# taz.de -- Hanau und Rechtsextremismus: Die Mutter aller Probleme | |
> AKP-nahe Akteure vereinnahmen die Opfer von rassistischem Terror in | |
> Deutschland. Das darf die weiße Mehrheitsgesellschaft nicht länger | |
> ignorieren. | |
Bild: 22.02.2020, Hanau: Trauer und Wut ohne Ausgrenzung. | |
Die Mutter aller Probleme ist der Rassismus. Vor einer Woche hat ein | |
Rechtsextremer in Hanau zehn Menschen ermordet. Darunter waren eine Romni | |
und Menschen mit kurdischen, türkischen, bulgarischen, bosnischen, | |
rumänischen, afghanischen Wurzeln. Der Terrorist war kein verwirrter | |
Einzeltäter, sondern ein Nazi. Er wollte ein arisches Deutschland und | |
verabscheute die pluralistische Gesellschaft. Die Mutter aller Probleme ist | |
der Rechtsextremismus. | |
Es gibt jedoch nicht nur deutschen, sondern auch türkischen | |
Rechtsextremismus. Und der türkische Rechtsextremismus in Deutschland ist | |
so gut organisiert und vernetzt, dass es der weißen Mehrheitsgesellschaft | |
nicht einmal mehr auffällt. Erdoğan und AKP-nahe Akteure vereinnahmen schon | |
länger die Opfer von rassistischem Terror in Deutschland für ihre | |
Ideologie. Auch in Hanau. | |
Plötzlich teilen viele auf Social Media Tweets des ehemaligen | |
Seta-Mitarbeiters (eine AKP-Stiftung) Tarek Baé oder Videos zu Hanau vom | |
Erdoğan-Propaganda-Sender TRT Deutsch. Wie kann es sein, dass die Opfer von | |
Hanau instrumentalisiert und diese Propaganda-Kanäle salonfähig gemacht | |
werden? | |
Wie kann es sein, [1][dass Kübra Gümüsay zu Maybrit Illner als „Stimme“ | |
einer marginalisierten Gruppe eingeladen wird]? Obwohl sie [2][in ihrem | |
Buch „Sprache und Sein“] den islamistischen Schriftsteller Necip Fazıl | |
Kısakürek (Erdoğans Lieblingsdichter, Antisemit) in einem Atemzug mit Audre | |
Lorde, Schiller und Goethe nennt? | |
## Kritik am Islamismus ist nicht rassistisch | |
Gümüsay sagte, es sei ein Recherchefehler gewesen. Dabei hätte es nur eine | |
Google-Recherche von drei Sekunden gebraucht, um zu erfahren, wer dieser | |
Mann war: ein Nationalist und Islamist. Die Mutter aller Probleme ist die | |
deutsche Deutungshoheit, die kritische Stimmen, darunter auch Kurd*innen, | |
Alevit*innen, und Ezîd*innen mundtot macht, in dem sie Kritik an Gümüsay | |
als antimuslimischen Rassismus diskreditiert. | |
Es geht noch weiter: Nach dem Terroranschlag in Hanau telefoniert Angela | |
Merkel mit Erdoğan. Bei Kundgebungen haben Organisationen wie Millî Görüș | |
und Ditib gesprochen. Für viele Deutsche sind alle Menschen, die aus dem | |
Nahen Osten kommen, Muslime, Türken oder Araber. Es ist auch der deutsche | |
Rassismus, der die anderen Opfergruppen, darunter Kurd*innen unsichtbar | |
macht. [3][Und dadurch die türkische Kontinuität der Unterdrückung von | |
Kurd*innen in Deutschland fortschreibt.] | |
Auf einer Trauerfeier für die ermordeten Opfer in Hanau sahen wir türkische | |
Flaggen und Nationalisten, die „Allahu Akbar“, „Gott ist groß“ brüllt… | |
Das scheint die deutsche Mehrheitsgesellschaft nicht zu stören. | |
Im Gegenteil. Stattdessen gilt die Parole: Wir müssen zusammenhalten. Doch | |
türkische Nazis sind wie deutsche Nazis und mit deutschen Nazis möchte man | |
auch nichts zu tun haben! Das ist keine Spaltung der Opfergruppen, sondern | |
die Benennung der Mutter aller Probleme. Und die ist jeder | |
Rechtsextremismus. | |
Korrektur: In einer früheren Version dieser Kolumne hieß es, Tarek Baé sei | |
Mitarbeiter von Seta. Auf der Webseite der Stiftung wird er noch als | |
solcher geführt, ist nach eigenen Angaben jedoch nicht mehr für diese | |
tätig. | |
26 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zdf.de/politik/maybrit-illner/nach-dem-rechten-terror-in-hanau-… | |
[2] /Sprache-und-Sein-von-Kuebra-Guemueay/!5657101 | |
[3] /Kurdinnen-im-Nahen-Osten/!5659737 | |
## AUTOREN | |
Ronya Othmann | |
Cemile Sahin | |
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