# taz.de -- Hochrechnungen zur Bundestagswahl: SPD hauchdünn vor der Union | |
> Kein klarer Sieger: Olaf Scholz und Armin Laschet erheben beide Anspruch | |
> aufs Kanzleramt. Die Grünen sind abgeschlagen. Die Linke muss zittern. | |
Bild: Hätte lange niemand für möglich gehalten: Die SPD hat mit Olaf Scholz … | |
BERLIN taz | Vorhang zu und alle Fragen offen: Nach den ersten | |
Hochrechnungen hat [1][die Bundestagswahl] nur einen relativen und keinen | |
eindeutigen Sieger. In einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommt die SPD bei der | |
Forschungsgruppe Wahlen auf 26 Prozent, die Union aus CDU und CSU auf 24,5 | |
Prozent. [2][Die Grünen landen bei etwa knapp 14 Prozent], die FDP bei 11,7 | |
und die AfD bei 10,6 Prozent. Die Linkspartei könnte ganz, ganz knapp den | |
Sprung über die 5-Prozent-Hürde geschafft haben, muss jedoch zittern. Auf | |
die sonstigen Parteien entfielen mehr als 8 Prozent. | |
Ob der kommende Kanzler Olaf Scholz oder Armin Laschet heißt, ist noch | |
nicht entschieden. Beide sehen für sich einen Regierungsauftrag. Das | |
Wahlergebnis lässt sowohl eine Ampel- als auch eine Jamaika-Koalition | |
möglich erscheinen. Rechnerisch wäre auch eine Fortsetzung der Großen | |
Koalition denkbar. | |
Die Wiederauferstehung der SPD ist das erstaunlichste Phänomen dieser Wahl. | |
Bereits im August 2020 hatte die Parteispitze um Saskia Esken und Norbert | |
Walter-Borjans Bundesfinanzminister Scholz als Kanzlerkandidaten nominiert. | |
Doch das erschien nicht wenigen nur wie ein Ritual aus längst verblichenen | |
Zeiten. Denn bis in diesen Sommer hinein galten die | |
Sozialdemokrat:innen als völlig chancenlos. Ende Juli rangierte die | |
SPD in den Umfragen noch bei 15 Prozent. | |
Während der CDU-Mann Armin Laschet und die Grüne Annalena Baerbock sich | |
jedoch in Tölpeleien verhedderten, robbte sich Scholz langsam, aber stetig | |
nach vorne. Anfang August übernahm er die Führung in den Umfragen. Nun | |
schneidet die SPD auch an der Urne deutlich besser ab als 2017, als sie auf | |
20,5 Prozent kam. Ein sichtlich zufriedener Scholz sprach am Wahlabend von | |
einem „großen Erfolg“. Viele hätten ihr Kreuz bei der SPD gemacht, „weil | |
sie wollen, dass der nächste Kanzler Olaf Scholz heißt“. | |
## Schwerer Schlag für CDU und CSU | |
Ein Fiasko ist die Wahl für die Union und ihren Kanzlerkandidaten Armin | |
Laschet. Deutlich unter 30 Prozent – seit der Gründung der Bundesrepublik | |
schnitten CDU und CSU noch nie so schlecht ab. Selbst die | |
Last-Minute-Wahlkampfunterstützung der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel | |
am Samstag in Laschets Heimatstadt Aachen hat daran nichts mehr ändern | |
können. | |
Für den 60-Jährigen, der durch eine ganze Reihe unvorteilhafter Auftritte | |
im Wahlkampf für Negativschlagzeilen sorgte, dürfte es eine schmerzhafte | |
Erkenntnis sein, dass es nicht ausreicht, innerparteiliche Machtkämpfe zu | |
gewinnen, um bei den Wähler:innen zu punkten. Auch eine verzweifelt | |
wirkende Anti-Rot-Rot-Grün-Kampagne hat nur noch begrenzte Wirkung | |
entfaltet. „Dieser Wahlabend ist eine Ausnahmesituation“, sagte Laschet am | |
Wahlabend. Trotz des schlechten Abschneidens will Laschet Kanzler werden: | |
„Wir werden alles daran setzen, eine Bundesregierung unter der Führung der | |
Union zu bilden.“ | |
Beflügelt von der Klimadebatte sah es lange so aus, als könnten die Grünen | |
mit der Union um den Spitzenplatz konkurrieren. Noch Anfang Mai rangierte | |
die Partei in den Umfragen bei bis zu 28 Prozent. Da hatte bereits der | |
Bundesvorstand Annalena Baerbock als erste grüne Kanzlerkandidatin | |
