| # taz.de -- Islamistische Anschlagsserie: Die Rückkehr des Terrors | |
| > Paris, Nizza, Avignon: Die neue islamistische Terrorwelle passt in eine | |
| > Zeit, in der Respekt für Andersdenkende und Dialogbereitschaft schwinden. | |
| Bild: Emmanuel Macron spricht mit Einsatzkräften am Anschlagsort in Nizza | |
| Es war zuletzt still geworden um islamistischen Terror in Europa. Die | |
| Anschlagswelle von 2015 bis 2017 – über 300 Tote in Paris und Nizza, | |
| Brüssel und Berlin, Manchester und London – war zu Ende gegangen, | |
| hauptsächlich als Folge der Zerschlagung des „Islamischen Staats“ (IS) als | |
| organisiertes Gebilde in Syrien und im Irak. Die öffentliche Aufmerksamkeit | |
| wandte sich ab. Aber die Mörder im Namen Gottes waren nie verschwunden. In | |
| anderen Weltregionen ging ihr Kampf weiter, und selbst in Europa war | |
| islamistische Gewalt nie Geschichte. Sie wurde nur weniger wahrgenommen. | |
| Gemessen an dieser blutigen Vergangenheit fallen die beiden jüngsten | |
| [1][Terrorangriffe in Frankreich] zahlenmäßig nicht ins Gewicht. Aber ihre | |
| Wirkung ist ungleich größer. Denn mit dem brutalen Mord an dem Lehrer | |
| Samuel Paty, gefolgt von der nicht minder grausigen Attacke von Nizza, | |
| stehen wieder die Mohammed-Karikaturen der französischen Satirezeitschrift | |
| [2][Charlie Hebdo] im Mittelpunkt, mit deren Rächung durch das Massaker an | |
| der Belegschaft des Blattes im Januar 2015 die neue islamistische Blutspur | |
| quer durch Europa ihren Anfang nahm. Der Mord an Paty geschah in dem | |
| Kontext des in Frankreich sehr aufmerksam verfolgten Terrorprozesses gegen | |
| die mutmaßlichen Mittäter von damals. Es ist, als springe die Geschichte | |
| zurück auf Start. | |
| Aber Geschichte wiederholt sich nicht, und die Welt von 2020 ist nicht mehr | |
| die von 2015. Respekt für Andersdenkende gehört immer weniger zur | |
| politischen Kultur. Selbstüberschätzung und das Recht des Stärkeren haben | |
| in der internationalen Politik Dialogbereitschaft und regelbasierte | |
| Zusammenarbeit verdrängt. | |
| Die Toleranz für konträre Meinungen schwindet, Konsenssuche ist nicht mehr | |
| angesagt. Was radikale Prediger schon immer glaubten – dass es zu zentralen | |
| Themen des Lebens nur eine einzige erlaubte Haltung gibt –, ist | |
| mittlerweile verbreitet, selbst bei ansonsten rationalen Menschen. Dass | |
| eine empfundene Beleidigung oder Diskriminierung unter keinen Umständen | |
| Gewalt rechtfertigt, ist im Zeitalter der Identitätspolitik nicht mehr | |
| selbstverständlich. Der Geist von „Je suis Charlie“ ist weitgehend | |
| verschwunden. Der Terror hat freies Feld. | |
| Viel wurde darüber sinniert, was das Ende des Multilateralismus und die Ära | |
| von Trump und Xi, Putin und Erdoğan und ihren vielen Nachahmern für die | |
| Weltpolitik bedeutet. Es erweist sich: Die großen Führer verstehen sich | |
| untereinander ganz gut. Aber die von ihnen verkörperte politische Kultur | |
| vergiftet die Gesellschaft. Sich für unfehlbar zu halten ist legitim | |
| geworden. Es beginnt mit Worten. Es endet mit abgeschlagenen Köpfen. | |
| 29 Oct 2020 | |
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| Dominic Johnson | |
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