# taz.de -- Linke und die Ermordung von Soleimani: Doppelte Standards | |
> Die Reaktion der Linken auf den US-Angriff auf den iranischen General ist | |
> erwartbar. Ihr antiimperialistisches Narrativ ist kurzsichtig. | |
Bild: Nicht zur falschen Zeit am falschen Ort: General Qasim Soleimani | |
Nachdem vor knapp zwei Wochen der iranische General Qasim Soleimani von | |
einer US-Drohne getötet wurde, zeigte sich ein Teil der deutschen Linken | |
empört. Es verbreitete sich das bekannte antiimperialistische Narrativ von | |
den aggressiven USA und dem Opfer Iran. | |
Nur ist Soleimani nicht irgendein unschuldiger Mann, der zur falschen Zeit | |
am falschen Ort war. Er war Befehlshaber der iranischen Quds-Einheiten und | |
kontrollierte und koordinierte zahlreiche Kriege im Nahen Osten. Soleimani | |
war kein Opfer, sondern ein Akteur, der die iranische Expansion in der | |
Region vorangetrieben hat. | |
Wenn nun also auf Twitter der Hashtag [1][#nowarwithiran] verbreitet wird, | |
sollte auch daran erinnert werden, dass die Quds-Einheiten, deren Ziel die | |
Zerstörung Israels ist, bereits in Syrien, dem Irak, Libanon und Jemen | |
kämpfen. | |
Wenn Linke das militärische Vorgehen der USA anprangern, zu Iran aber | |
schweigen, dann sind das doppelte Standards. Als 2018 iranische | |
Revolutionsgarden einen Raketenangriff auf eine Veranstaltung der | |
Demokratischen Partei Kurdistan-Iran (DPKI) in der irakisch-kurdischen | |
Stadt Koya verübten und 17 Menschen starben, war das Teilen der Linken | |
keinen Hashtag, keinen Aufschrei wert. | |
## Das antiimperialistische Weltbild hat ausgedient | |
Ähnliches konnte man schon im Irak-Krieg 2003 beobachten, der zum Sturz | |
Saddam Husseins führte. Unter dem Diktator Saddam wurde bei der sogenannten | |
[2][Operation Anfal] 1988 bis 1989 ein Genozid an Kurd*innen und | |
Mitgliedern anderer Minderheiten verübt, 180.000 Menschen wurden ermordet. | |
Gegen den Irak-Krieg zu sein, wie es viele Linke damals waren, ist einfach, | |
wenn man nicht unter der Herrschaft Saddam Husseins leben muss. | |
Nach dem Anschlag auf Soleimani hatte Iran Raketen auf einen von | |
US-Soldaten genutzten Stützpunkt im Irak gefeuert. Und von deutscher Seite | |
begann man mit dem Teilabzug der Bundeswehr aus dem Irak. Viele Linke | |
fordern das schon lange. Wenn westliche Streitkräfte abziehen, ist | |
automatisch Frieden – so ihre einfache Rechnung. Das Gegenteil ist der | |
Fall. Das ließ sich beispielsweise beobachten, nachdem die US-Truppen in | |
Nordsyrien abzogen waren und die Türkei einmarschierte. | |
Die Bundeswehr ist im Irak Teil der Anti-IS-Koalition. Der IS ist | |
verantwortlich für zahlreiche Verbrechen, darunter der [3][Genozid] an den | |
Ezîden 2014 – und er ist noch nicht besiegt. Ziehen sich westliche | |
Streitkräfte zurück, würde der IS in der Region an Macht zurückgewinnen. | |
Und der Einfluss der iranischen Politik im Irak könnte noch größer werden, | |
als er es ohnehin schon ist. Darunter leiden würde dann die | |
Zivilbevölkerung, würden Minderheiten und demokratisch-freiheitliche | |
Kräfte. | |
Das antiimperialistische Weltbild hat ausgedient. Es braucht eine neue Form | |
der Solidarität mit den Menschen im Nahen Osten, die nach Freiheit, Würde | |
und Menschenrechten rufen – mit denen, die gerade im Iran auf die Straße | |
gehen und protestieren zum Beispiel. | |
15 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/hashtag/nowarwithiran | |
[2] /Spionageverdacht-bei-der-Bahn/!5181144 | |
[3] /Entfuehrte-Jesidinnen-im-Nordirak/!5557165 | |
## AUTOREN | |
Ronya Othmann | |
Cemile Sahin | |
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