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# taz.de -- 79.-82. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Ich bin ein Draufgän…
> Wie FDLR-Vize Musoni aus Baden-Württembergs Justizministerium heraus
> seine Miliz anrief und es niemand merkte. Und wie ein FDLR-Kämpfer im
> Kongo ein Dorf voller Leichen fand.
Bild: Straton Musoni, hier im Stuttgarter Gerichtssaal, arbeitete bis 2008 uner…
STUTTGART taz | Straton Musoni, der vor dem Oberlandesgericht Stuttgart
angeklagte 1. Vizepräsident der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung
Ruandas), war von 2005 bis Juli 2008 als Computerexperte im
Justizministerium von Baden-Württemberg tätig - in Sicherheitschecks fiel
er erst auf, als die im Kongo kämpfende ruandische FDLR-Miliz Thema in
deutschen Medien wurde. Ein Jahr später, am 12. Juli 2009, brüstet er sich,
er habe mit seinem Diensttelefon sogar FDLR-Telefonate führen können.
„Ich bin ein richtiger Draufgänger“, sagt Musoni am 12. Juni 2009 im
Gespräch mit einem anderen Exilruander. Das abgehörte Telefonat wurde jetzt
im laufenden Prozess gegen Musoni und FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka
vor dem OLG Stuttgart am 13. Juni verlesen.
„Du weißt, es ist schwierig, Mobiltelefon zu benutzen“, erzählt Musoni
seinem Freund. „Dann habe ich gesagt: Wofür habe ich das Diensttelefon? Ich
habe damit zwei Stunden lang telefoniert... Ich habe über das teure
Satellitentelefon angerufen und als die Rechnungen kamen, standen darauf
800 Euro. Wie der Staat diese Rechnung bezahlt, weiß ich nicht. Wenn man
nach dem fragt, der übertrieben telefoniert, werde ich sagen: Verzeihen Sie
mir. Aber keiner hat mir was gesagt, bis ich dort wegging, und ich weiß,
dass sie das nicht erfahren werden, weil ich weiß, wie die Rechnungen
kamen: Die Telefonnummern standen nicht darauf. Du siehst, in einem
Ministerium kommt eine Rechnung von 2000 Euro und du alleine hast für 1000
Euro angerufen.“
„Aber beim nächsten Job solltest du nicht mehr damit spielen“, rät ihm se…
Freund. „Das war Selbstmord“, gibt Musoni zu. „Ja, das war Selbstmord“,
warnt der Freund. „Wenn deine Frau es erfährt und ihr euch trennt...“
## Kongolesen wollen nur Sex
Auch über die Kongolesen - die in diesem Gespräch altmodisch „Zairer“
genannt werden - wird in dem Gespräch gelästert. „Sie tun so, als ob sie
uns suchen, aber sie wollen nur was die Bürger in ihren Häusern
zurückgelassen haben“, meint Musonis Freund. „Sie gucken: diese Frau ist
schön; er zieht die Hose aus und sie tun es und einige dumme Soldaten
wechseln die Plätze mit den Frauen, damit sie mit diesen Frauen regelmäßig
schlafen können... Von uns wird gesagt, wir sind Verräter und zerstören;
die Zairer fangen nicht einmal an zu kämpfen, die treiben es nur.“
Gesprochen wird auch darüber, dass die FDLR in der ostkongolesischen
Süd-Kivu zuviel Handel betreibe. Die Beteiligten würden mit den Profiten
daraus Häuser in Ruanda bauen und daher das Interesse am Krieg verlieren.
Der Krieg wütete in jenem Sommer 2009 besonders heftig: die Serie von
Angriffen der FDLR auf kongolesische Dörfer, nachdem Kongos Armee begonnen
hatte, die FDLR zu bekämpfen, ist der zentrale Punkt der Anklage gegen
Musoni und FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka. Das Massaker von Busurungi
vom 9./10. Mai 2009 - der schwerste der FDLR-Angriffe, die den beiden
Angeklagten zur Last gelegt werden - spielte im OLG Stuttgart an den
Verhandlungstagen 21. und 23. Mai sowie nach der Pfingstpause am 11. und
13. Juni eine zentrale Rolle.
## „In Busurungi war kein Mensch mehr“
An diesen Tagen wurde nämlich im Stuttgarter Gerichtssaal die
Videovernehmung des ehemaligen FDLR-Kämpfers H durch die deutsche
Bundesanwaltschaft in Ruanda vorgespielt. H sollte eigentlich selbst als
Zeuge auftreten, ist aber in Ruanda unauffindbar. Er war nach eigenen
Angaben Teil jener Einheit, die nach Busurungi kam, nachdem die FDLR es
überrant und zerstört hatten.
„Da war kein Mensch mehr“, schildert H das niedergebrannte Dorf. „Es gab
Leichen von unseren Soldaten, sieben Soldaten von uns sind gestorben.“ Es
gab auch Leichen von Soldaten der kongolesischen Regierungsarmee FARDC:
„Die Soldaten waren sehr sehr viele.“ Und es gab getötete Zivilisten -
Zivilisten sind für H, ebenso wie für andere FDLR-Kämpfer, Leute auf die
man nicht gezielt schießt, aber man kann sie trotzdem treffen, vor allem
wenn es dunkel ist.
„Es gab Leichen von Leuten, die zufällig von Munition getroffen wurden. Was
ich mit meinen Augen selbst gesehen habe waren ca 20 Leichen... Die lagen
dort in der Nähe ihrer Häuser, sie haben sie geweigert, die zu verlassen.“
Es ist die erste Schilderung des zerstörten Busurungi in diesem Prozess
durch einen Augenzeugen, selbst wenn dieser nicht direkt am Angriff
beteiligt war.
## Streit um Vernehemungsprotokolle
Die Verteidigung hält nach Ende des Videoabspiels am 13. Juni Vorhalte aus
der Vernehmung in Ruanda für unzulässig: Es seien während der Vernehmung
suggestive Fragen gestellt worden und das Protokoll der Vernehmung weiche
auch aufgrund von zahlreichen Übersetzungsproblemen stark von den Aussagen
des Zeugen bei der Vernehmung ab.
Darüber entspannt sich am 15. Juni, als ein weitere geladener Zeuge aus
Ruanda nicht auftaucht, ein längerer Disput zwischen Verteidigung und
Bundesanwaltschaft. Diese wirft der Verteidigung vor, die von ihr
vorgebrachten Mängel in der Vernehmung nicht im Detail belegt zu haben.
Entscheidend sei am Ende der Auftritt des Zeugen.
Die Verteidigung wiederum sieht ein grundsätzliches Problem darin, wenn aus
Ruanda anreisende Zeugen in Stuttgart mit Aussagen konfrontiert werden, die
sie mehrere Jahre vorher bei ihrer Befragung in Ruanda getätigt haben
sollen und die womöglich damals falsch protokolliert wurden. Die Zeugen
kämen aus einem „fremden Kulturkreis“ und könnten es nicht erkennen, wenn
man ihnen jetzt in Stuttgart Vorhalte aus einem inkorrekten Protokoll
macht, sagt Murwanashyakas Anwältin Lang. Musonis Anwältin Groß-Bölting
geht noch weiter: „Man kann nicht von einem Zeugen erwarten, sich zu
erinnern, was er genau gesagt hat.“
Redaktion: Dominic Johnson
20 Jun 2012
## AUTOREN
Bianca Schmolze
## TAGS
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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