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# taz.de -- Klopapier-Mangel in Corona-Zeiten: Nicht komplett im Arsch
> Nirgends mehr Toilettenpapier bekommen? Kein Problem. Ob mit Bidet oder
> Podusche – wir stellen Alternativen zum Papier vor.
Bild: Ach du Schreck: Kein Klopapier in Sicht!
Für Menschen mit chronischen Darmerkrankungen, Muslim_innen oder Menschen
aus Ländern, in denen es ohnehin eine übliche Waschpraxis ist, gehört das
[1][Reinigen der Genitalien und des Anus mit Wasser] nach jedem
Toilettengang zum Tagesgeschäft. Doch es gibt auch Menschen ohne sauberen
Hintergrund: Menschen, die sich auf dem Klo ausschließlich mit trockenem
oder feuchten WC-Papier sauber machen. Und die sorgen sich derzeit um ihren
Vorrat, denn [2][Klopapier gehört zu den Produkten], die während der
Coronakrise schon morgens weggehamstert werden. Endlich ein Problem, hinter
dem sich wirklich eine dornige Chance verbirgt.
Kein Papier oder wenig davon zu verwenden ist nicht nur nachhaltiger,
günstiger und effektiver, sondern auch viel angenehmer für den Po. Außerdem
scheuert exzessives Reiben mit WC-Papier die empfindliche Haut am Anus auf.
Man muss nicht mal auf spontanes Rimming (sogenanntes Arschlecken) stehen,
um sich für die Po-Dusche zu begeistern. Egal ob im Alltag unterwegs, bei
einem Date oder zu Hause: Wer zwischendurch mal kacken muss, bleibt locker,
denn der kühle Wasserstrahl wird den Po reinigen und man fühlt sich wie
neugeboren. Bremsspuren in der Unterhose? I don’t know it! Bockt übrigens
auch, wenn man seine Tage hat und Blutreste abwaschen will.
Wenn die Pandemie überstanden ist, erhoffe ich mir vieles: laute
Arbeitskämpfe, [3][erfolgreiche Mietstreiks], generell mehr Solidarität,
eine kommunistische Gesellschaftsform, und dass alle, auch Sie, zu einem
schambefreiten Verhältnis zu ihrem Hintern und ihrer Scheiße finden können.
## Lieber Hämorrhoiden als Waschung
Hören Menschen ohne sauberen Hintergrund zum ersten Mal vom Konzept,
reagieren sie häufig mit Abwehr und Ekel. „Meinen Arsch soll ich anfassen?
Nachdem ich gekackt habe??“ Diese hygienischen Bedenken vermengen sich in
manchen Fällen mit antimuslimischen Ressentiments: Lieber Volkskrankheit
Hämorrhoiden als islamische Waschung.
Wer Kinder oder Haustiere hat und sich um deren Körperausscheidungen
kümmert, sagt ständig: Bei dem eigenen Baby/Hund/Katze/Chinchilla ist es
nicht so schlimm, man liebt dieses Lebewesen ja und tut es gerne. Ich
wünsche mir, dass Leute dies auch über sich selbst sagen und denken. Die
Offenheit für die Podusche fehlt letztlich auch deshalb, weil man es
nirgendwo richtig lernen kann. Klar, man könnte sich im Internet
Anleitungen anschauen, aber was, wenn genau in dem Moment jemand ins Zimmer
kommt? Die Scham sitzt zu tief.
So muss es nicht bleiben. Ich nehme Sie an die Hand, damit Sie in Zukunft
Ihre Hand an Ihren Arsch nehmen. Eine Hand wäscht die andere, beide Hände
waschen das Gesicht, eine davon jedoch auch den Arsch, beide danach
wiederum mit Seife, mindestens 20 Sekunden lang, zum Refrain von „Chabos
wissen, wer der Babo ist“ von Haftbefehl, von „Hit Me Baby One More Time“
von Britney Spears oder von „Du hast mich tausendmal belogen“ von Andrea
Berg. Zunächst einmal müssen Sie sich für eine Wasserquelle entscheiden.
