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# taz.de -- Hitzewelle in Italien: Wie bei Corona
> In Deutschland redet man über die Feinheiten von Luft- und
> Bodentemperatur. In Italien indes verbarrikadieren sich die Menschen in
> den Wohnungen.
Bild: Zwei, die noch raus müssen
Rom taz | Manchmal gibt es ja auch gute Nachrichten. Bis Mitte Juli wurde
Italien weder von größeren Waldbränden heimgesucht noch auch von einer
Dürre geplagt, [1][wie sie im letzten Jahr vor allem den Norden des Landes
traf.] Dazu noch hat sich der Sommer im Juni recht moderat angelassen, mit
Tageshöchsttemperaturen um die 30 Grad, wie man sie seit je südlich des
Brenner erwartet.
Doch seit zehn Tagen ist Schluss mit lustig. Zunächst schneite „Cerbero“
herein, die erste große Hitzewelle, benannt nach dem mehrköpfigen
Höllenhund Zerberus. Das heißt: Kein Tag verging mehr in Rom, ohne dass
nicht mindestens 35 Grad erreicht wurden. Jetzt hat Zerberus sich getrollt,
doch umgehend fand er würdigen Ersatz.
Jetzt nämlich ist die Heißfront „Caronte“ unterwegs. Der Name passt: Char…
rudert in der griechischen Mythologie die Toten Richtung Hades. Heitere
Aussichten hält die Wettervorhersage in der Tat bereit. Am Montag wurden in
Rom 38 Grad gemessen, für Dienstag sind 42 Grad versprochen, und
[2][ü][3][berhaupt soll an keinem einzigen Tag bis Ende Juli der
Tageshöchstwert unter 35 Grad sinken, sollen durchgehend auch „tropische
Nächte“ drohen, in denen die Temperatur nie unter 20 Grad fällt.]
Seither präsentieren sich die Wohnviertel Roms, als sei gerade wieder
Covid-Lockdown. Vor die Tür gehen die Leute nur noch, um notwendige Dinge
zu verrichten, um einzukaufen, den Hund Gassi zu führen oder ihre
Arbeitsstätte aufzusuchen. Ansonsten verbarrikadieren sich die
Römer*innen zu Hause, gerne hinter heruntergelassenen Rollläden und
gerne natürlich auch bei eingeschalteter Klimaanlage – rund die Hälfte der
italienischen Haushalte ist damit ausgerüstet.
## Die Mitternachtskühle der 80er
Reichlich gute Tipps gibt es derweil in den Medien, wie man der
Megadauerhitze trotzt, vom Ratschlag, sich in den Mittagsstunden lieber
nicht in der Sonne aufzuhalten, bis hin zur Anregung, sich doch lieber
luftig anzuziehen, viel Wasser zu trinken, einen Bogen um fettes Essen und
Alkohol zu machen. Die leergefegten Straßen in den Wohnvierteln, die Shorts
der Männer und Minikleidchen der Frauen, die sich noch vor die Tür trauen,
zeugen davon, dass die meisten sich brav an den Regelkanon halten.
Beratungsresistent zeigt sich jedoch eine auch jetzt noch nach
Zehntausenden zählende Gruppe: die der Tourist*innen. Stundenlang schwitzen
sie, der herunterbrennenden Sonne ausgesetzt und bestenfalls durch
Schirmchen geschützt, in der Schlange vor den Vatikanischen Museen oder dem
Kolosseum.
Einwenden ließe sich nun, dass es sommers in Italien doch immer schon heiß
war. Doch wer in den achtziger Jahren dort unterwegs war, der mag sich auch
daran erinnern, dass in den Abendstunden viele Menschen mit einem leichten
Baumwollpulli über den Schultern ausgingen, weil es Richtung Mitternacht
oft frisch wurde, und der erinnert sich auch daran, dass Temperaturen
deutlich über 30 Grad eine rare Ausnahme waren.
Der Klimaforscher Luca Mercalli erklärt den Unterschied zwischen der
heutigen und der früheren Hitze kurz und bündig. Früher redeten die
Wettervorhersagen im Juli und August immer vom Azorenhoch, doch das ist
mittlerweile ausgestorben. Schon seit diversen Jahren dominiert das
„afrikanische Hochdruckgebiet“ die Sommerszene; es schaufelt direkt aus der
Sahara die Wüstenheißluft Richtung Italien, Richtung Europa. Und es ist
Klimakrise zum Anfassen. Noch heißt es in den Nachrichten, die
Höchsttemperaturen lägen „5 bis 10 Grad über dem langjährigen Mittel“, …
mit den Jahr für Jahr gebrochenen Hitzerekorden zeichnet sich ab, wo das
neue Mittel liegt.
## Rechtsregierung mit Verbrenner-Wissing
Von links bis rechts leugnet denn auch so gut wie niemand in der
italienischen Politik den Klimawandel. Das hindert jedoch die italienische
Rechtsregierung nicht daran, an der Seite des deutschen Verkehrsministers
Volker Wissing das Aus für den Verbrennermotor zu bekämpfen und gegen die
EU-Normen zur Energieeffizienz von Gebäuden zu Felde zu ziehen.
Und auch weiter unten findet jenseits des wohlfeilen Tipps, reichlich
Wasser zu trinken, kaum eine Debatte statt, was etwa zu tun wäre, [4][um
die Städte hitzeresistenter zu machen], zum Beispiel mit Projekten der
Stadtbegrünung. Mehr als der Ratschlag an alte Leute, sie sollten doch ihre
Tage in vollklimatisierten Einkaufszentren verbringen, ist gegenwärtig
nicht geboten.
17 Jul 2023
## LINKS
[1] /Trockenheit-in-Suedeuropa/!5859386
[2] https://www.t-online.de/nachrichten/klima-und-umwelt/id_100208188/italien-h…
[3] https://www.t-online.de/nachrichten/klima-und-umwelt/id_100208188/italien-h…
[4] /Studie-zu-Gefahr-durch-Hitze/!5946057
## AUTOREN
Michael Braun
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