| # taz.de -- Insa-Meinungsforscher und die AfD: Der Zahlenmacher | |
| > Die AfD schneidet in den Umfragen von Insa besonders gut ab. Hat der Chef | |
| > des Instituts zu viel Nähe zu der Partei, die er berät? | |
| Bild: „Ich bin doch kein Politiker“, sagt Insa-Chef Hermann Binkert von sich | |
| Erfurt taz | Hermann Binkert ist so einer, der seine Assistentin darum | |
| bittet, den Kaffee in den „schönen roten Tassen“ zu bringen. Er ist so | |
| einer, der sich zu markigen Sätzen hinreißen lässt, so wie dem, dass Rot | |
| seine Liebe zur Ehrlichkeit in der Marktforschung symbolisiere. | |
| Ehrlichkeit. Ausgerechnet. | |
| Binkert ist Leiter eines Marktforschungsinstitutes, Insa. Verglichen mit | |
| den großen Traditionshäusern Allensbach, Forsa oder der Forschungsgruppe | |
| Wahlen, ein Neuling in der Branche. Der größte Teil seiner Arbeit besteht | |
| darin, Konsumenten nach ihrem Kaufverhalten zu fragen, Eltern nach der | |
| Zufriedenheit mit Schulen. Weil Binkert aber auch Wähler befragt, für | |
| welche Partei sie stimmen würden, sorgt er für Aufregung. | |
| So wie damals, im November, nach den Anschlägen in Paris, als die AfD in | |
| seiner Sonntagsfrage über zehn Prozent kletterte – früher als bei allen | |
| anderen Umfrageinstituten. Oder diese Woche: Laut Insa liegt die AfD bei | |
| 12,5 Prozent, während sie in anderen Erhebungen auf höchstens elf Prozent | |
| kommt. Die Ergebnisse veröffentlicht Insa in der Bild-Zeitung. | |
| Kann das sein, die AfD über zwölf Prozent? Warum messen andere Institute | |
| eine geringere Zustimmung? Liegt der vermeintliche Erfolg bei Insa-Umfragen | |
| an demjenigen, der sie durchführen lässt? | |
| ## Farbige Akzente | |
| An einem Tag im Dezember sitzt ein Mann mit Käppi hinter dem Empfangstresen | |
| von Insa, im ehemaligen Brauhaus in Erfurt, er verleiht dem Unternehmen ein | |
| alternatives Gesicht. Es ist eine der vielen studentischen Aushilfen, die | |
| für Insa Telefonumfragen machen. Binkert selbst könnte eher Typ Grüner, | |
| einer aus dem Prenzlauer Berg sein: Glatze, Brille, knallblaue Socken zu | |
| weniger knallig blauen Wildlederschuhen – ein irritierender Kontrast zu | |
| Holzkreuz und heiliger Maria, die hinter seinem Schreibtisch hängen. | |
| Er sagt von sich selbst, er sei katholisch-konservativ. Deshalb passen die | |
| Socken besser als die Maria dazu, wie Binkert seine Sonntagsfragen | |
| präsentiert: modern und den anderen einen Schritt voraus. Binkert lässt | |
| online befragen, statt Menschen mühselig am Telefon oder im persönlichen | |
| Gespräch zur Teilnahme zu überreden. | |
| Dafür arbeitet Insa mit Yougov zusammen, einem britischen Unternehmen. Wer | |
| an Yougov-Umfragen teilnehmen will, registriert sich bei dem Portal und | |
| bekommt für jede Umfrage Punkte gutgeschrieben. Die kann er sich später in | |
| Form von Geld auszahlen lassen. Befragte klicken sich durch Listen mit | |
| Lieblingseissorten, geben an, welche Werbespots sie kennen – oder welcher | |
| „Star Wars“-Charakter zu Angela Merkel am ehesten passt. Rund 200.000 | |
| Menschen haben sich laut Yougov in Deutschland registriert. Einmal pro | |
| Woche stellt Yougov für Insa die Sonntagsfrage. Und das führt zu Problemen. | |
| Die Kritik fängt bei der Gesamtzahl der registrierten Personen an: Zieht | |
