# taz.de -- Hintergrund Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Das Massaker von Busurun… | |
> Das ostkongolesische Dorf Busurungi wurde in der Nacht vom 9. zum 10. Mai | |
> 2009 dem Erdboden gleichgemacht, zahlreiche Menschen starben. Was geschah | |
> genau? | |
Bild: FDLR-Unterleutnant Nkindi erzählt vom Angriff auf das Dorf Busurungi. | |
KAMPALA taz | Das Massaker von Busurungi nimmt im | |
[1][Kriegsverbrecherprozess] gegen die beiden Führer der ruandischen Miliz | |
FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), Präsident Ignace | |
Murwanashyaka und sein Vize Straton Musoni, vor dem Oberlandesgericht | |
Stuttgart eine zentrale Stellung ein. Nicht nur, weil beim Angriff der FDLR | |
auf das ostkongolesische Dschungeldorf rund 1.500 Häuser in Flammen | |
aufgingen und 94 Menschen brutal ermordet wurden; sondern auch, weil die | |
Befehle für dieses Attentat direkt aus dem FDLR-Militärhauptquartier zu | |
stammen schienen - und wahrscheinlich, so die Indizien, sogar von FDLR-Chef | |
Murwanashyaka in Deutschland selbst. | |
Im Verfahren gegen die beiden mutmaßlichen Kriegsverbrecher ist es also | |
entscheidend, diese Befehlskette konkret nachzuverfolgen, um deren | |
Kommandoverantwortlichkeit für die Taten ihrer Miliz in Kongos Dschungel | |
nachzuweisen. | |
Busurungi ist eine langgezogene Siedlung zwischen vier bewaldeten Hügeln, | |
tief im FDLR-Territorium in Nord-Kivu. Eine schmale matschige Straße, von | |
der Kleinstadt Hombo im Süden aus kommend, führt am Hügel Moka vorbei und | |
kreuzt sich in Busurungi mit einer anderen Straße, die am Hügel Kimomo | |
vorbei weiter in den Shario-Wald hineinführt. Dort waren im Jahr 2009 | |
FDLR-Kommandeure mit ihren Angehörigen stationiert. Diese FDLR-Stellungen | |
in Shario wurden im April und eine weitere am 2. Mai 2009 in Gatete von | |
Soldaten der kongolesischen Armee FARDC angegriffen, die in Busurungi | |
stationiert waren. Viele FDLR-Angehörige und Zivilisten sollen dabei | |
getötet worden sein. | |
Der FDLR-Angriff auf Busurungi in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2009 | |
gilt als Racheaktion der ruandischen Miliz für den Angriff der | |
kongolesischen Armee. Denn in Busurungi hatten sich die FARDC-Soldaten in | |
den Häusern der Dorfbewohner verschanzt, auch in der Grundschule, die auf | |
einem Hügel oberhalb der Siedlung liegt. Satellitenaufnahmen vor und nach | |
dem Angriff lassen erkennen: Dort, wo einst Umrisse von Hütten zu erkennen | |
waren, befand sich nach dem 10. Mai 2009 verbrannte Erde. | |
Der Angriff auf Busurungi gilt in der jüngsten Geschichte der FDLR als | |
besonders brutal - aber auch als hervorragend militärisch koordiniert und | |
geplant. Aufgrund von Aussagen beteiligter FDLR-Soldaten, die mittlerweile | |
die Miliz verlassen haben und in Ruanda mit der taz sprachen, ist es | |
möglich, den Ablauf des Angriffs zu rekonstruieren. | |
## Die Kämpfer kamen in der Nacht | |
Den Befehl, Busurungi anzugreifen, gab der Militärkommandant der FDLR, | |
General Sylvestre, Mudacumura am 3. Mai an den Kommandeur der nicht weit | |
von Busurungi entfernt stationierten Reserve-Brigade, Oberst Lucien | |
Nzabamwita alias André Kalume, weiter. Am 4. Mai schickte Kommandeur Kalume | |
vier seiner höchsten Offiziere los, um das Gebiet rund um Busurungi | |
auszuspionieren. Jeder sollte je einen der vier Hügel observieren. | |
Die Kämpfer schlichen sich zwei Nächte lang durch das Gebüsch, in der | |
Dämmerung trauten sie sich nahe an die Häuser heran. Sie sahen den | |
FARDC-Kommandeur mit seinem Leibwächter in einer der Hütten ein und | |
ausgehen. Sie zählten die Waffen, merkten sich die Verteidigungspositionen. | |
Sie erstatteten gegen Mittag des 7. Mai gegenüber Kommandeur Kalume | |
Bericht. | |
