# taz.de -- Einfluss von Umfragen auf Wahl: Von Prognosen beschallt | |
> Der CDU-Wahlsieg in Sachsen-Anhalt hat überrascht, weil Umfragen einen | |
> knapperen Ausgang vorhergesehen hatten. Haben sie die Wahl beeinflusst? | |
Bild: Reiner Haseloff und seine Ehefrau Gabriele auf der CDU-Wahlparty | |
Es war das „Desaster der Demoskopen“. So schrieb jedenfalls Jürgen Kaube, | |
einer der vier FAZ-Herausgeber, nach der Sachsen-Anhalt-Wahl. Da hatten | |
sich alle Medien wohlig im möglich erscheinenden Durchmarsch der AfD | |
gesuhlt. | |
Doch dann zieht die CDU unter Führung ihres als führungsschwach geltenden | |
Ministerpräsidenten [1][Reiner Haseloff mit mehr als 16 Prozentpunkten | |
Abstand an der AfD vorbei]. Die Rechtsaußen-Partei büßt mit ihrem | |
Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt, Oliver Kirchner, im Vergleich zum | |
Rekordergebnis von vor fünf Jahren sogar knapp 3,5 Prozentpunkte ein und | |
wird damit wieder Zweite, diesmal aber mit nur noch 20,8 Prozent der | |
Stimmen. Und niemand hatte das vorhergesagt. | |
Kurz vor dem Wahltag [2][sahen alle Demoskopen die CDU noch unter der | |
magischen 30-Prozent-Marke]. Das Institut Insa, das gerne für die | |
Bild-Zeitung tätig ist, bot mit 27 Prozent am wenigsten. Infratest-Dimap | |
(ARD) kam immerhin auf 28 Prozent und die Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) | |
prognostizierte 30 Prozent. Für die AfD lautete das Tableau entsprechend 26 | |
(Insa), 24 (Infratest-Dimap) und 23 (Forschungsgruppe Wahlen) Prozent. Auch | |
bei der SPD und den Grünen lagen die Meinungsforscher*innen ordentlich | |
daneben. | |
Am jüngsten Kind der Demoskopie-Familie, dem erst 2009 gegründeten Institut | |
Insa, entzündet sich jetzt eine Debatte. Am 26. Mai, zwei Wochen vor der | |
Wahl, hatte das in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt beheimatete Institut | |
die AfD nämlich sogar mit einem Prozentpunkt Vorsprung vor der CDU gesehen. | |
Plötzlich stand es 26:25 für die AfD. Die Bild titelte von der | |
„Schock-Umfrage: AfD überholt CDU in Sachsen-Anhalt“ (26. Mai), fragte | |
„Wird die AfD am Sonntag stärkste Kraft?“ (3. Juni) und posaunte online | |
noch am Nachmittag des Wahltags (6. Juni) „Im Osten droht ein Wahl-Beben … | |
das ganz Deutschland erschüttern kann“. Ehrlicherweise zeigten die im | |
Artikel abgebildeten Grafiken der Insa-Ergebnisse die CDU aber schon knapp | |
vorn und lagen damit richtig. | |
## Demoskopie ist nicht neutral | |
Doch dieses Aufplustern ist längst nicht nur in der Boulevardpresse | |
passiert. Außerdem hat die AfD immer wieder gezeigt, zu welchen taktischen | |
Spielchen sie fähig ist. Anfang letzten Jahres führte sie in Thüringen bei | |
der Wahl eines FDP-Mannes zum kurzlebigen Ministerpräsidenten alle anderen | |
Parteien vor. Im Herbst 2020 sorgte sie direkt in Sachsen-Anhalt für eine | |
massive Regierungskrise, weil sie weite Teile der CDU [3][zur Blockade der | |
Rundfunkbeitragserhöhung] eingemeinden konnte. Reiner Haseloff rettete sich | |
als Ministerpräsident, indem er die entsprechende Abstimmung einfach | |
ausfallen ließ. | |
Aber hat die „Schock-Umfrage“ nun Wahlkampfhilfe für Haseloff und die CDU | |
geleistet? Wurde das Wahlergebnis am Ende unzulässig beeinflusst? So wird | |
jetzt in diversen [4][Medien diskutiert]. | |
Da ist etwas dran. Dass Wahlumfragen vor allem Einfluss auf das taktische | |
Wahlverhalten der Menschen haben, ist wissenschaftlich belegt. Unklar | |
bleibt, wie groß dieser Einfluss werden kann. Die von ständigen Prognosen | |
beschallten Wahlbürger*innen lassen derlei Umfragen nicht kalt. Und | |
allen Menschen war im Vorfeld dieser letzten Wahl am Sonntag klar: In | |
Sachsen-Anhalt geht es um die Wurst. Dazu brauchte es keine | |
Meinungsforschungsinstitute. Und jetzt findet der regelmäßig nach solchen | |
Wahlen folgende Sturm im Medien-Wasserglas statt. | |
In einem Punkt ist Debatte aber trotzdem sinnvoll: Dass Demoskopie eben | |
nicht politisch neutral ist, muss in den Fokus und in das Bewusstsein | |
rücken. Die meisten Institute haben selbst eine eingebaute politische | |
Unwucht. Allensbach gilt im Zweifel als Unions-nah, Forsa ist dafür meist | |
die SPD sympathischer. | |
Und Insa? Hier wird es spannend. Denn Insa-Gründer Hermann Binkert war vor | |
seiner Karriere als Demoskop selbst lange auf der konservativen Seite der | |
CDU unterwegs. Er [5][war Mitglied der Werteunion], die für die CDU | |
mittlerweile so belastend ist wie der „Flügel“ für die AfD. Mit der AfD | |
stand Binkert in der Vergangenheit auch [6][in geschäftlicher Beziehung]. | |
8 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /CDU-gewinnt-die-Wahl-in-Sachsen-Anhalt/!5776033 | |
[2] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/sachsen-anhalt.htm | |
[3] /Streit-um-Rundfunkgebuehren/!5730999 | |
[4] https://www.derwesten.de/politik/sachsen-anhalt-insa-umfrage-landtagswahl-a… | |
[5] https://uebermedien.de/60696/wahlumfragen-beeinflussen-wahlen-der-insa-chef… | |
[6] /Insa-Meinungsforscher-und-die-AfD/!5266342 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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