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# taz.de -- Solidarität in Zeiten von Corona: Türen auf, Europa!
> Die Menschen in Deutschland sollten weniger auf ihren Balkonen klatschen
> und singen. Ihre Solidarität brauchen jetzt Geflüchtete an
> EU-Außengrenzen.
Bild: „Ode an die Freude“ am Sonntag in Frankfurt an der Oder
Corona-Tagebücher! Corona-Singen! Corona-Klatschen! Während die Menschen in
Deutschland [1][Klopapier hamstern], Homeoffice machen, Netflix schauen und
endlich mal ihre Bücher nach Farbe sortieren, gehen die Konflikte im Nahen
Osten weiter. Der Krieg in Syrien geht keine 14 Tage in Quarantäne. Die
Gefängnisse in der Türkei platzen aus allen Nähten.
In Europa schmust man mit Diktatoren wie Erdoğan, aber macht schon seit
forever Social Distancing zu Geflüchteten. Solidarität in Deutschland
bedeutet, gemeinsam um 18 Uhr auf Balkonen zu klatschen und zu singen. An
die Gemeinschaft wird appelliert, #wirschaffendas, und währenddessen
schiebt Deutschland still und leise Geflüchtete nach Afghanistan ab.
Autoritäre Regime wie die Türkei nutzen das Coronavirus für ihre Zwecke. In
den türkischen Nachrichten wurde lange behauptet, [2][die Türkei sei
Corona-frei], während umliegende Staaten bereits die ersten Infizierten
vermeldeten. Im türkischen Fernsehen wurde debattiert, ob türkische Gene
womöglich vor dem Coronavirus schützten oder ob Corona eine Erfindung einer
zionistischen Terrororganisation sei, die gegen einige Länder als Biowaffe
eingesetzt werden könne.
Während zahlreiche Länder der Welt versuchen, einen Impfstoff zu finden,
Schutzbekleidung und Beatmungsgeräte aufzutreiben, ist die Türkei damit
beschäftigt ihren Kurdenhass zu demonstrieren. Am Montag ersetzte die
AKP-Regierung unter Erdoğan demokratisch gewählte Bürgermeister*innen der
HDP im Osten des Landes durch AKP-Zwangsverwalter. Selbst in der
Coronakrise bleibt die größte Angst der Türkei nach wie vor Kurden.
## Solidarität
In Rojava soll es nur rund 150 Beatmungsgeräte für zwei Millionen Menschen
geben. Es fehlt an Schutzkleidung. Die beiden einzigen Geräte, mit denen
man auf das Coronavirus getestet werden kann, lagern in einem Krankenhaus,
das sich – welch Überraschung – unter türkischer Besatzung befindet.
In der Autonomen Region Kurdistan im Irak ist die Lage weitaus besser.
Ausgangssperre, Händewaschen und Aufklärung sind das Mittel der Stunde.
Doch in den Flüchtlingscamps dort sieht die Lage anders aus. Wie weit ist
Social Distancing möglich, wenn man zu Tausenden in Zelten hausen und sich
Küchen, Toiletten und Waschräume teilen muss?
Katastrophal ist auch die Lage [3][an den europäischen Außengrenzen]. Wenn
nicht sofort eine Evakuierung der Geflüchteten in die Wege geleitet wird,
könnten wir es [4][mit einem Massensterben] lauter immungeschwächter
Menschen zu tun haben.
Anstatt auf Balkonen zu singen und zu klatschen, sollte Europa seine
Grenzen öffnen. Solidarität sollte nicht bei der alten Nachbarin im
Erdgeschoss aufhören, sondern auch den Menschen gelten, die es am Nötigsten
haben: den Geflüchteten. Davon sollte uns das Coronavirus auf gar keinen
Fall ablenken. Europa, Türen auf!
25 Mar 2020
## LINKS
[1] /Humor-in-Krisenzeiten/!5672117
[2] /Coronavirus-in-der-Tuerkei/!5671361
[3] /In-der-Corona-Krise/!5669240
[4] /Fluechtlinge-in-der-Corona-Krise/!5672393
## AUTOREN
Ronya Othmann
Cemile Sahin
## TAGS
Türkei
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