| # taz.de -- 74. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Töten war OK, sagt die Vert… | |
| > Die mutmaßlich zivilen Opfer der FDLR im Kongo waren keine Zivilisten. | |
| > Daher war es kein Kriegsverbrechen, sie umzubringen, sagen die Anwälte. | |
| Bild: Auch der Junge links ist legitimes Kriegsziel, weil er den Soldaten hilft… | |
| STUTTGART taz | Die Rechtsanwälte der beiden wegen Kriegsverbrechen ihrer | |
| Miliz im Kongo angeklagten Führer der ruandischen Hutu-Miliz FDLR | |
| (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), Ignace Murwanashyaka und | |
| Straton Musoni, haben in einem neuen Beweisantrag eine neue | |
| Verteidigungslinie ins Verfahren eingebracht - pünktlich zum ersten | |
| Jahrestag des Beginns der Hauptverhandlung am 4. Mai 2011. | |
| Die neue Linie: Die mutmaßlichen zivilen Opfer der FDLR, von denen in der | |
| Anklageschrift die Rede ist, waren juristisch gesehen keine Zivilisten - | |
| und somit wird die Anklage gegenstandslos. Die getöteten Personen trugen | |
| Waffen und nahmen Spähaufgaben sowie Transport- und Logistikaufgaben für | |
| Kongos Armee, Ruandas Armee und die kongolesische Tutsi-Rebellion CNDP im | |
| Kampf gegen die FDLR wahr, so der von Musonis Anwalt Bockemühl am | |
| Spätnachmittag des 2. Mai 2012 verlesen und von der gesamten Verteidigung | |
| mitgetragene Antrag. | |
| Es seien keine Zivilisten, sondern „Personen, die Hilfsdienste für die | |
| kongolesische Armee ausgeführt haben“.Die Anklageschrift wirft | |
| Murwanashyaka und Musoni vor, „es jeweils als militärische Befehlshaber | |
| unterlassen zu haben, ihre Untergebenen daran zu hindern, im Rahmen eines | |
| ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung | |
| jeweils tatmehrheitlich zueinander in zehn Einzelfällen insgesamt 214 | |
| Menschen zu töten“ sowie „im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen | |
| bewaffneten Konflikt jeweils tatmehrheitlich zueinander in zehn | |
| Einzelfällen insgesamt 214 nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende | |
| Personen zu töten“. Weitere seien unter anderem grausam behandelt oder | |
| vergewaltigt worden. | |
| ## "Waren keine Zivilpersonen" | |
| Die „angeblichen Zivilpersonen“, so Rechtsanwalt Bockemühl jetzt, „waren | |
| keine Zivilpersonen im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches und der Haager | |
| Landkriegsordnung“, denn „bei der Frage, ob es sich um Zivilisten handelt, | |
| ist darauf abzustellen, ob die zu schützende Person an Kampfhandlungen | |
| teilnimmt oder nicht“. Wesentlich sei nicht der „Status“ des Opfers, | |
| sondern seine „tatsächliche Rolle zum Zeitpunkt“. Völkerrechtlich seien | |
| Nichtangehörige des Militärs nicht automatisch Zivilisten. In den | |
| vorliegenden Fällen würden „sämtliche getöteten Zivilisten“ nicht unter… | |
| Schutz von Zivilisten fallen, so die Verteidigung weiter. | |
| Um dies zu beweisen, sollen sämtliche bereits vor dem Oberlandesgericht | |
| Stuttgart aufgetretenen ehemaligen FDLR-Kämpfer aus Ruanda neu geladen | |
| werden. Viele von diesen hatten in ihren Antworten zur Befragung über | |
| einzelne Angriffe der FDLR auf kongolesische Ortschaften ausgeschlossen, | |
| dass die FDLR Zivilisten angreift, aber auch klargemacht, Gewehre würden | |
| nicht zwischen Zivilisten und Nichtzivilisten unterscheiden. Zum Teil war | |
| die Darstellung auch so, dass jemand, der sich im Kampfgebiet befindet, | |
| kein Zivilist sei. Dies soll nun in erneuten Befragungen erneut | |
| hervorgehoben werden. | |
| ## FDLR beklagt den Verrat der Bevölkerung an ihnen | |
| Die FDLR hatte es zur fraglichen Zeit 2009 immer wieder beklagt, sie sei | |
| von der kongolesischen Zivilbevölkerung, mit der sie bis dahin gelebt | |
| hatte, „verraten“ worden. In einem am 30. April verlesenen Telefongespräch | |
| von Straton Musoni mit einem anderen Exilruander war in diesem Zusammenhang | |
| der Begriff „kongolesische Schweine-Hutu“ gefallen. | |
| Laut Anklage gab die FDLR-Führung im Jahr 2009 den Befehl an ihre Truppe, | |
| als Rache für kongolesische Armeeangriffe eine „humanitäre Katastrophe“ | |
| unter der kongolesischen Zivilbevölkerung anzurichten. Dies bestreitet die | |
| Verteidigung. | |
| ## "Humanitäre Katastrophe" | |
| Ein ebenfalls am 2. Mai im Gerichtssaal vorgespieltes und übersetztes | |
| Telefongespräch zwischen Murwanashyaka und Musoni vom 30. Juli 2009, also | |
| mitten in der fraglichen Zeit, nach mehreren Monaten schwerer Kämpfe | |
| zwischen FDLR und Kongos Armee, dürfte diesen Streit weiter nähren. | |
| Murwanashyaka berichtet Musoni darin von Versuchen über den italienischen | |
| Pater Matteo, Verhandlungen zwischen der FDLR und Kongos Regierung | |
| einzufädeln. | |
| „Er sagt, man sollte nicht über Entwaffnung oder eine andere Lösung | |
| sprechen, solange die FDLR sich noch im Krieg befindet“, gibt der | |
| FDLR-Präsident seinen letzten Kontakt zu dem katholischen Vermittler | |
| wieder. „Er sagt, dass wir immer weiter die humanitäre Frage in den | |
| Vordergrund stellen, damit auf jeden Fall die internationale Gemeinschaft | |
| sich um die Zivilisten kümmert... Auf jeden Fall, derjenige der diese | |
| humanitäre Katastrophe macht, wird sich am Ende dafür verantworten, weil | |
| wir gemacht haben, was wir machen müssen“. | |
| Was genau dieser letzte, etwas kryptische Satz bedeutet, bleibt offen, und | |
| hartnäckig versucht die Verteidigung auf Wunsch der Angeklagten, die | |
| Übersetzung durch den ruandischen Dolmetscher in allen Einzelheiten | |
| anuzweifeln. „Falls es eine humanitäre Katastrophe gibt“ sei korrekt, | |
| beharren die Anwälte. Der Dolmetscher verneint: Der Satz sei nicht im | |
| Konjunktiv gewesen. | |
| 4 May 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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