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# taz.de -- Putin, Queen und AfD: Anständige Distanz
> Russland hat Politiker gekauft, beim Tod der Queen gibt es Grenzen des
> Sagbaren und die AfD zieht Pimmel-Pfeile zurück. Zeit, über Anstand zu
> reden.
Bild: Pfeile oder Pimmel, die AfD hat den Schwanz eingezogen
Ich klinge jetzt wie ein pensionierter Oberstudienrat, aber wir müssen über
Anstand reden! Darüber, was sich gehört und was nicht. Gerade in dieser von
Unanständigkeiten geprägten Woche gab es dazu mehr als genügend Anlässe.
Also, ich bin ja ein Freund des Prinzips, dass Politiker ordentlich bezahlt
werden, damit sie frei von persönlichen wirtschaftlichen Interessen Politik
machen können. Man könnte meinen, Politiker in westlichen Demokratien
bekommen so viel Geld, dass sie sorgenfrei leben können. Dass sie also
nicht bestechlich sind.
Nun ist aber die Gier bei Menschen unterschiedlich ausgeprägt, und auch
Wladimir Putin weiß das. [1][Aus einem Gutachten der US-Geheimdienste geht
hervor], dass der Kreml seit 2014 mindestens 300 Millionen Dollar an
Politiker in mehreren Staaten bezahlt hat, um sie zu einer
russlandfreundlichen Agenda zu treiben. Mit anderen Worten: Putin hat sich
Politik in seinem Sinne gekauft. Nun wurden zwar keine Länder genannt, aber
sollte Deutschland dazugehören, fielen mir sofort zwei, drei Parteien ein,
mindestens. Ich möchte auf jeden Fall alle Namen wissen. Alle.
Whistleblower und Informanten, ihr erwieset der Welt einen großen Dienst,
wenn ihr …
Bundeskanzler Olaf Scholz hat diese Woche ein Foto von sich an seinem
Schreibtisch veröffentlicht. [2][Er habe 90 Minuten mit Putin telefoniert],
schreibt er auf Twitter. „Russland muss seine Truppen aus der Ukraine
zurückziehen und die Souveränität und territoriale Integrität anerkennen.
Anders ist eine diplomatische Lösung nicht vorstellbar.“ Das ist ziemlich
anständig. Noch viel anständiger wäre, wenn er auch beim ukrainischen
Präsidenten anriefe und ihm die Lieferung schwerer Waffen zusagte.
Anständig auch das britische Königshaus: Zum [3][Staatsbegräbnis von Queen
Elizabeth II.] am kommenden Montag, was als „größtes Ereignis in
Großbritannien seit dem Zweiten Weltkrieg“ angekündigt ist, ist kein
Vertreter Russlands eingeladen. Putin ist beleidigt, die Kreml-Sprecherin
schäumt, aber so ist das eben: Wer sich unanständig benimmt, ist bei der
Party nicht dabei.
## Man muss zivilisiert bleiben
Apropos Königin: Natürlich darf man sich über die britische Monarchie
lustig machen. Und man darf, nein, [4][muss sie kritisieren ob ihrer
Verantwortung für koloniale Verbrechen]. Übrigens ist auch meine Familie
betroffen: durch die Teilung des indischen Subkontinents, ein Teil der
Familie in Indien, der andere in Pakistan, dazwischen eine nahezu
unüberwindbare Grenze, und an allem trägt Britannien keine geringe Schuld.
Aber ich finde, angesichts des Todes gibt es Grenzen des Sagbaren, die man,
will man zivilisiert bleiben, nicht überschreiten sollte. Weil ich eine
Professorin kritisiert habe, die der Königin via Twitter kurz vor ihrem
Ableben einen qualvollen Tod wünschte, wurde mir von einer kleinen, lauten
Gruppe „Rassismus“ und „Misogynie“ vorgeworfen. Weil die Professorin
schwarz ist und eine Frau. Oookay. Wie heißt es so schön: Wenn man nur
einen Hammer hat, ist jedes Problem ein Nagel.
## Unanständig, auf „Wut-Winter“ zu freuen
Unanständig ist natürlich auch, die Gunst der Stunde – oder sollte man
besser sagen: die Angst der Menschen? – zu nutzen, um Wucherpreise für
Energie zu verlangen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat gewiss zu
einer Verknappung geführt. Aber schaut man sich die Rekordgewinne der
Energiekonzerne an, ist das: unanständig. Die Verärgerung der Menschen kann
ich nachvollziehen. Aber unanständig ist auch, wie die AfD und [5][Teile
der Linken sich auf einen „heißen Herbst“] und einen „Wut-Winter“ freu…
und Proteste auf die Straße bringen wollen – seltsamerweise aber nicht
gegen die Energiekonzerne und schon gar nicht gegen Russland.
Die Unanständigkeit der Woche kommt von der AfD: Für ihren Wahlkampf in
Niedersachsen – dort wird am 9. Oktober gewählt – ließ diese Partei ihr
Parteisymbol aus Fruchtgummi herstellen: kleine rote Pfeile. Die sehen aber
aus wie, nun ja, kleine rote Pimmelchen. Das war selbst den AfD-Leuten,
denen ja sonst nichts peinlich ist, unangenehm. Sie zogen die kleinen
Tütchen aus dem Verkehr. War aber klar, denn im Schwanzeinziehen ist die
AfD schon immer ganz groß.
17 Sep 2022
## LINKS
[1] /Mehrere-Staaten-weltweit-betroffen/!5881652
[2] /Scholz-ruft-Putin-an/!5881673
[3] /Queen-Elizabeth-ist-tot/!5880968
[4] /Queen-und-Kolonialismus/!5877963
[5] /Linkspartei-kuendigt-Proteste-an/!5874900
## AUTOREN
Hasnain Kazim
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Queen Elizabeth II.
Wladimir Putin
Olaf Scholz
Kolumne Der rote Faden
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Queen Elizabeth II.
Schwerpunkt Rassismus
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