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# taz.de -- EU-Meeresverantwoertlicher Nemitz: "Mehr sichere und saubere Schiff…
> Paul Nemitz, EU-Generaldirektor für Maritime Angelegenheiten, im
> taz-Interview über Umweltschutz für Nord- und Ostsee. Trotz
> Industrialisierung, Überfischung und Todeszonen auf dem Grund sollen
> beide Meere im Jahr 2020 in gutem Zustand sein.
Bild: Die Gefahren für Nord- und Ostsee lauern auch an Land: Schadstoffe aus d…
taz: Herr Nemitz, wie will die Europäische Kommission Nord- und Ostsee
retten?
Paul Nemitz: Im Juni dieses Jahres ist die Europäische Richtlinie zum
Schutz der Meeresumwelt in Kraft getreten. Sie verpflichtet die
Mitgliedstaaten verbindlich, Aktionspläne zu erarbeiten, mit denen bis zum
Jahre 2020 der gute Zustand der Meere hergestellt wird.
Scheitert das denn nicht an Nutzungskonflikten zwischen den
Anrainerstaaten?
Mit der zunehmenden Nutzung des Meeres nimmt das Interesse an Kooperation
über die Grenzen hinweg zu. Nutzungskonflikte zum Beispiel zwischen
Windparks, Schifffahrt, Fischerei und Küstentourismus können am besten
gemeinsam gelöst werden. Wichtig ist eine vorausschauende Flächenplanung
auf See, die mit den Nachbarn abgestimmt wird. Wenn es Konflikte gibt,
müssen sie vor Ort gelöst werden. Zur Flächenplanung auf See, die in
Deutschland ja schon auf dem Wege ist, werden wir nächste Woche ein
Grundsatzpapier vorlegen.
Die Ostsee ist seit der EU-Erweiterung zum Binnensee in der Europäischen
Union geworden - mit rasant wachsendem Schiffsverkehr, mehr Lärm und mehr
Schmutz. Wie ist diese Entwicklung aufzuhalten?
Wir haben in Europa erreicht, dass die Ostsee international als ein
besonderes Schutzgebiet anerkannt ist. Deshalb gelten hier besonders
strenge Regeln für die Qualität des Treibstoffes der Schiffe. Das reduziert
die Verschmutzung. Wir wollen mehr Güter auf dem Schiff und weniger auf der
Straße befördern, da die Schifffahrt am umweltfreundlichsten transportiert.
Mehr sichere und saubere Schifffahrt ist deshalb für die Zukunft gewollt.
Eine schwedische Studie hat jetzt ergeben, dass ein Fünftel des
Ostseebodens bereits biologisch tot ist, ein weiteres Drittel gefährdet.
Der Hauptgrund ist aber nicht die Schifffahrt, sondern die Landwirtschaft
mit ihrem Dünger.
Das Problem der Überdüngung müssen wir in den Griff bekommen. Alle
Mitgliedstaaten müssen die Europäische Phosphatrichtlinie, die strengen
Umweltregeln für die Landwirtschaft sowie die Wasserrechtsrahmenrichtlinie
voll umsetzen.
Wäre eine deutlich verstärkte Förderung des Ökolandbaus eine Lösung?
Die Landwirtschaft muss hier sicher ihren Beitrag leisten. Aber auch die
anderen Wirtschaftssektoren sind gefragt, die Verschmutzung und damit den
Eintrag von Schadstoffen vom Land in das Meer zu reduzieren. Sowohl der
Eintrag durch das Wasser auch durch die Luft muss geringer werden.
Mit den Todeszonen im Meer verschwindet die Nahrungsgrundlage vieler
Fische, zudem stirbt mehr Laich an Sauerstoffmangel. Wann ist die Fischerei
in der Ostsee definitiv am Ende?
Das steht nicht auf der Tagesordnung, wenn die Mitgliedstaaten es endlich
schaffen, den Bestand nachhaltig zu bewirtschaften. Die Empfehlungen der
Wissenschaft sind klar, die Mitgliedstaaten müssen sie nur befolgen, so wie
es die EU-Kommission regelmäßig vorschlägt. Und sie müssen die einmal
getroffenen Regeln konsequenter umsetzen.
Die Fangquoten, auch wenn sie für das Jahr 2009 bei Hering und Kabeljau
leicht gesenkt wurden, sind aber nichtsdestotrotz weiterhin
unverantwortlich hoch.
Die Verantwortung für die Fangquoten tragen die Mitgliedstaaten, die
darüber im Rat entscheiden. Die Kommission schlägt regelmäßig geringere
Fanquoten vor, so, wie von der Wissenschaft empfohlen. Die Mitgliedstaaten
entscheiden sich regelmäßig für höhere Quoten. Das muss aufhören, weil es
den Fischbestand gefährdet und damit langfristig den Fischern die
wirtschaftliche Grundlage entzieht. Es gibt allerdings nicht nur schlechte
Nachrichten: Für Teile des Kabeljaubestandes in der Ostsee hatte sogar die
Wissenschaft eine Erhöhung vorgeschlagen, hinter der Kommission und Rat
aber zurückgeblieben sind.
Der Nordsee geht es etwas besser als der Ostsee, aber noch lange nicht gut.
Gibt es in der EU-Kommission Szenarien, wann die Schmerzgrenze für die
Nordsee erreicht ist?
Das Problem für die Umwelt ist derzeit eher, dass zu wenig in erneuerbare
Energie aus dem Meer investiert wird. Wir haben gerade vorige Woche eine
Strategie zur Entwicklung der Offshore-Energieproduktion vorgelegt. Es
besteht die Sorge, dass wegen Finanzkrise und gesunkener Energiepreise
wichtige Offshore-Projekte verschoben werden. Die Europäische Kommission
berichtet im Übrigen regelmäßig über die Biodiversität der Nordsee. Die
EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Aktionspläne zu erarbeiten, um den
Zustand der Nordsee zu verbessern.
Wie sehen Nord- und Ostsee in zehn Jahren aus?
Dann werden wir in Europa mehr erneuerbare Energie auf dem Meer
produzieren, wir werden mit der Schifffahrt mehr Güter auf sicherere und
sauberere Weise transportieren als heute. Wir werden mehr in den
Küstenschutz investieren und Europa auch anderweitig dem Klimawandel
anpassen. Im Jahr 2018 müsste aber auch deutlich absehbar sein, dass der
gute Zustand der Meere im Jahr 2020 erreicht werden wird. Dann haben beide
Meere eine in jedem Sinne nachhaltige Zukunft.
INTERVIEW: SVEN MICHAEL VEIT
"Umweltschutzaspekte der europäischen Meerespolitik": Podiumsdiskussion mit
Paul Nemitz, Hans-Heinrich Nöll, Verband deutscher Reeder, und Manuel
Sarrazin, grüner Bundestagsabgeordneter: heute, 19 Uhr, Handelskammer
Hamburg, Adolphsplatz 1
23 Nov 2008
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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