# taz.de -- Hochgeschwindigkeitszüge in den USA: High-Speed-Trains fahren lang… | |
> In den USA sollen schnelle Züge Flüge und Autos ersetzen. Zielgruppe der | |
> Bahnen: junge Leute. Doch die Projekte stocken, die Kosten explodieren. | |
Bild: Brightline West will Los Angeles und Las Vegas mit einer Bahnstrecke verb… | |
WASHINGTON taz | Es war einst die transkontinentale Eisenbahn, die aus den | |
USA ein vereintes Land machte und deren Aufstieg zur Weltmacht | |
beschleunigte. Heutzutage sind Zugreisen in den Vereinigten Staaten jedoch | |
mehr Strapaze als wirkliche Alternative zu Auto und Flugzeug. Die einzige | |
Ausnahme bildet der Nordosten des Landes, doch auch hier gibt es großen | |
Nachholbedarf. Eine Lösung, die vor allem in Zeiten des Klimawandels immer | |
mehr Befürworter findet, heißt Hochgeschwindigkeitszüge. | |
Es gibt mehrere Pläne, die aus den USA wieder ein Land der Bahnfahrer | |
machen sollen. Doch lediglich ein Projekt befindet sich tatsächlich im Bau. | |
Ein weiteres steht kurz vor dem Spatenstich und knapp ein halbes Dutzend | |
andere befinden sich noch in der Planungsphase. Trotzdem glauben Experten, | |
dass nach mehreren verpassten Chancen genau jetzt der richtige Zeitpunkt | |
sei, groß in die Technologie zu investieren. | |
„Mehr und mehr Menschen haben verstanden, dass Autos und Flugzeuge dem | |
Planeten schaden. Die Menschen suchen daher nach Alternativen, die weniger | |
umweltschädlich sind. Viele jüngere Menschen haben eine andere Beziehung | |
zum Auto und besitzen erst gar kein Privatfahrzeug. Es ist vor allem das | |
veränderte Bewusstsein dieser jüngeren Generation, die High-Speed Rail in | |
den USA zur Realität werden lässt“, sagte der Präsident der US High Speed | |
Rail Association, Andy Kunz, im Gespräch mit der taz. | |
Schaut man sich die aktuelle Bahnsituation im Land an, dann gibt es nur | |
wenig Positives zu berichten. Das Staatsunternehmen Amtrak betreibt nahezu | |
alle Fernverkehrszüge in den USA. Doch das Streckennetz ist zu dünn und die | |
Preise sind zu hoch. Wer mit dem Zug von New York nach Los Angeles reisen | |
will, der braucht vor allem gutes Sitzfleisch. Die schnellste Verbindung | |
wird mit 68 Stunden veranschlagt, und das nur, wenn es zu keiner Verspätung | |
kommt. Für einen Sitzplatz in der 2. Klasse werden hierbei mindestens 320 | |
US-Dollar fällig. Wer ein Schlafabteil will, für den sind es sogar mehr als | |
1.500 US-Dollar. | |
## Flüge sind oft viel billiger | |
Im Gegensatz dazu kostet das [1][günstigste One-Way-Flugticket] zwischen | |
den beiden Küstenmetropolen weniger als 200 US-Dollar und die Flugzeit | |
beträgt weniger als 6 Stunden. Nur im dicht besiedelten Nordosten der USA | |
ist der Zug konkurrenzfähig. Doch auch hier bevorzugen noch immer viele | |
Menschen den Flieger. Zwischen Washington, New York und Boston betreibt der | |
Staatskonzern Amtrak aktuell auch den einzigen Zug im Land, der den Namen | |
High-Speed Rail zumindest im Ansatz verdient hätte. | |
Der „Acela“ genannte Schnellzug erreicht auf kurzen Streckenabschnitten | |
eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 240 Stundenkilometern. Da dies nur in | |
wenigen Streckenteilen möglich ist, verkürzt sich die Reisezeit zwischen | |
Washington und New York nur um eine halbe Stunde auf knapp unter 3 Stunden. | |
Wie eine Analyse der US-Eisenbahnaufsichtsbehörde bereits im Jahr 2009 | |
verdeutlichte, eignen sich Streckenlängen von 100 bis 600 Meilen, welche | |
zwei große Metropolregionen verbinden, am besten für | |
Hochgeschwindigkeitsstrecken. | |
Die einzige im Bau befindliche Hochgeschwindigkeitstrasse entsteht aktuell | |
in Kalifornien. Dort sollen die Großstädte San Francisco und Los Angeles | |
