# taz.de -- Infektionsschutzgesetz im Bundestag: Gerichtsfeste Coronamaßnahmen | |
> Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident wollen das | |
> Infektionsschutzgesetz verändern. Eingriffe in die Grundrechte sollen | |
> abgesichert werden. | |
Bild: Auf wackligen Beinen: Die Maskenpflicht soll vom Infektionsschutzgesetz b… | |
KARLSRUHE taz | Am Mittwoch soll das Infektionsschutzgesetz rechtsstaatlich | |
nachgebessert werden. Mittags will der Bundestag das Gesetz beschließen, am | |
Nachmittag soll der Bundesrat zustimmen und anschließend der | |
Bundespräsident das Gesetz unterzeichnen. Derartige Speed-Gesetzgebung gab | |
es zuletzt im März dieses Jahres, am Anfang der Pandemie. | |
Das Gesetz, das offiziell Drittes Bevölkerungsschutzgesetz genannt wird, | |
enthält viele Detailregelungen, etwa auch zur Krankenhausfinanzierung. Im | |
Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen aber die neuen Regeln für | |
Grundrechtseingriffe bei der Coronabekämpfung. Hiergegen wollen am Mittwoch | |
auch verschiedenste Gruppen von CoronaskeptikerInnen in Berlin | |
demonstrieren. | |
Bisher beruhen die Coronaverordnungen der Länder meist auf einer | |
Generalklausel des Infektionsschutzgesetzes, die die Anordnung der | |
„notwendigen Schutzmaßnahmen“ erlaubt. Zuletzt äußerten jedoch immer mehr | |
Gerichte Zweifel, ob diese vage Klausel genügt. Darauf will nun der | |
Bundestag reagieren, indem er 17 typische Maßnahmen aufzählt, die die | |
Länder anordnen können: von der Maskenpflicht bis zur Schließung von | |
Restaurants. Die Liste in diesem neuen Paragrafen 28a ist aber nicht | |
abschließend. | |
Gegenüber dem ersten Entwurf, [1][der vor zehn Tagen im Bundestag | |
debattiert wurde], gibt es einige Neuheiten, zum Beispiel eine Garantie, | |
dass Gästelisten von Restaurants nur für die Seuchenbekämpfung benutzt | |
werden dürfen und für die Polizei tabu sind. Die Veränderungen haben | |
Koalitionsexperten am Wochenende ausgehandelt. Sie reagieren damit auf die | |
Kritik von Sachverständigen bei einer Anhörung am vorigen Donnerstag. | |
## Atemberaubende Eile | |
So gelten für Einschränkungen von Demonstrationen und Gottesdiensten nun | |
besonders strenge Hürden. Sie sind nur zulässig, wenn die Eindämmung der | |
Covid-19-Pandemie sonst „erheblich gefährdet“ wäre. Das vom Hamburger OB | |
Peter Tschentscher (SPD) geforderte Verbot von Großdemos während der | |
Coronazeit dürfte damit sogar erschwert sein. | |
Die gleichen hohen Hürden sollen für Ausgangsbeschränkungen sowie für | |
[2][Besuche in Pflegeheimen] und Krankenhäusern gelten. Die SPD wollte auch | |
die Schließung von Schulen und Kitas als letzte Möglichkeit kennzeichnen, | |
das machte aber die Union nicht mit. | |
Die Länder werden im Infektionsschutzgesetz nun verpflichtet, „umfassende | |
Schutzmaßnahmen“ zu ergreifen, sobald der Inzidenzwert (Neuinfektionen pro | |
100.000 Einwohnern in sieben Tagen) den Wert 50 überschreitet. Bei einem | |
bundesweiten Inzidenzwert über 50 sollen „bundesweit abgestimmte“ Maßnahm… | |
„angestrebt“ werden. Der Inzidenzwert ist damit erstmals gesetzlich | |
verankert. Die Länder entscheiden aber nach wie vor in eigener | |
Verantwortung, welche Beschränkungen sie anordnen. Die Koordination mit den | |
anderen MinisterpräsidentInnen und der Kanzlerin bleibt unverbindlich. | |
Neu sind auch formale Anforderungen an die Corona-Rechtsverordnungen der | |
Landesregierungen. Diese sind zum einen künftig zu begründen (was bisher | |
wegen der Eilbedürftigkeit unüblich war) und zu befristen. Ihre | |
Geltungsdauer soll auf vier Wochen beschränkt sein, wobei Verlängerungen | |
möglich sind. Die SPD wollte die Landesregierungen auch verpflichten, die | |
Landesparlamente einzubeziehen. Doch eine Pflicht zur Zustimmung der | |
Landtage, sofort oder im Nachhinein, war mit der Union, die sich um die | |
Handlungsfähigkeit der Landesregierungen sorgte, nicht zu machen. | |
Die atemberaubende Eile ist beim Dritten Bevölkerungsschutzgesetz nötig, um | |
schnell Corona-Impfzentren einzurichten. Diese sollen schon Mitte Dezember | |
arbeitsfähig sein – in der Hoffnung, dass bis dahin der Impfstoff zur | |
Verfügung steht. | |
16 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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