vorgeschlagen, Mitte Juni wurde die 40-jährige Bundestagsabgeordnete | |
offiziell auf einem Parteitag nominiert. Von da an ging es bergab. Ein | |
aufgehübschter Lebenslauf, zu spät gemeldete Nebeneinkünfte und diverse | |
Plagiate in einem hektisch zusammengeschusterten Buch untergruben Baerbocks | |
Integrität. | |
Gemessen an ihren hohen Erwartungen zu Beginn des Wahlkampfs ist das | |
Ergebnis für die Grünen eine herbe Enttäuschung. Im Vergleich zu den 8,9 | |
Prozent von vor vier Jahren ist es allerdings ein enormer Erfolg. Noch nie | |
in ihrer Geschichte schnitten die Grünen bei einer Bundestagswahl besser | |
ab. Doch das dürfte sie nur wenig trösten. „Wir haben einen klaren | |
Wählerauftrag, für Erneuerung in diesem Land zu sorgen“, sagte Baerbock | |
gleichwohl unverdrossen. Mit diesem Auftrag gingen ihr Co-Vorsitzender | |
Robert Habeck und sie nun in die Sondierungsgespräche. | |
## Die Linke säuft ab | |
Bei der Linkspartei, die mit Janine Wissler und Dietmar Bartsch als | |
Spitzenkandidat:innen angetreten sind, gab es ein solches Auf und Ab | |
nicht. Wie eingemauert bewegte sie sich seit dem Frühjahr in den Umfragen | |
zwischen 6 und 7 Prozent – und damit stets gefährlich nah an der | |
5-Prozent-Hürde. Die wenig konstruktiv geführte Grundsatzdiskussion der | |
vergangenen Jahre um Sahra Wagenknecht, was für ein Linkssein die Partei | |
verkörpern will, hat ihr viele Sympathien gekostet. „Für uns ist es kein | |
schöner Abend“, sagte Wisslers Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow. | |
Für die FDP sah es zu Beginn des Jahres auch noch so aus, als könnte es für | |
sie knapp werden. Mitte Januar stand sie noch bei 5 Prozent. Doch je | |
stärker die Union schwächelte, desto mehr erholten sich die Liberalen. | |
Dabei profitierte FDP-Chef Christian Lindner von dem Buhlen sowohl Laschets | |
als auch von Scholz um seine Gunst. Jetzt scheint die FDP sogar gegenüber | |
2017 hinzugewonnen zu haben, wo sie bei 10,7 Prozent landete. Damit könnte | |
Lindner tatsächlich in die Rolle des Königsmachers schlüpfen. „Das | |
Wahlergebnis ist nicht ganz einfach zu lesen“, sagte Lindner in der | |
„Berliner Runde“. Er schlug vor, dass nun die Grünen und seine Partei | |
„zuerst miteinander reden“. | |
Die AfD bleibt leider keine bloße Übergangserscheinung im Bundestag. Die | |
Rechtsaußenpartei, die mit 12,6 Prozent 2017 erstmalig in den Reichstag | |
einzog, kommt wohl erneut auf ein zweistelliges Ergebnis – trotz aller | |
rechtsextremer Ausfälle und Spendenskandale. Ausgezahlt haben dürfte sich | |
für sie, dass ihre Spitzenkandidat:innen Alice Weidel und Timo | |
Chrupalla mit großer Energie sowohl die Corona- als auch die | |
Klimaleugner:innenszene umworben haben. | |
Teuer werden könnte der Wahltag für den Freien Wähler-Chef Hubert Aiwanger. | |
Vor Schließung der Wahllokale veröffentlichte der stellvertretende | |
bayerische Ministerpräsident am Sonntagnachmittag via Twitter eine erste | |
Wahlprognose der Forschungsgruppe Wahlen, verbunden mit dem Aufruf: „Die | |
letzten Stimmen bitte jetzt noch an uns #FREIEWÄHLER!“ Das ist jedoch | |
dummerweise verboten und könnte ihn ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro | |
Strafe kosten. Genützt hat es Aiwangers Partei nicht: Sie ist trotzdem an | |
der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Dafür zieht der Südschleswigsche | |
Wählerverband (SSW) mit einem Direktmandat in den Bundestag ein. | |
Aktualisiert am 26.09.2021 um 19:56 Uhr. | |
26 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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