miteinander verbunden werden. Die Vision verspricht eine Fahrtzeit von 2 | |
Stunden und 40 Minuten. Doch ausufernde Kosten haben zu massiven | |
Verzögerungen geführt. Nur 119 der insgesamt 500 Meilen befinden sich | |
aktuell im Bau. | |
„Wir haben in diesem Land bislang etwa 9 Milliarden Dollar in High-Speed | |
Rail investiert. Im Vergleich dazu hat China 1,2 Billionen in den Ausbau | |
des Hochgeschwindigkeitsnetzes gesteckt. Wir haben in den vergangenen 70 | |
Jahren alle unsere Gelder in den Straßenausbau und Flugverkehr investiert | |
und die Eisenbahn links liegen gelassen“, bemängelte Kunz. | |
## Als „Zug nach nirgendwo“ belächelt | |
Aufgrund der fehlenden Gelder wird derzeit nur der Streckenabschnitt | |
zwischen Merced und Bakersfield in Zentralkalifornien fertiggestellt. | |
Dieses Teilstück wird in den US-Medien oft hämisch als „Zug nach nirgendwo�… | |
tituliert. Dieser erste Streckenabschnitt soll bis spätestens 2033 | |
betriebsbereit sein. Die gesamte Strecke zwischen San Francisco und Los | |
Angeles soll knapp 128 Milliarden Dollar kosten und damit fast 100 | |
Milliarden mehr als die ursprünglich veranschlagten 33 Milliarden. | |
„Mit jedem weiteren Tag steigen auch die Kosten. Gleichzeitig werden der | |
Klimawandel und die Verkehrssituation immer schlimmer. Auch deshalb treiben | |
wir das Projekt voran, um Hochgeschwindigkeitszüge in den USA zu | |
etablieren“, sagte Kyle Simerly von der California High-Speed Rail | |
Authority. | |
Noch in diesem Jahr soll der Startschuss für ein zweites groß angelegtes | |
Hochgeschwindigkeitsprojekt in Kalifornien fallen. Das Unternehmen | |
Brightline West soll die Städte Las Vegas und Los Angeles miteinander | |
verbinden. Auch bei diesem überwiegend aus privaten Geldern finanzierten | |
Projekt sind die Kosten bereits deutlich gestiegen. Brightline ist dabei | |
aktuell das einzige private Bahnunternehmen in den USA, welches | |
Intercity-Passagier-Züge betreibt. | |
Seit 2018 pendeln die gelben Brightline-Züge zwischen Miami und West Palm | |
Beach im Süden Floridas hin und her. Seit vergangenem Monat (22. September | |
war die Eröffnung) können Kunden auch bis nach Orlando weiterreisen. Auf | |
der neugebauten Strecken zwischen West Palm Beach und dem Flughafen von | |
Orlando erreichen die von Siemens gebauten Brightline-Züge eine | |
[2][Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h] und befinden sich damit an der | |
Schwelle zu High-Speed-Rail. | |
## Biden unterstützt die Eisenbahn | |
Ähnliche Konzepte gibt es auch in Texas, dem pazifischen Nordwesten oder | |
dem Südosten der USA. US-Präsident Joe Biden, der während seiner Zeit im | |
US-Senat als „Amtrak-Joe“ bekannt war, ist seit Jahren ein großer | |
Unterstützer der Eisenbahn. Ein [3][im November 2021 verabschiedetes | |
Infrastrukturgesetz] enthält 66 Milliarden Dollar für Bahnprojekte. Geld | |
speziell für den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsstrecken gibt es allerdings | |
nicht. | |
„Wir müssen den Ball einfach ins Rollen bringen. Sobald Amerikaner sehen, | |
wie schnell, bequem und sicher Hochgeschwindigkeitszüge sind, werden sie | |
solche Verbindungen im ganzen Land verlangen“, sagte Kunz. | |
Politisch stemmen sich vor allem Republikaner gegen die Förderung der | |
Technologie durch Steuergelder. Doch im Hinblick auf das veränderte | |
Klimabewusstsein im Land und die zunehmende Überlastung des Straßen- und | |
Flugverkehrs könnte High-Speed Rail endlich seinen Platz in den USA finden. | |
Vielleicht kann sich noch dieses Jahr diesbezüglich etwas tun. | |
26 Oct 2023 | |
## LINKS | |
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[3] /Bidens-Infrastrukturpaket-verabschiedet/!5813345 | |
## AUTOREN | |
Hansjürgen Mai | |
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