# taz.de -- Hässlicher Wahlkampf: Niedersachsens CDU schnorrt bei AfD | |
> Niedersachsens CDU wirbt mit rassistischer Hetze gegen „Clans“ für die | |
> Landtagswahl. Die Plakate sind jenen der Hamburger AfD zum Verwechseln | |
> ähnlich. | |
Bild: Bis zum geistigen Horizont der Konkurrenz gesprungen: Wahlkampfplakat der… | |
HAMBURG taz | Am 9. Oktober wählen die Niedersachsen ihren neuen Landtag. | |
Die CDU fischt für ihre Wahlkampagne ziemlich weit am rechten Ufer. Von | |
Cuxhaven bis Hannoversch Münden liest man auf CDU Plakaten: „Null Toleranz | |
für Clans“. Mit ihrem hellblauem Hintergrund unterscheiden sich die Plakate | |
der CDU kaum von früheren Wahlkampagnen der AfD. | |
„Weltoffen. Aber nicht für Banden und Clans!“ ist ein Slogan, der 2020 noch | |
auf den Wahlplakaten der Hamburger AfD im Kampf um Stimmen für die | |
Hamburger Bürgerschaft stand. Heute sind die CDU-Plakate denen zum | |
Verwechseln ähnlich. | |
Der Koalitionspartner SPD kritisiert die Kampagne der CDU: | |
Kriminalitätsphänomene wie „Drogenhandel, Cybercrime, Sexualisierte Gewalt | |
gegen Kinder oder der Rechtsextremismus“ beeinflussten das | |
Sicherheitsgefühl der Niedersachsen heute viel mehr, meint Ulrich | |
Watermann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. | |
Tatsächlich könne man nur 0,6 Prozent aller dokumentierten Straftaten in | |
Niedersachsen auf „Clankriminalität“ zurückführen. Deshalb empfinde die … | |
Niedersachsen die Fokussierung der CDU auf diese Thematik als „kritisch“. | |
## Altbackenes Thema | |
Und dann sei die CDU mit dieser Kampagne auch noch weit hinter der Zeit. | |
„[1][Die von der CDU plakatierte Forderung ist mindestens seit 2018 in | |
Niedersachsen bereits Realität]“, sagt Ulrich Waterman von der SPD. | |
Die niedersächsische Landespolizei befasst sich bereits seit mehreren | |
Jahren mit der Bekämpfung sogenannter Clankriminalität. Seit 2018 arbeiten | |
Kommunen, Landkreise und die niedersächsische Polizei dabei eng zusammen. | |
Das geht aus einer Pressemitteilung der niedersächsischen Landespolizei | |
hervor. | |
Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat dafür 2020 einen polizeilichen | |
„Lagebericht zu Clankriminalität in Niedersachsen“ vorgelegt. Auch gibt es | |
seit 2020 bei der Staatsanwaltschaft in Hildesheim eine „Zentralstelle zur | |
Bekämpfung krimineller Clanstrukturen“. | |
Zum politischen Schwerpunkt hat die Bekämpfung sogenannter Clankriminalität | |
also SPD-Innenminister Boris Pistorius gemacht – was den moderaten Ton der | |
SPD-Kritik an der Kampagne erklären könnte. | |
Auch andere parteipolitische Gegner der CDU äußern sich kritisch zu diesem | |
Wahlslogan. „Der Begriff [2][Clankriminalität ist aus | |
politikwissenschaftlicher Perspektive in jedem Fall rassistisch | |
konnotiert]“, sagt Michael Lühmann vom Göttinger Institut für | |
Demokratieforschung, der selbst für die Grünen zur Landtagswahl antritt. Er | |
wisse, dass Wahlplakate nie zufällig gewählt werden und immer ein | |
bestimmtes Bild provozieren sollen. | |
## Bewusst gewählt | |
Auch die Wahl der Farbe von Hintergrund und Schrift seien bewusst gewählt. | |
Es erinnere ihn an die Wahlkampagnen von ÖVP und FPÖ bei der | |
österreichischen Parlamentswahl 2019. Die ÖVP um Sebastian Kurz habe damals | |
ähnliche Farben und Slogans wie die rechtspopulistische FPÖ gewählt und | |
„schließlich rechte Politik gemacht“, sagt Lühmann. Heute sehe er bei der | |
CDU ähnliches Wahlkampfverhalten. | |
Außerdem glaubt Lühmann, dass Niedersachsen in der kommenden | |
Legislaturperiode vor weitaus größeren Problemen stehe: anhaltende | |
Trockenheit, ständige Waldbrände, allgemeine Wasserknappheit – um nur | |
einige zu nennen. | |
Auf taz-Nachfrage, ob die CDU Niedersachsen in Betracht gezogen habe, dass | |
dieses Plakat [3][rassistische Vorurteile befeuern könnte], kommt ein | |
klares Statement: „Das Wahlplakat befördert keinerlei rassistische | |
Vorurteile.“ | |
Lühmann sieht das anders. Aus wissenschaftlicher Perspektive habe er den | |
Anspruch, alle Begriffe, die er benutze zu hinterfragen. Dass der Begriff | |
„Clankriminalität“ auch einer besonderen Betrachtung bedarf, stehe für ihn | |
außer Frage. | |
„Es handelt sich sowohl um rassistische Äußerungen als auch darum, dass | |
Vorurteile befördert werden“, sagt die Rassismusforscherin Lima Sayed von | |
der Uni Hamburg nach einem Blick auf die Wahlkampagne der CDU. Der Begriff | |
greife gleich mehrere Muster von Rassismus auf. Vor allem sei die | |
Kriminalisierung migrantischer Männer einer der Rassismen, die hierzulande | |
weitläufig akzeptiert seien und unhinterfragt blieben. | |
24 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Emma Philipp | |
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