# taz.de -- Gespräch zwischen Peking und Washington: Xi warnt Biden | |
> Die Staatschefs Chinas und der USA telefonieren mehr als zwei Stunden | |
> miteinander. Beide wollen Spannungen abbauen – und zugleich Stärke | |
> zeigen. | |
Bild: Joe Biden bei einem Videotelefonat mit Xi Jinping im letzten November im … | |
SEOUL taz | Stolze zwei Stunden und 17 Minuten haben die Staatschefs Chinas | |
und der USA am Donnerstagabend miteinander gesprochen. Allein die Dauer des | |
Telefonats zwischen Xi Jinping und Joe Biden ist angesichts der bilateralen | |
Spannungen ein beruhigendes Zeichen. Doch inhaltlich ließ Chinas Parteichef | |
keinen Zweifel daran, dass er sich bei den zentralen Streitthemen keinen | |
Zentimeter bewegt: „Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden nur | |
verbrannt. Wir hoffen, dass die US-Seite dies klar sehen kann“, sagte der | |
69-Jährige im Hinblick auf den [1][potenziellen Taiwan-Besuch von Nancy | |
Pelosi], der das Gespräch dominierte. | |
Die Reise der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, die das | |
drittwichtigste politische Amt der USA bekleidet, wäre der höchstrangige | |
US-Besuch in dem demokratisch regierten Inselstaat seit über einem | |
Vierteljahrhundert. | |
Der Zorn der chinesischen Führung, die Taiwan als „abtrünnige Provinz“ | |
sieht, geht deutlich über das übliche rhetorische Geplänkel hinaus. | |
[2][Pekings Drohungen] waren schon letzte Woche derart bedrohlich, dass | |
selbst das US-Militär Pelosis Reisepläne als „derzeit keine gute Idee“ | |
einstufte. In Chinas Staatsmedien war offen dazu aufgerufen worden, das | |
Flugzeug der US-Demokratin von der Volksbefreiungsarmee „evakuieren“ zu | |
lassen oder gar eine Flugverbotszone um Taiwan zu verhängen. | |
Biden versuchte nun gegenüber Xi zu beschwichtigen: China und Amerika | |
hätten es demnach seit vierzig Jahren bereits geschafft, mit den | |
„Differenzen“ über den Status von Taiwan umzugehen. Man halte auch | |
weiterhin an der „Ein-China-Politik“ fest. Das Außenministerium in Taipeh | |
ließ sich hingegen weniger von Xis „Feuer-Drohung“ einschüchtern und | |
erklärte am Freitag, man wolle die Partnerschaft mit den USA weiter | |
vertiefen. | |
## Biden sprach russischen Krieg in der Ukraine an | |
Beide Staatschefs stehen innenpolitisch unter Druck, Stärke nach außen zu | |
demonstrieren. Das gilt insbesondere für Xi, der im Herbst beim 20. | |
Parteikongress als erster chinesischer Staatschef seit Mao Tsetung seine | |
umstrittene dritte Amtszeit ausrufen will – ausgerechnet, während Chinas | |
Wirtschaft wegen der Null-Covid-Politik und einer sich zuspitzenden | |
Immobilienkrise nahezu stillsteht. | |
Doch gleichzeitig haben Biden und Xi angesichts der zuletzt alarmierenden | |
Spannungen auch starke Anreize, die Eskalationsspirale zurückzudrehen. Laut | |
einer ersten Erklärung des Weißen Hauses sprach der US-Präsident auch den | |
Krieg in der Ukraine an und erhöhte den Druck auf Peking, seinen Einfluss | |
auf Russland für eine Friedenslösung geltend zu machen. | |
Xis unverhohlene Loyalität gegenüber seinem langjährigen Freund Putin ist | |
[3][für den Westen eine bittere Enttäuschung]. Doch auch wenn der Krieg in | |
der Ukraine gegen sämtliche außenpolitische Prinzipien der KP Chinas | |
verstößt, wiegt doch deren strategisches Interesse deutlich stärker. Und | |
das liegt klar bei Russland, das man im systemischen Kampf mit dem Westen | |
langfristig braucht – als [4][Energielieferant], atomfähigen Handelspartner | |
und nicht zuletzt als diplomatischen Freund bei den Vereinten Nationen. | |
Denn in Peking hat sich längst die Überzeugung festgesetzt, dass die USA | |
Chinas wirtschaftlichen Aufstieg an die Weltspitze zu verhindern versuchen. | |
Jede diplomatische Mühe gegenüber Washington ist dann vergebens. Vielmehr | |
setzt die Parteiführung inzwischen vor allem auf eine Sprache von Macht und | |
Einschüchterung. | |
## Peking wertet Bidens Politik als konfrontativ | |
Schon während der Ära Obama haben die bilateralen Beziehungen zu ihrer | |
anhaltenden Talfahrt angesetzt. Doch mit Donald Trumps offen feindlicher | |
Rhetorik und dem zugleich immer selbstbewusster auftretenden Xi ist der | |
wohl entscheidende geopolitische Konflikt des 21. Jahrhunderts immer | |
offener zutage getreten. | |
Biden mag einen bedachteren Tonfall haben, doch setzt er den konfrontativen | |
Kurs fort. Die Liste an Streitthemen wächst weiter an – vom Handelskrieg | |
über Taiwan bis zu Chinas Menschenrechtsverbrechen in der muslimischen | |
Region Xinjiang. Diese soll Biden gegenüber Xi auch angesprochen haben, was | |
von China wie zu erwarten nicht erwähnt wurde. | |
Doch bei aller Kritik sind sich auch die USA bewusst, dass sie bei einigen | |
Bereichen auf die Kooperation mit China angewiesen sind. Der Kampf gegen | |
die globale Klimakrise etwa kann nur gemeinsam mit jenem Land ausgefochten | |
werden, das am meisten CO2 verbraucht, aber auch weltweit am stärksten in | |
erneuerbare Energien investiert. | |
Angesichts der hochkomplexen Beziehungen ist es umso wichtiger, dass die | |
Kommunikation zwischen den zwei Weltmächten erhalten bleibt. Zuletzt trafen | |
sich im Juli die Außenminister Anthony Blinken und Wang Yi in Bali, im | |
Vormonat sprachen Sicherheitsberater Jake Sullivan sowie Chinas | |
Spitzendiplomat Yang Jiechi in Luxemburg. Die Gespräche, heißt es in | |
diplomatischen Kreisen, sollen überraschend konstruktiv gewesen sein. Das | |
Telefonat zwischen Biden und Xi dürfte jetzt hingegen eher unter die | |
Kategorie „Schadensbegrenzung“ fallen. | |
Doch in Washingtoner Denkfabriken wird bereits zaghaft darüber spekuliert, | |
dass die zwei im November endlich auch einmal persönlich zusammenkommen | |
könnten, um ihre Differenzen bei einem gemeinsamen Essen zu klären – | |
entweder am Rande des G-20-Treffens in Bali oder beim Treffen der | |
Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in Bangkok. Für Chinas | |
Staatschef wäre es die erste Auslandsreise überhaupt seit der Pandemie. | |
29 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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