| # taz.de -- Impfungen für Geflüchtete und Obdachlose: Das war's schon wieder | |
| > Berlin stellt die Impfkampagne in Wohnheimen und Unterkünften für | |
| > Geflüchtete und Obdachlose wieder ein. Ein Problem ist auch die große | |
| > Impfskepsis. | |
| Bild: Ein wohnungsloser Mann wird gegen Corona geimpft. Hier ein Foto aus Hanno… | |
| Berlin taz | Gerade erst begonnen, hat Berlin die [1][Impfkampagne in | |
| Wohnheimen für Flüchtlinge] und Obdachlose auch schon wieder eingestellt. | |
| Das bestätigte Stefan Strauß, Sprecher von Sozialsenatorin Elke Breitenbach | |
| (Linke), der taz. In den Heimen für Geflüchtete sowie in Unterkünften für | |
| Obdachlose sollte der Impfstoff von Johnson & Johnson verimpft werden, den | |
| die ständige Impfkommission seit Montag wegen Fällen von | |
| Gehirnvenentrombosen nur noch für Menschen ab 60 Jahren empfiehlt. Wer | |
| jünger ist und sich damit impfen lassen will, kann das nach ärztlicher | |
| Beratung auf eigene Verantwortung tun. | |
| Ein großer Teil der Menschen in den Flüchtlingsheimen sind allerdings | |
| jünger als 60 Jahre. Und die ausführliche Aufklärung durch einen Arzt ist | |
| nicht immer einfach, weil dazu Sprachmittler mit medizinischem Fachwissen | |
| nötig wären. | |
| Laut der Hilfsorganisation „Berlin hilft“ wird diese Woche in einigen | |
| Heimen mit dem Impfstoff von Biontec weitergeimpft. Der stehe allerdings | |
| nur BewohnerInnen zur Verfügung, nicht den ebenfalls priorisierten | |
| Beschäftigten. Nach Behördenangaben waren bisher lediglich in drei von 80 | |
| Flüchtlingsheimen sowie in den wenigen der gut 100 bezirklichen | |
| Obdachlosen- und Flüchtlingsheime mobile Impfteams im Einsatz, in denen | |
| schwerpunktmäßig Pflegefälle wohnen. | |
| Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften sowie die dortigen MitarbeiterInnen | |
| gehören aber laut Bundesgesundheitsministerium zur Priorisierungsgruppe 2. | |
| Sie hätten geimpft werden müssen, bevor die Impfstoffe [2][letzte Woche für | |
| die Priorisierungsgruppe 3 freigegeben] wurden. Die besondere Gefährdung | |
| liegt auf der Hand, wohnen doch die Betroffenen auf lediglich sechs | |
| Quadratmetern in Mehrbettzimmern. Sie teilen sich in der Regel auch | |
| Sanitärräume mit vielen weiteren Menschen. | |
| Unter Geflüchteten gebe es nicht selten eine ausgeprägte Impfskepsis, wie | |
| auch Sozialsenatorin Breitenbach letzte Woche im Abgeordnetenhaus sagte: | |
| „Wir haben diese ganzen Fakenews in den sozialen Medien in den | |
| unterschiedlichsten Sprachen.“ Beispielsweise kursiere die Behauptung, der | |
| [3][Impfstoff von Johnson & Johnson] würde speziell für Geflüchtete | |
| eingesetzt, um sie unfruchtbar zu machen. | |
| ## Vorbehaltete unter Geflüchteten | |
| Mehrere Mitarbeiterinnen von Flüchtlingsunterkünften, mit denen die taz | |
| sprach, bestätigen solche Vorbehalte unter Geflüchteten. „Dazu trägt auch | |
| bei, dass nur die Bewohner damit geimpft werden und wir MitarbeiterInnen | |
| nicht“, sagt eine Frau der taz, die ihren Namen nicht nennen will. | |
| Aufgeheizt ist die Stimmung hingegen unter den MitarbeiterInnen von | |
| Flüchtlingsheimen. „Bis vergangenen Montag wurde uns versprochen, dass wir | |
| Impfcodes zugeschickt bekommen, weil wir nicht zusammen mit den Bewohnern | |
| geimpft werden sollen“, sagt eine Sozialarbeiterin der taz. „Dann hat | |
| Berlin die Impfungen für die Priorisierungsgruppe 3 freigegeben und es gibt | |
| keine Impfcodes mehr.“ Sie hätte sich noch am selben Tag um einen Termin in | |
| einem Impfzentrum bemüht. „Aber ich habe erst einen für Ende August | |
| bekommen, deutlich später als viele Menschen der Priorisierungsgruppe 3.“ | |
| Die Stimmung entlädt sich auf der Facebookseite des Landesamts für | |
| Flüchtlingsangelegenheiten. Dort schreibt eine Frau: Hätte man ihnen schon | |
| im März „mitgeteilt, dass der Senat sich um den Impfschutz der | |