| man jene ab, die nicht wahlberechtigt sind oder aus anderen Gründen | |
| aussortiert werden müssen, bekommt rein rechnerisch jeder Angemeldete | |
| mindestens einmal im Jahr eine Sonntagsumfrage in sein E-Mail-Postfach | |
| gespült. Früher oder später werden also immer die gleichen befragt. | |
| Trotzdem, sagt Binkert, sehe er Vorteile: Merkmale, wie beispielsweise | |
| jemand bei der letzten Bundestagswahl gewählt hat, sind als Profil bei | |
| Yougov hinterlegt – Aussagen sind damit leichter überprüfbar und werden im | |
| Zweifel aussortiert. Befragte hätten mehr Zeit, sich ihre Antwort zu | |
| überlegen, weil sie auf keinen Interviewer reagieren müssen. Und per | |
| Online-Umfrage lassen sich in gleicher Zeit mehr Personen befragen, | |
| trotzdem kosten sie weniger. Binkert setzt auch auf eine persönliche | |
| Komponente: „Ich glaube, dass wir die Sache liebevoller machen.“ | |
| ## Handwerkliche Vorwürfe von der Konkurrenz | |
| Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen hält dagegen | |
| Onlinebefragungen bei der Sonntagsfrage „für unvertretbar“. Sie ließen | |
| keine tatsächlichen Zufallsstichproben zu, wie etwa Umfragen, für die | |
| Telefonnummern zufällig generiert werden. Ähnlich äußert sich Heinz Behme, | |
| Statistiker bei Allensbach: „Es handelt sich um einen massiv selektierten | |
| Querschnitt.“ Er geht nicht davon aus, dass die Auswahl, selbst mit einer | |
| ausgeklügelten Gewichtung von Alter, Herkunft oder Geschlecht, einen | |
| repräsentativen Querschnitt ergibt. Kurz gesagt: Die, die freiwillig Fragen | |
| über Merkels „Star Wars“-Pendant beantworten, spiegeln nicht unbedingt alle | |
| Bevölkerungsschichten der Gesellschaft wider. | |
| Aber: Auch andere Erhebungsmethoden haben ihren Nachteil. So erreichen | |
| Telefonumfragen jene nicht, die nur ein Handy besitzen. Bei allen | |
| Befragungen sind bestimmte Bevölkerungsgruppen unterrepräsentiert, | |
| beispielsweise besonders Wohlhabende oder besonders Arme. Deshalb erschöpft | |
| sich die Kritik an Insa und Hermann Binkert nicht darin, dass er | |
| Online-Umfragen nutzt. | |
| Gleich mehrere Gerichtsakten füllen die Frage, wie seriös Insa tatsächlich | |
| ist. Manfred Güllner, der Chef von Forsa, versucht das zu klären. Er macht | |
| handwerkliche Vorwürfe, wie etwa, dass die AfD in einem Fragebogen als | |
| einzige Partei mehrfach als Antwortmöglichkeit vorgegeben wurde. Oder eine | |
| andere Frage das Wort „Alternativ“ verwendete. Das sind für die | |
| Meinungsforschung nicht unerhebliche Schlampereien – weisen aber weder | |
| nach, dass Hermann Binkert seine Forschung nicht beherrscht, noch dass er | |
| seine Umfragen manipuliert. Und auch Forsa und andere Institute werden | |
| regelmäßig mit dem Vorwurf konfrontiert, ihre Daten so zu behandeln, dass | |
| ein bestimmtes Ergebnis erzielt wird. | |
| Die Fragebögen hat Binkert überarbeiten lassen. Mit dem Image geht das | |
| nicht so leicht. | |
| ## Politische Karriere in der CDU | |
| Hermann Binkert ist kein Unbekannter im politischen Betrieb. Er gehört zum | |
| konservativen Flügel der CDU und machte damit auf Landesebene Karriere. Bis | |
| 2009 war er Staatssekretär unter dem thüringischen Ministerpräsidenten | |
| Dieter Althaus und unter anderem für politische Grundsatzfragen zuständig. | |
| Dann trat Althaus zurück. Binkert gab seine politische Karriere auf und | |
