| # taz.de -- Haushalt für 2025: Bundesregierung setzt auf Rechentricks | |
| > Das Parlament beschließt den Haushalt für das laufende Jahr. Grüne und | |
| > Linke kritisieren, das Geld fließe nicht in Investitionen, sondern in | |
| > Wahlgeschenke. | |
| Bild: Findet Geld gut: Finanzminister Lars Klingbeil ist zufrieden mit dem Haus… | |
| Berlin taz | Glaubt man Lars Klingbeil, bricht am Donnerstagmittag ein | |
| neues Zeitalter aus. Im Bundestag spricht der Finanzminister von „massiven“ | |
| Investitionen in Verkehr, Bildung, Digitalisierung und sozialen | |
| Wohnungsbau. „Das macht diese Bundesregierung und es ist richtig für die | |
| Menschen in diesem Land.“ Allein für den Verkehrsbereich gebe es in dieser | |
| Legislaturperiode 166 Milliarden Euro. „Das gab es noch nie“, sagt der | |
| SPD-Politiker. Kurz darauf stimmt das Parlament mit der Mehrheit der | |
| schwarz-roten Koalition dem Bundeshaushalt für 2025 zu. | |
| Aus [1][der Opposition] wird die Euphorie des Finanzministers allerdings | |
| gestört. Für die Linke macht es Parteichefin Ines Schwerdtner plastisch: | |
| Von dem 500-Milliarden-Sondervermögen für Klima und Infrastruktur, in das | |
| mit diesem Haushalt erstmals ein Teil fließt, komme „unten, wo die Probleme | |
| sind, fast nichts an“. Sie spricht von Menschen, die „morgens um Fünf“ | |
| aufstehen müssen und dann vor maroden Brücken oder in überfüllten Zügen | |
| stünden. Dem Investitionsstau würden die Regierungspläne nicht gerecht. | |
| Technischer klingt [2][die Kritik bei den Grünen]. „Das | |
| Zusätzlichkeitskriterium des Sondervermögens sollte verhindern, dass der | |
| investive Anteil am Kernhaushalt schlicht zu Lasten des Sondervermögens | |
| zurückgefahren und stattdessen für konsumtive Ausgaben verwendet wird“, | |
| sagt deren Chefhaushälter Sebastian Schäfer. „Aber das wird leider | |
| ausgehebelt.“ | |
| Seit Wochen wird diese Kritik auch von Fachleuten außerhalb der Politik | |
| vorgetragen. Was damit gemeint ist: Als sich die Grünen im März mit Union | |
| und SPD darauf einigten, die Schuldenbremse zu lockern und dafür das | |
| Grundgesetz zu ändern, wollten sie sicherstellen, dass das neue Geld | |
| wirklich in zusätzliche Investitionen fließt. Die Koalition sollte nicht | |
| nur Projekte aus dem Kernhaushalt ins Sondervermögen verschieben – und so | |
| indirekt Platz schaffen für Wahlgeschenke wie die Steuersenkungen für die | |
| Gastro-Branche. | |
| ## Kritik auch von Expert*innen | |
| Ins Grundgesetz schrieb man daher, dass auch im Kernhaushalt eine | |
| „angemessene Investitionsquote“ erreicht werden müsse, bevor Geld aus dem | |
| Sondervermögen fließt. In einem begleitenden Beschluss definierten | |
| Schwarz-Rot und die Grünen, was „angemessen“ heißt: zehn Prozent. | |
| Umgesetzt hat die Koalition diesen Beschluss in einem Gesetz, das am | |
| Donnerstag im Bundestag gemeinsam mit dem Haushalt verabschiedet wurde. | |
| Dabei wählte Schwarz-Rot für die Investitionsquote allerdings nicht den | |
| naheliegenden Rechenweg: das Volumen der Investitionen, geteilt durch das | |
| Volumen des gesamten Haushalts. Stattdessen werden beim zweiten Wert die | |
| kreditfinanzierten Verteidigungsausgaben abgezogen, beim ersten Wert nicht. | |
| Dadurch fällt die Quote automatisch höher aus, die zehn Prozent werden | |
| leichter erfüllt. | |
| Im August hörte der Haushaltsausschuss Sachverständige dazu an. Deren | |
| Urteil war verheerend. So sagte die Finanzwissenschaftlerin Désirée | |
| Christofzik, die von der Union geladen worden war, die Berechnung sei | |
| „nicht nachvollziehbar“ und müsse „zuerst einmal angepasst werden“. | |
| Eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) kommt zum | |
| Ergebnis, dass die Koalition die Zehn-Prozent-Hürde im Haushalt 2025 nur | |
| durch den Rechentrick einhalte – und das Sondervermögen eben doch zu einem | |
| Verschiebebahnhof macht. So sehe es für 2026 zwar Ausgaben für die Bahn in | |
| Höhe von 18,8 Milliarden Euro vor. Aus dem Kernhaushalt würden für die | |
| Schiene im Vergleich zu 2024 gleichzeitig 13,7 Milliarden Euro weniger | |
| ausgegeben. Das Fazit des Instituts: „Der politisch versprochene Fokus auf | |
| eine Modernisierung der Infrastruktur mit dem Ziel der Erhöhung des | |
| Wachstumspotenzials bleibt bisher in weiten Teilen aus.“ | |
| ## „Alles zu wenig, alles schlecht“ | |
| Im Bundestag wischt die Koalition diese Kritik am Donnerstag zur Seite. Von | |
| den Grünen höre er nur, es sei „alles zu wenig, alles schlecht“, sagt der | |
| SPD-Haushälter Thorsten Rudolph. Wer nur von Umschichtungen spreche, rede | |
| aber die „größte Investitionsoffensive seit Jahren klein.“ | |
| Für die Einigung auf die Zehn-Prozent-Regel hätten sich die Grünen im März | |
| noch gefeiert. „Gestern war das für die Grünen noch ein zentraler | |
| Verhandlungserfolg, heute sind es angeblich Buchungstricks. Was denn nun?“, | |
| fragt Rudolph. | |
| Die grüne Kritik gibt der SPD-Mann damit verkürzt wieder, einen wunden | |
| Punkt trifft er trotzdem: Für die Zusätzlichkeitsklausel hatten sich die | |
| Grünen im März tatsächlich gefeiert. Warum sie jetzt nicht greift, dafür | |
| sind zwei Deutungen möglich. Entweder: Die Grünen haben es im Frühjahr | |
| versäumt, die Regel eindeutig genug zu formulieren. Oder: Sie haben sie | |
| eindeutig genug formuliert, haben jetzt aber nicht die Möglichkeit, den | |
| Regelverstoß der Koalition vom Verfassungsgericht einkassieren zu lassen. | |
| Für eine entsprechende Klage bräuchte es nämlich 25 Prozent der Sitze im | |
| Bundestag, und auf so viel kommen die Grünen auch zusammen mit der Linken | |
| nicht. „Sie machen das alles auch, weil Sie wissen, dass wir nicht mit | |
| einer Normenkontrollklage vor das Verfassungsgericht ziehen können“, sagt | |
| in der Debatte am Donnerstag die ehemalige Familieniministerin Lisa Paus in | |
| Richtung der Koalition. „Aber das macht es nicht besser.“ | |
| 18 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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