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# taz.de -- Netflix-Serie „Emily in Paris“: Kokett ignoriert
> „Emily in Paris“ wurde monatelang wegen platter Frankreichklischees
> heftig kritisiert. Die zweite Staffel zeigt sich auffallend
> unbeeindruckt.
Bild: Emily (r.) und Camille bei sehr französischen Gesprächen
So sind sie halt, die Französ:innen. Trinken mittags schon Wein und
haben Sex, mit wem sie wollen. Emily (Lily Collins) hat ihr Business-Lunch
natürlich direkt neben dem Louvre, es geht um eine Werbekampagne für
Champagner. Und Marketingchefin Sylvie interessiert natürlich noch viel
brennender, dass Emily eine Affäre mit dem Koch hat. Und der Koch ist der
feste Freund der Kundin, oh, là, là, da zündet die Chefin sich gleich
genüsslich eine Zigarette an: „Oh Emily, du wirst jeden Tag französischer!�…
Allein diese Szene zu Beginn der zweiten Staffel von „Emily in Paris“
zeigt, dass Netflix aus der vernichtenden Kritik des vergangenen Jahres
nichts gelernt hat – oder nichts lernen wollte.
Als die Dramedy im Oktober 2020 veröffentlicht wurde, war die Aufregung
über die platten Frankreichklischees groß. US-Amerikanerin Emily wird für
ein Jahr nach Paris geschickt, um Ordnung in das französische Schwesterbüro
der Marketingfirma zu bringen. Vor Ort bekommt sie erst einmal den vollen
Kulturschock: Ihre Arbeitskolleg:innen treffen erst am späten
Vormittag im Büro ein, machen stundenlang Mittagspause und scheinen weder
das Internet noch die #MeToo-Bewegung verstanden zu haben. Dazu gibt es
einen Haufen Begrüßungsküsse, Croissants und dutzende Kameraschwenks über
den blinkenden Eiffelturm.
Geht gar nicht, so lautete die allgemeine Reaktion auf die Serie von Darren
Star („Sex and the City“). Vor allem von französischer Seite wurden die
stereotypen Darstellungen kritisiert: Hier die Amerikaner:innen –
stets anstrengend gut gelaunt, dort die Französ:innen, die zwar wissen,
wie man das Leben genießt, dabei aber dauerhaft schlecht gelaunt sind. Die
Stadt Paris wirkt derweil so glatt gebügelt dass jede Realitätsnähe
verschwunden ist. Der Plot übrigens bleibt flach und vorhersehbar.
## Die Kritik nahm kein Ende
Und auch wenn diese Kritik an der Sendung durchaus ihre Berechtigung hat,
war es dann doch beachtlich, mit welcher Verve sie stattgefunden hat – bis
hin zu Hetze gegen die Darsteller:innen in sozialen Medien.
Sogar im Feuilleton wurde die Serie mit erstaunlicher Leidenschaft
zerrissen. „Die vielleicht dümmste Serie in der Geschichte von Netflix“,
schrieb beispielsweise die Berliner Zeitung. Und der Guardian: „Ich wundere
mich, was die Franzosen gemacht haben müssen, um ‚Emily in Paris‘ verdient
zu haben.“
Und die Kritik nahm kein Ende. Als die Serie Monate nach Veröffentlichung
für zwei [1][Golden Globes] nominiert wurde, ging das Ganze von vorne los.
Die zweite Staffel macht nun genau da weiter, wo die erste aufgehört hat.
Paris sieht immer noch aus wie ein Disneyland, in dem sich nur Menschen in
Designerkleidung in vierstelliger Preishöhe auf die Straße wagen. Emily
spricht nach wie vor kein Französisch, ihre Outfits sind weiterhin schrill
und die kulturellen Unterschiede bei der Arbeit noch lange nicht
überwunden.
## Der perfekte Hate-Watch
Und dann bekommt Camille (die Kundin und beste Freundin) natürlich auch
noch heraus, dass Emily mit ihrem Freund geschlafen hat, dem Koch. Merde!
Abstand nehmen funktioniert leider auch nicht, schließlich muss Emilys
Luxuswerbeagentur gleichzeitig die Champagnerkellerei von Camilles Familie
und das neue Restaurant des Freunds betreuen. Es wird auch in dieser
Staffel kein Frankreichklischee ausgelassen.
2020 war „Emily in Paris“ die erfolgreichste Comedyserie auf Netflix –
obwohl alle Welt sie zu hassen scheint. Oder gerade deswegen? „Emily in
Paris“ ist der perfekte Hate-Watch. Eine kurzweilige Unterhaltung, die man
einfach nicht zu ernst nehmen sollte. Nicht nur die Französ:innen, auch
die Amerikaner:innen bekommen dabei ihr Fett weg.
Das bunte und glitzernde Paris dieser Serienwelt mag nicht viel mit der
Realität zu tun haben, aber eine Serienwelt ohne Corona und ernsthafte
Probleme ist eben auch [2][der perfekte Eskapismus]. Die Wut der
Zuschauenden, die sich natürlich auch nach der zweiten Staffel im Netz und
in den Feuilletons ausbreitet, gibt es dann noch gratis als Drama
obendrauf.
Nur an einer Stelle sind die Stereotypen dann nicht mehr so witzig, sondern
werden zu rassistischen Zuschreibungen: Im Französischunterricht lernt
Emily Petra aus Kiew kennen. Zunächst scheinen sich die beiden gut zu
verstehen, doch ihr erster gemeinsamer Shoppingausflug im Luxuskaufhaus
endet in einer Fastschlägerei an der Seine. Denn die Ukrainerin ist eine
Diebin – und klaut ihre Shoppingfunde. Die brave Emily darf sie dann
zürückbringen.
„Emily in Paris“, Staffel zwei, zehn Episoden bei Netflix
28 Dec 2021
## LINKS
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[2] /Corona-und-seine-Folgen/!5821258
## AUTOREN
Carolina Schwarz
## TAGS
Netflix
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