat in Istanbul | |
Die Netflix-Serie „Kulüp“ gibt Einblicke in die Geschichte der | |
sephardischen Jüd*innen in der Türkei. Bereits der Einstieg ist | |
dramatisch. | |
Die Polizei in Frankreichs Kultur: Ziemlich beste Tölpel? | |
Polizeikritik hat in der französischen Popkultur eine lange Tradition – | |
anders als in Deutschland. Die Netflix-Serie „Lupin“ versucht da | |
anzuknüpfen. |