| Mitarbeitenden nicht kümmert, wären vermutlich einige von uns bereits | |
| geimpft.“ Die Behörden würden von ihrem Team erwarten, dass es positiv auf | |
| die Impfbereitschaft unter Flüchtlingen einwirkt, schreibt die Frau weiter. | |
| „Aber auf die Frage, seid ihr auch schon geimpft, kann ich keine Antwort | |
| geben.“ | |
| Viele MitarbeiterInnen seien auch dafür zuständig, positiv getestete | |
| Flüchtlinge, die in ihren Zimmern isoliert sind, zu versorgen, hat eine | |
| andere Frau geschrieben. Man bringe diesen Menschen Essen, wasche ihre | |
| Wäsche und entsorge ihren Müll, sei aber selber ungeschützt. | |
| Einige Betreiber würden von den Mitarbeitern auch verlangen, zweimal pro | |
| Woche alle BewohnerInnen auf Corona zu testen, sagt eine Heimleiterin der | |
| taz am Telefon. „Wir organisieren uns gerade trägerübergreifend, denn wir | |
| akzeptieren nicht, dass der Senat unsere Arbeit so wenig wertschätzt und | |
| lieber mit Hochdruck Menschen impft, die weniger hoch priorisiert sind als | |
| wir.“ Die Vorbildwirkung der MitarbeiterInnen beim Impfen könne die | |
| Impfbereitschaft der Flüchtlinge ganz wesentlich erhöhen, sagt sie. Denn | |
| bei Impfungen gegen Masern kenne sie keine Impfskepsis bei Flüchtlingen. | |
| Eine Frau, die ebenfalls nicht namentlich genannt werden will, weist auf | |
| einen weiteren Aspekt hin: Sie arbeitet in einem Heim, in dem vorwiegend | |
| schwangere Frauen und Mütter mit Babys wohnen. Für die seien noch keine | |
| Impfstoffe zugelassen. „Eine rasche Impfung von uns MitarbeiterInnen würde | |
| darum nicht nur uns selbst, sondern auch die schwangeren Frauen und Babys | |
| schützen.“ | |
| Manfred Nowak von der AWO Mitte, die als Träger sechs | |
| Geflüchtetenunterkünfte betreibt, nennt es einen „Skandal“, dass die | |
| Mitarbeiter dieser Einrichtungen keine Impfdosen erhalten, während | |
| Beschäftigte in den Landesbetrieben bevorzugt würden. | |
| ## Impfen auf eigene Kosten | |
| Unter den AWO-Beschäftigten in Flüchtlingsunterkünften seien bereits knapp | |
| elf Prozent mit Covid-19 infiziert gewesen, mehr als der Durchschnitt der | |
| Bevölkerung, so Nowak. „Darunter waren bei uns mehrere schwere | |
| Krankheitsverläufe. Die KollegInnen, die hoch engagiert in unseren | |
| Geflüchteteneinrichtungen tätig sind, sind enttäuscht und empört, dass sie | |
| sich trotz des hohen Ansteckungsrisikos bei der Impfung hinten anstellen | |
| sollen.“ Die AWO würde nun versuchen, Impfstoffe zu besorgen, um ihre | |
| Beschäftigten auf eigene Kosten durch die Betriebsärztin zu impfen. | |
| Kritik am Senat kommt von den Grünen „Das Problem ist eindeutig von der | |
| Senatsverwaltung für Gesundheit verursacht“, sagt deren Abgeordnete Susanna | |
| Kahlefeld. „Wir können die MitarbeiterInnen und BewohnerInnen dieser Heime | |
| nicht im Regen stehen lassen. Sie müssen sofort geimpft werden.“ Christian | |
| Lüder von dem Netzwerk „Berlin hilft“ fordert vom Land Berlin, sofort eine | |
| eigene Impfstraße für diese Leute aufzubauen, wie das jetzt in einem | |
| Pilotprojekt für einige größere Betriebe starten soll. | |
| Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten zeigt in einem Rundschreiben | |
| an die Heime, das der taz vorliegt, Verständnis für den Unmut der | |
| Mitarbeitenden – empfiehlt aber, Beschwerden an die zuständige | |
| Senatsverwaltung für Gesundheit zu richten. Die wiederum will sich auf | |
| Presseanfrage nicht zu dem Thema äußern und verweist auf die | |
| Senatsverwaltung für Soziales. Dort heißt es, man suche nach einer | |
| schnellen Alternative – gemeinsam mit der Gesundheitsverwaltung. | |
| 11 May 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Impfungen-in-Fluechtlingsheimen/!5765502 | |
| [2] /Mehr-Menschen-impfberechtigt-in-Berlin/!5765071 | |
| [3] /Impfstoff-von-Johnson--Johnson/!5770836 | |
| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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