| # taz.de -- Hafen-Jobs in Bremen: Nicht konkurrenzfähig | |
| > Von 530 Bremer GHB-Mitarbeitern haben 137 jetzt nur noch die Wahl | |
| > zwischen Transfergesellschaft und Abfindungen | |
| Bild: Der GHB hat ein Monopol in den bremischen Häfen – aber auch nur da. | |
| BREMEN taz | Nun ist es amtlich: Der Gesamthafenbetriebsverein (GHB) wird | |
| seinen Dienstleistungs-Bereich schließen, in dem bislang noch über 500 | |
| Arbeitskräfte beschäftigt sind. Das sei ein wichtiger Baustein für die | |
| Sanierung des GHB, teilte am gestrigen Donnerstag Martin Günthner (SPD) in | |
| seiner Funktion als Arbeitssenator mit. | |
| Günthner hatte die Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber, die | |
| die GHB-Dienste in Anspruch nehmen, geleitet. 400 der Arbeitskräfte sollen | |
| in den Betrieben, in denen sie bisher schon als Hafen-Leiharbeiter des GHB | |
| arbeiten, befristete oder unbefristete Stellen bekommen. | |
| Um die Schwankungen des täglichen Arbeitsbedarfes in den Seehäfen | |
| abzufedern, hatten Gewerkschaften und Hafen-Arbeitgeber den „Verein“ GHB | |
| vor 100 Jahren gegründet. Für die Bremer Häfen hat er ein Monopol, während | |
| in anderen Bereichen der Wirtschaft kommerzielle Leiharbeitsfirmen | |
| entstanden. | |
| Und das ist das Problem: Seit 1990 hat der GHB sein Geschäftsfeld | |
| ausgedehnt in Bereiche der hafennahen Logistik, in denen er direkt mit | |
| Leiharbeiterfirmen konkurriert. Vor dieser Konkurrenz muss er jetzt | |
| kapitulieren. Größter Abnehmer der Dienstleistungen des GHB ist die | |
| Hafenfirma BLG, in deren Aufsichtsrat Martin Günthner als | |
| Wirtschaftssenator sitzt und deren Probleme mit dem GHB er von daher gut | |
| kennt. BLG-Arbeitsdirektor Dieter Schumacher erklärte das gestern so: Der | |
| Krankenstand beim GHB liege bei über 20 Prozent, fast die Hälfte davon sei | |
| auch auf Dauer nur eingeschränkt arbeitsfähig. Und insgesamt mangele es aus | |
| Sicht der BLG an „Flexibilität“, ein Thema, zu dem es eigentlich | |
| Tarifverträge gibt, die aber nicht umgesetzt würden. Zum Beispiel, so | |
| Schumacher, gebe es kein Überstundenkonto. | |
| 235 GHB-Kräfte sollen nun unbefristete, und 165 befristete Arbeitsverträge | |
| bei Hafenfirmen bekommen. Die Tarifverträge sind dieselben, aber dafür wird | |
| dann mehr Leistung abverlangt. Auch in der Verwaltung des GHB, so | |
| Schumacher, müsse sich einiges tun. Insgesamt habe die BLG 7,5 Millionen | |
| Euro Vorauszahlungen an den GHB geleistet, um dessen Liquidität zu sichern. | |
| Aus Sicht der BLG hat das Modell GHB also Zukunft, aber nur im Hafenbereich | |
| und in einer Form, die den Hafenbetrieben mehr entgegenkommt. Denn seit | |
| einiger Zeit zahlen die Hafenbetriebe in die „Lohngarantiekasse“ des GHB | |
| mehr ein als sie Vorteil daraus ziehen können – unter solchen Umständen | |
| würde das Modell für sie uninteressant. | |
| Dass das Problem des GHB den Dienstleistungssektor und nicht den | |
| Hafenbereich betrifft, hat einen einfachen Grund: Seit 1950 hat der GHB | |
| durch eine gesetzliche Regelung in Bremen quasi ein Monopol in den Häfen: | |
| Andere Leiharbeiter können dort nur aktiv werden, wenn der GHB das | |
| genehmigt, weil er selbst dafür keine Kapazitäten mehr hat. In der | |
| Hafensparte des GHB arbeiten rund 1.300 Mitarbeiter. | |
| Ver.di-Vertreter Stefan Schubert ist zufrieden mit dem Ergebnis für die | |
| GHB-Mitarbeiter, die einen neuen Job angeboten bekommen sollen, sorgt sich | |
| aber um die 137 Mitarbeiter, die nun zwischen Transfergesellschaft und | |
| Abfindung wählen müssen. Hinzu kommen noch jene GHB-Mitarbeiter, die laut | |
| Schumacher nur eingeschränkt arbeitsfähig sind. | |
| Dass die BLG die vergleichsweise teuren Strukturen des GHB im | |
| Dienstleistungsbereich nicht mehr bezahlen will, hängt auch damit zusammen, | |
| dass dort ein erheblicher Konkurrenzdruck herrscht. Die BLG organisiert die | |
| Logistik für die Ersatzteile von Daimler und den Nonfood-Bereich von | |
| Tchibo, die Verträge für beide Dienstleistungs-Aufträge laufen aus. | |
| Sie müssen also in der Konkurrenz mit neuen Bietern neu ausgehandelt | |
| werden. Von diesem Ergebnis hängt auch ab, wie viele der befristet | |
| übernommenen GHB-Mitarbeiter die BLG langfristig gebrauchen kann. Die | |
| GHB-Geschäftsführung will sich zur Schließung ihrer Dienstleistungs-Sparte | |
| nicht äußern. | |
| 15 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
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