## Folgende Optionen gibt es
Die Minibrause
In jedem Baumarkt, aktionsweise auch mal im Supermarkt oder online
erhältlich ist der Mini-Duschschlauch. Diese Lösung ist in vielen
Badezimmern umsetzbar, die einen Wasserhahn oder -anschluss in
Toilettennähe aufweisen. Diese Bidetbrause gibt es ab 8 Euro, der Anschluss
funktioniert bei einem Wasserhahn recht unkompliziert und ist langfristig
die beste Lösung. Durch den hohen Wasserdruck des Schlauchs lässt sich der
Po am leichtesten reinigen. Auch gut für alle, deren Dusche nicht im selben
Raum wie die Toilette ist.
Bidet
Dieses französische Sanitärsprodukt gibt es in einigen Badezimmern, ich
selbst besaß noch nie eins. Sieht aus wie ein niedriges Waschbecken in
meist ovaler Form. Man hockt sich zum Waschen drüber und dreht den Hahn
auf.
Japanisches Klo
Luxusvariante, aber geil. In japanischen Klos gibt es integrierte Brausen,
die auf Knopfdruck angehen und den Po sauberspritzen. Manche Modelle haben
sogar eine Trocknerfunktion, die warme Luft an den Anus pustet, also ganz
ohne Hände und Klopapier. Aber Achtung, wer strenge Gerüche im gesamten
Raum vermeiden will: erst die Brause, dann den Trockner. Im Internet gibt
es Aufsätze für bestehende WCs zu geringeren Preisen als komplett neue
Toiletten (die kosten 1.000 Euro aufwärts). Ähnliche Toiletten gibt es etwa
auch in der Türkei.
Gießkanne
Der Klassiker aus der Diaspora. Idealerweise sollte sie nicht zu groß sein
(also die 10-Liter-Gießkanne aus dem Garten wäre eher Over-Achievement),
doch auch nicht zu winzig (das hippe Minikännchen mit 0,2-Liter-Volumen
würde nicht reichen), und einen langen Hals haben. Meine eigene Gießkanne
umfasst etwa 1,5 Liter, ich verbrauche pro Klogang maximal die Hälfte.
Stellen Sie am besten vor dem Klogang sicher, dass die Gießkanne gefüllt
ist.
Flasche
Wie die Gießkanne, aber to go. Eigentlich funktioniert jede Flasche, aber
ich empfehle eine PET-Flasche mit einem Volumen von 0,7 Litern und einem
dieser Aufsätze, an denen man zum Trinken saugen muss. Drückt man nämlich
in die Flasche rein – Menschen mit Wasserschlacht-Erfahrung lieben oder
hassen diesen Trick, je nachdem, ob sie bei der Wasserschlacht Tops oder
Bottoms sind beziehungsweise wie gern sie nass gespritzt werden –, spritzt
ein starker Strahl aus ihr heraus, was für die Untenrumhygiene der perfekte
Wasserdruck ist.
Handbidet
Sieht aus wie eine elektrische Zahnbürste mit interessanten Proportionen,
ist aber eine fancy Version der beschriebenen Wasserflasche. Der
dazugehörige Behälter wird mit Wasser aufgefüllt, das durch Druck
herausspritzt.
Haben Sie sich für ein Mittel entschieden? Dann geht es wie folgt:
Sind Sie fertig auf dem Klo, nehmen Sie 1 bis 2 Stück Klopapier (je nach
Lagen) und wischen sich einmal den Po ab. Das Gröbste ist jetzt weg. Dann
nehmen Sie, wenn Sie Rechtshänder_in sind, in die rechte Hand ihre
Wasserquelle und waschen sich bei laufendem Wasser mit der linken erst die
Genitalien, dann den Hintern. Normalerweise spürt man an den Fingerspitzen,
wann es sauber ist. Beginner_innen empfehle ich, sich danach mit einem
Stück Klopapier abzutrocknen. Ein Blick auf das Papier hilft dabei, ein
Gefühl dafür zu entwickeln, ob man wirklich sauber ist. Wer komplett auf
Klopapier verzichten möchte, kann es irgendwann gegen ein regelmäßig
wechselndes Handtuch austauschen, ich persönlich bleibe jedoch bei der
Kombination aus Gießkanne und Klopapier.
Waschen Sie sich gründlich mit Seife die Hände. Weder Ihr Hintern noch Ihre
Hände werden Anzeichen von dem tragen, was sich eben zwischen ihnen
ereignet hat. Am Anfang ist es eine Frage der Übung. Hat man den Dreh raus,
ist es nur noch eine Frage des Lebensgefühls.
25 Mar 2020
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## AUTOREN
Hengameh Yaghoobifarah
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