| # taz.de -- Intransparente Verhandlungen: Schiffe versenken Klimaschutz | |
| > Die Klimaziele für die internationale Schifffahrt kamen spät und sind | |
| > schwach. Nun steht auch ihre Durchsetzung auf der Kippe. | |
| Bild: Der internationale Schiffsverkehr trägt stark zur Klimakrise bei | |
| Berlin taz | Die Ananas aus Costa Rica, das Handy aus China, die Jeans aus | |
| Bangladesch: Ein Großteil aller Waren macht vor der Nutzung eine Weltreise, | |
| meistens per Schiff. 90 Prozent des Welthandels kommen so von A nach B.Das | |
| hat Folgen für das Klima: Würde man die Emissionen der internationalen | |
| Schifffahrt wie bei einem Land bewerten, läge ihr Treibhausgasausstoß über | |
| dem von Deutschland. Fast eine Milliarde Tonnen CO2 fallen jährlich an, | |
| weil wir Personen und Güter über die Gewässer der Erde transportieren. | |
| Würden all diese Waren per Flugzeug bewegt, wäre das zwar noch | |
| klimaschädlicher – aber auch die Emissionen der Schifffahrt sind bei Weitem | |
| nicht mit dem Ziel vereinbar, die Klimakrise zu bremsen, bevor sie | |
| katastrophale Ausmaße annimmt.In den Griff bekommen soll das die | |
| Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO), in der die meisten Länder | |
| vertreten sind. Eine neue Einigung der 174 Regierungen unter ihrem Dach | |
| macht es aber noch unwahrscheinlicher als bislang schon, dass das klappt. | |
| ## Das Klimaziel der Branche ist schwach | |
| Vor gerade mal zwei Jahren hat die IMO [1][ihr erstes Klimaziel | |
| hervorgebracht]: Die CO2-Emissionen der internationalen Schifffahrt sollen | |
| bis 2050 im Vergleich zu 2008 um die Hälfte sinken und dann weiter auf | |
| null. Zudem soll die Effizienz in der Branche steigen – um 40 Prozent bis | |
| 2030 und um 50 bis 70 Prozent bis 2050. | |
| Umweltorganisationen kritisierten zwar, dass das nicht konform mit den | |
| [2][Zielen des Paris-Abkommens] sei, lobten aber dennoch, dass es überhaupt | |
| vorangehe. | |
| Dass die IMO ein eigenes Klimaziel braucht, geht nämlich schon auf das | |
| Kioto-Protokoll von 1997 zurück, dem Vorläufer des Pariser | |
| Weltklimaabkommens. Die IMO kam ihrem Auftrag also erst 21 Jahre später | |
| nach. „Der Plan ist bei Weitem nicht perfekt, aber die Richtung ist klar: | |
| ein Ausstieg aus den CO2-Emissionen“, urteilte Veronica Frank, politische | |
| Beraterin von Greenpeace International. | |
| Jetzt geht es darum, wie der Plan in die Tat umgesetzt wird. Im November | |
| will der Umweltausschuss der IMO eine entsprechende Strategie beschließen. | |
| Die hat eine Arbeitsgruppe in der vergangenen Woche in einer virtuellen | |
| Konferenz vorbereitet. Umweltorganisationen und selbst die | |
| Schifffahrtsbranchen einzelner Länder kritisieren: Was dabei herausgekommen | |
| ist, reicht nicht, um die Vorgaben durchzusetzen. | |
| Das Klimaziel von 2018 sieht vor, dass Schiffe schon 2023 bestimmte | |
| technologische Kriterien erfüllen müssen, um ihren CO2-Ausstoß zu senken. | |
| Einerseits geht es dabei um die Effizienz und andererseits um die | |
| sogenannte CO2-Intensität der Schiffe. Das ist die Menge an Kohlendioxid, | |
| die der Transport einer Tonne Ladung über eine Seemeile verursacht. Die | |
| hängt nicht nur von der Effizienz ab, sondern zum Beispiel auch vom | |
| Fahrtempo. | |
| ## Die Emissionen dürfen weiter steigen | |
| Unternehmen, die ihre CO2-Intensität nicht ausreichend senken, droht laut | |
| dem aktuellen Plan keine Sanktion. Erst wenn ein Schiff drei Jahre lang zu | |
| schlecht abschneidet, muss ein Plan vorgelegt werden, wie das korrigiert | |
| werden kann. Mehr nicht. Die Anzahl der Tonnenmeilen wird zudem nicht | |