Am 8. Mai bestellte Oberst Kalume seine Bataillonskommandeure zur | |
Einsatzbesprechung ein. Sie trafen sich in Misima, einem Ort zwischen | |
Busurungi und dem Shario-Wald. Kalume erstattete General Mudacumura | |
Bericht. Am 9. Mai schickte Mudacumura vier Textnachrichten nach Mannheim, | |
an FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka, der in der FDLR-Hierarchie sein | |
Vorgesetzter und Oberkommandierender der FDLR-Streitkräfte ist. Um kurz | |
nach 16 Uhr antwortete Murwanashyaka - so zeigen es die Loglisten der | |
Telefone, die der UNO vorliegen. | |
Zu diesem Zeitpunkt gaben die Kommandeure bereits Instruktionen an ihre | |
Kämpfer weiter. Rund 400 Kämpfer hockten in Butchanga, nicht weit von | |
Busurungi, im Dschungel zusammen, um den Angriff zu besprechen. Auch eine | |
Einheit aus rund 80 Mann der Militärpolizei wurde hinzugezogen, die | |
Mudacumura direkt untersteht: Der Militärchef wollte offenbar sicher gehen, | |
dass nichts schief geht. | |
Kalume ernannte bei dieser Einsatzbesprechung Oberstleutnant Wellars | |
Nsengiyumva, aka Sirius, zum Einsatzleiter. Er erteilte einem Kämpfer den | |
Auftrag, eine Einheit aus 24 Mann zusammen zu stellen. Der Einsatzbefehl | |
lautete: "Erschießt alle, brennt Busurungi nieder!". Dieser Befehl | |
verfolgte drei Ziele, so der Unterleutnant: "Erstens, damit die Bevölkerung | |
fliehen muss. Zweitens, damit die Soldaten sich nicht mehr verstecken | |
können. Drittens, die Bevölkerung gegen die Armee aufzuhetzen, damit sie | |
diese nicht mehr unterstützen." | |
## Zwanzig Minuten Feuergefecht | |
Rund 80 Männer wurden als "Widerstandskämpfer" formiert - paramilitärische | |
FDLR-Angehörige ohne Militärtraining. Die meisten von ihnen hatten bei der | |
FARDC-Attacke auf die Zivilisten im Shario-Wald Ángehörige verloren. | |
Hauptmann Barozi wurde das Kommando zugeteilt, er händigte ihnen Macheten | |
aus. | |
Am Nachmittag des 9. Mai 2009 um kurz nach 16 Uhr, nachdem Murwanashyaka | |
aus Mannheim die SMS aus dem Dschungel beantwortet hatte, marschierten die | |
FDLR-Kämpfer los. Der Plan: Alle vier Hügel gleichzeitig erobern, um die | |
über 400 FARDC-Soldaten aus dem Hinterhalt zu bezwingen - auch den Hügel | |
Moka, wo sich das FARDC-Hauptquartier mit zahlreichen | |
Verteidigungsstellungen befand. Sie trafen nach mehreren Stunden Fußmarsch | |
in der Nacht ein. Nachts um zwei Uhr schlugen sie koordiniert los. Sie | |
stießen auf Gegenwehr. Nach knapp 20 Minuten Feuergefecht, so erinnert sich | |
ein Kämpfer, zogen sie sich mit ihren Opfern zurück. Im Dschungel warteten | |
sie bis der Morgen graute. | |
Um 5.30 Uhr am 10. Mai 2009 stürmten sie in der Morgendämmerung erneut los. | |
"Die Soldaten leisteten nur wenige Minuten Widerstand, dann flohen sie aus | |
den Häusern, rannten ins Tal", sagt ein Kämpfer. Seine Einheit stürmte die | |
Hütten und überrante den ganzen Ort. In den von den FARDC-Soldaten | |
verlassenen Hütten fanden sie Maschinengewehre und Munition, die sie | |
mitnahmen. Mit einer Fackel zündeten sie Strohdächer der Hütten an. | |
Busurungi brannte lichterloh. Die mit Macheten bewaffneten | |
"Widerstandskämpfer" töteten jeden, dem nicht rechtzeitig die Flucht | |
gelang. Operationsleiter Sirius stand in der Mitte der Siedlung, bestätigt | |
ein Kämpfer. | |
Es ging alles ganz schnell. Um 6 Uhr gab Sirius den Befehl zum Rückzug. Um | |
9 Uhr trafen sie sich alle wieder in Butshanga zur Lagebesprechung. Danach | |
funkte Sirius seinen Bericht an Brigadechef Kalume funkte, der dieser per | |
Satellitentelefon an Militärchef Mudacumura weitergab. Mudacumura sendete | |
am nächsten Tag eine SMS an Murwanashyaka in Deutschland. | |
1 Mar 2012 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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