| verließ sogar die Partei. War sie ihm zu liberal geworden? Binkert sagt, | |
| eine Parteimitgliedschaft sei mit seiner Aufgabe als neutraler Beobachter | |
| in der Meinungsforschung nicht mehr vereinbar gewesen. Er hatte ja noch | |
| viel vor, mit seiner neuen Karriere. | |
| Insa, und das ist Binkerts Ansage, heißt abgekürzt „Institut für neue | |
| soziale Antworten“. Und die will er geben, manchmal auch ungefragt. So wie | |
| beim Schriftverkehr mit Bernd Lucke damals, vor der letzten Bundestagswahl, | |
| eine dieser Sachen, auf die sich Kritiker bis heute stürzen. „Das würde ich | |
| nicht so gerne noch einmal lesen“, sagt Binkert und erzählt dann doch, wie | |
| es wirklich gewesen sein soll. | |
| Binkert hatte dem damaligen Chef der neu gegründeten AfD eine E-Mail | |
| geschrieben, ungefragt. Binkert sagt, er habe Lucke Vorschläge machen | |
| wollen, wie er mehr Parteimitglieder werben könne. Inzwischen pflegt | |
| Binkert eine Geschäftsbeziehung mit der AfD: Er erstellt Umfragen, welche | |
| Slogans am besten bei Wählern ankommen, betreibt Wahlkreisforschung. Oder, | |
| das fand Spiegel Online jüngst heraus, ließ ein Tochterunternehmen von Insa | |
| das Fraktionsbüro der thüringischen AfD im Landtag organisieren. | |
| ## Redenschreiber der AfD? | |
| „Organisieren?“, fragt Oskar Helmerich, Abgeordneter im thüringischen | |
| Landtag, der früher der AfD-Fraktion angehörte. Für die Einrichtung des | |
| Büros seien andere zuständig gewesen. In seiner Wahrnehmung war Binkert als | |
| Berater und Redenschreiber tätig, mehrere strategische Treffen mit der | |
| Partei fanden in seinen Büroräumen statt. Binkert war auf wichtigen | |
| Parteitagungen anwesend. Als Meinungsforscher und Berater, nicht als | |
| Mitglied. Er hat in der Entstehung der Partei ein gutes Geschäft gesehen. | |
| Geht das zu weit für einen Meinungsforscher? | |
| Binkert versucht es mit Offenheit. „Was soll das meinen Kunden bringen, | |
| wenn ich die Daten beschönige?“ Nun ja, könnte man antworten – recht viel. | |
| Denn sein Kunde ist nicht nur die AfD, die sich vor falschen Erwartungen | |
| hüten sollte, sondern die Bild-Zeitung. Und der sind unvorhersehbare | |
| Ausschläge mehr als recht. Binkert ist nicht der Wissenschaft verpflichtet, | |
| sondern dem Geschäft. So wie seine Mitbewerber auch. Nichtkommerzielle | |
| Institute beteiligen sich nicht an den Sonntagsfragen. | |
| Gleich mehrere Stunden hatte Binkert sich Zeit genommen, um sich zu | |
| erklären. Er geht in die Offensive, bestätigt viel, rechtfertigt alles. Die | |
| Mails, die Rechnungen von der AfD, der Kontakt, alles nur fürs Geschäft. | |
| Wie gern er auch mal für jene arbeiten würde, die ihn heute kritisieren, | |
| sagt er mehrfach. Und dass er das Gerede über seine Arbeit für die AfD | |
| unfair finde: „Das ist eine absolute Diskrepanz, zwischen dem, was | |
| gearbeitet, und dem, was nach außen getragen wird.“ Er hält das für | |
| geschäftsschädigend. | |
| Hermann Binkert ist so einer, der nicht versteht, was auf einmal alle von | |
| ihm wollen. „Ich bin doch kein Politiker“, sagt er. Dann muss er gehen. Die | |
| Politiker warten auf ihn. | |
| 21 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Christina Schmidt | |
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