| eingeschränkt – auch wenn die CO2-Intensität sinkt, kann der Ausstoß des | |
| Treibhausgases also insgesamt weiter ansteigen. | |
| Die Internationale Schiffahrtskammer (ICS) ist zufrieden. „Diese | |
| Übereinkunft der Regierungen zeigt der Welt, dass die Schifffahrtsindustrie | |
| auf dem richtigen Weg ist, um ihre ambitionierten CO2-Ziele zu erreichen | |
| und am Ende ein Null-Emissions-Sektor zu werden“, sagte Guy Platten, der | |
| als Chef der ICS sozusagen der oberste Lobbyist der Branche ist. | |
| „Die Industrie braucht Sicherheit, und diese Übereinkunft sendet ein | |
| deutliches Signal, welche Investitionen wir brauchen, um unsere Emissionen | |
| weiter zu reduzieren“, versicherte er. | |
| Das glaubt ihm allerdings nicht einmal die gesamte Branche. „Das ist ein | |
| enttäuschendes Ergebnis, und wir müssen einfach anmerken, dass die | |
| Mitgliedstaaten der IMO nicht geliefert haben“, sagte Maria Skipper Schwenn | |
| von der dänischen Schifffahrtsvereinigung Danske Rederier. Der Beschluss | |
| sei vage. | |
| „Das ist besorgniserregend für die dänischen Schifffahrtsunternehmen, die | |
| eine Regelung fordern, die auch durchsetzbar ist“, so die Lobbyistin. Sie | |
| hofft, dass das auf der Sitzung des Umweltausschusses im November noch | |
| einmal zur Sprache kommt. | |
| ## Verhandlungen hinter geschlossenen Türen | |
| Umweltverbände fordern die Regierungen auf, im Umweltausschuss nächsten | |
| Monat gegen den Plan zu stimmen. „Wir drängen die Staaten, ihre | |
| Unterstützung für den Beschluss im Vorfeld der Sitzung des | |
| Umweltausschusses noch einmal zu überdenken und ihn abzulehnen – wenn er | |
| nicht fundamental stärker gemacht wird“, sagte John Maggs, Chef der | |
| Brüsseler Umweltorganisation Clean Shipping Coalition. | |
| „Die Regierungen haben das Paris-Abkommen mit Füßen getreten, indem sie | |
| Maßnahmen zugestimmt haben, mit denen die Emissionen der Schiffe noch für | |
| Jahrzehnte steigen werden“, sagte Faig Abbasov, Chef für | |
| Schifffahrtspolitik bei der Brüsseler Denkfabrik Transport & Environment. | |
| Er findet nicht, dass man den Klimaschutz im Schiffverkehr weiter der IMO | |
| überlassen sollte, wo größtenteils hinter verschlossenen Türen verhandelt | |
| wird. „Die IMO hat der Welt mal wieder bewiesen, dass sie nur zu | |
| kosmetischen Veränderungen fähig ist.“ | |
| Dass die Staaten den Klimaschutz in der Schifffahrt in die IMO ausgelagert | |
| haben, liegt an deren internationaler Ausrichtung. Ähnlich ist es beim | |
| zwischenstaatlichen Flugverkehr. Auch dort verhandeln die Staaten nicht im | |
| Rahmen der größtenteils öffentlichen Weltklimagipfel über Klimaschutz, | |
| sondern unter dem Dach der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation. | |
| Argument: Die Emissionen dieser Branchen könne man nicht so einfach | |
| einzelnen Staaten zuordnen. In den Klimazielen, die alle Länder des | |
| Paris-Abkommens bei den Vereinten Nationen melden, werden die beiden | |
| Verkehrsbereiche deshalb ausgespart. | |
| Dass die Länder einen jeweils unterschiedlichen Anteil an der | |
| internationalen Schifffahrt und entsprechend an deren Klimaeffekt haben, | |
| ist eindeutig: Rund ein Drittel der weltweiten Schiffsbewegungen starten | |
| oder enden zum Beispiel in der Europäischen Union. | |
| 26 Oct 2020 | |
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| [1] /Erste-Klimaschutzregelung-auf-hoher-See/!5495825 | |
| [2] /Pariser-Abkommen-zum-Klimaschutz/!5351163 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Schwarz | |
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