| # taz.de -- Neuer Treibstoff für Schiffe: Pipi fürs Klima | |
| > Kann Ammoniak ein Treibstoff der Zukunft sein? In Norwegen wird jetzt das | |
| > erste ozeantaugliche Schiff auf Ammoniak umgerüstet. | |
| Bild: Viel Fracht – und hohe Emissionen | |
| Stockholm taz | „Wenn das klappt, könnten wir eine Schiffahrt ganz ohne | |
| Klimagasausstoß bekommen“, schwärmt Henriette Undrum, Leiterin der | |
| „Forschungsabteilung für zukünftige Wertschöpfungsketten“ beim staatlich… | |
| norwegischem Energiekonzern „Equinor“. | |
| Was da klappen soll, wird nun mit dem Umbau eines ersten Schiffs getestet. | |
| Die „Viking Explorer“ soll das erste ozeantaugliche Schiff werden, das – | |
| ohne ein Segelschiff zu sein – auch über weite Destinationen gänzlich | |
| „kohlenstofffrei“ das Meer befahren kann. Angetrieben mit „grünem“ | |
| Ammoniak. | |
| Die globale Schifffahrt gehört zu den größten Klimagasemittenten und ihre | |
| Klimabilanz droht relativ gesehen sogar zunehmend schlechter zu werden. | |
| Derzeit steht sie mit rund 850 Millionen Tonnen CO2 jährlich für etwa 2,5 | |
| Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. | |
| Zwar blieb die internationale Schifffahrt ebenso wie der Luftverkehr im | |
| Pariser Klimaabkommen unberücksichtigt. Aber IMO, die maritime Organisation | |
| der Vereinten Nationen, hat die Zielmarke gesetzt, den Klimagasausstoß der | |
| Schifffahrt bis 2050 im Vergleich zu 2008 immerhin zu halbieren. Bis 2070 | |
| will man einen Nullausstoß erreicht haben. | |
| ## Kein Ersatz für fossile Treibstoffe | |
| Das geht zu langsam und dauert zu lange, meinen viele | |
| Klimaschutzorganisationen und fordern die „Null“ schon für 2050. Es gibt | |
| aber auch pessimistische Szenarien, die für die Schifffahrt einen Anteil | |
| von 17 Prozent am globalen CO2-Ausstoß bis 2050 vorhersagen. Der Grund: Im | |
| Gegensatz zu anderen Transportsektoren gibt es auf den Ozeanen bislang | |
| keinen wirklichen Ersatz für fossile Treibstoffe. Die haben nämlich eine | |
| hohe Energiedichte und auch für große Reichweiten bedarf es an Bord nicht | |
| viel Platz, der ja auf Kosten der Ladekapzität der Schiffe gehen würde. | |
| Eine Alternative, die elektrische Antriebstechnik mit Batterien ist nur für | |
| kürzere Strecken geeignet. Was Flüssiggas (LNG) angeht, das seit einigen | |
| Jahren zumindest als mögliche Brückentechnologie galt und das | |
| Kreuzfahrtreedereien mittlerweile gern als „grün“ vermarkten, so wird | |
| dieses [1][in aktuellen Studien wegen seiner Methangasemissionen sogar als | |
| wesentlich klimaschädlicher als Marinediesel bewertet]. Wasserstoff gilt | |
| als zukunftsträchtig, erfordert aber aufwändige Drucktanks sowohl an Bord | |
| der Schiffe wie an Land bei Lagerung und Transport. | |
| Weil es eine höhere Energiedichte als Wasserstoff hat und noch dazu | |
| leichter zu handhaben ist, wurde in letzter Zeit ein anderes Gas zunehmend | |
| interessant: Ammoniak. Eine chemische Verbindung aus Stickstoff und | |
| Wasserstoff, die im industriellen Maßstab vorwiegend durch Synthese im | |
| „Haber-Bosch-Verfahren“ und vor allem zur Herstellung von Düngemitteln | |
| produziert wird. Ammoniak wird unter minus 33 Grad Celsius flüssig, bei | |
| einem Druck von 10 bar schon bei Normaltemperaturen. Es ist ein Gas, das | |
| stark stechend riecht, ätzend und giftig ist. | |
| ## Besser fürs Klima | |
| Klingt nicht gerade nach einem geeignetem Treibstoff, aber in den USA | |
| wurden Strassenbahnen schon in den 1870er Jahren mit Ammoniak angetrieben | |
| und im 2. Weltkrieg in Belgien Busse. Auf dem marinen Sektor haben | |
| jahrzehntelange Erfahrungen, zu denen auch regelmässige Ammoniaktransporte | |
| mit weltweit über 150 Schiffen und die Verwendung als Kühlmittel gehören, | |
| zu erprobten Sicherheitsprozeduren geführt. | |
| Und Ammoniak gefällt dem Klima: Bei der Verbrennung entstehen Stickstoff | |
| und Wasser und auch bei möglichen Leckagen kommt es zu keinem | |
| Klimagasausstoss oder negativer Einwirkung auf die Ozonschicht. Weltweit | |
| größter Ammoniakproduzent ist die norwegische „Yara“. Die will ab Ende 20… | |
| über den Einsatz erneuerbarer Energie statt des bisherigen Erdgases und den | |
| Einstieg in die CO2-Lagertechnik CCS ihre Produktion nach und nach ganz auf | |
| „grünes“ Ammoniak umstellen. | |
| Solches Ammoniak gilt mehreren Studien zufolge als die gegenwärtig | |
| aussichtsreichste kohlenstofffreie Treibstoffalternative für die | |
| Schifffahrt. So auch nach einer [2][Analyse], die vom „University Maritime | |
| Advisory Services (UMAS)“ im Januar beim Weltwirtschaftsforum in Davos | |
| präsentiert wurde. „Grünes“ Ammoniak für seine Brennstoffzellen soll ab | |
| 2024 auch die „Viking Explorer“ antreiben. Bislang fährt sie mit LNG. | |
| Das wird auch nach dem Umbau möglich sein – die Ammoniakversorgung ist noch | |
| lückenhaft. Schiffsmotoren, die sowohl mit LNG wie Ammoniak betrieben | |
| werden können, entwickelt derzeit auch die deutsche „MAN Energy Solutions“. | |
| Die Kosten für den Umbau der „Viking Explorer“ werden auf umgerechnet etwa | |
| 23 Millionen Euro geschätzt: Die EU steuert über ihr [3][„Horizon | |
| 2020“-Programm] 10 Millionen für dieses Pilotprojekt bei. | |
| Und entsprechende Katalysatoren sollen dafür sorgen, dass das Schiff nicht | |
| nur das Klima nicht schädigt, sondern auch keine Stinkefahne hinter sich | |
| herzieht. | |
| 7 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://theicct.org/publications/climate-impacts-LNG-marine-fuel-2020 | |
| [2] https://u-mas.co.uk/Latest/Post/419/New-study-by-UMAS-shows-that-decarbonis… | |
| [3] https://ec.europa.eu/programmes/horizon2020/en | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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