# taz.de -- Geschichte der Identitätspolitik: Es darf nicht geschwiegen werden | |
> Minderheiten bedienen sich seit Jahrzehnten bei den Mitteln der | |
> Identitätspolitik, um ihre Rechte einzufordern. Das muss auch so bleiben. | |
Bild: Millî-Görüş-Demonstration mit Nationalflaggen der Türkei in Frankfurt | |
Themen der Identitätspolitik sind unter anderem: kulturelle Aneignung, | |
Deutungshoheit sowie nicht zuletzt, dass marginalisierte Gruppen endlich | |
für sich selber sprechen. | |
Der Begriff Identitätspolitik hat seinen Ursprung in den USA. Dort begannen | |
bereits in den 1980er Jahren marginalisierte Gruppen eine kollektive | |
Wahrnehmung zu entwickeln, die auf verschiedenen individuellen Identitäten | |
aufbaute. Identitätspolitik war und ist immer ein Mittel der Minderheiten – | |
und es ist wichtig, dies beizubehalten. | |
In Deutschland leben Minderheiten, die in ihren Herkunftsländern zur | |
Mehrheitsgesellschaft gehören. Beispielsweise sunnitische Muslim*innen im | |
Irak oder in der Türkei oder schiitische Muslim*innen im Iran. | |
In einer globalisierten Welt werden Konflikte aus den Herkunftsländern auch | |
nach Deutschland transportiert. Das geschieht auf vielen Wegen. Einer von | |
ihnen ist die Religion. Reaktionäre Bewegungen oder Regime wie | |
Saudi-Arabien, Iran, Türkei, Katar versuchen über Moscheegemeinden und | |
Organisationen politisch Einfluss zu nehmen. Zu nennen wären die | |
[1][türkischen Ditib-Moscheen], Millî Görüş, die saudischen Stiftungen, die | |
blaue Moschee in Hamburg. Auch innerhalb muslimischer Communitys gibt es | |
fundamentalistische, antidemokratische, antisemitische und rassistische | |
Tendenzen. | |
## Doppelte Standards | |
Diese Tatsachen müssen benannt und kritisiert werden. Auch Nichtmuslime | |
dürfen Kritik an diesen Zuständen üben. Es ist nicht islamophob, diese zu | |
kritisieren. Und nicht nur von außen muss diese Kritik kommen, sondern vor | |
allem innerhalb dieser Communitys muss sie geübt werden. | |
Zwei Beispiele: Wie kann es sein, dass die meisten türkisch-muslimischen | |
Communitys zum [2][völkerrechtswidrigen Einmarsch in Rojava] schweigen oder | |
kaum Muslim*innen 2014, als der Völkermord an den Ezîden im Namen des Islam | |
verübt wurde, auf die Straße gingen und sich auch später nicht solidarisch | |
zeigten? | |
Sobald es um rassistische Vorfälle bezogen auf ihre Community in | |
Deutschland geht, ist die Empörung zu recht groß. Es ist schon sehr | |
auffällig, dass der Aufschrei nur dann so groß ist, wenn es um ihre eigene | |
Community geht. Das sind doppelte Standards. Hier ist derselbe Mechanismus | |
am Werk wie bei der [3][Causa Özil]. Man kann einer marginalisierten Gruppe | |
angehören, was aber nicht bedeutet, dass man deswegen nicht für eigene | |
antisemitische, rassistisch und faschistische Positionen kritisiert werden | |
darf. | |
Diese doppelten Standards zerstören die Errungenschaften der | |
Identitätspolitik. Und genau deswegen darf dazu nicht geschwiegen werden. | |
Ezîd*innen, Alevit*innen, Jüd*innen, Christ*innen, Zoroastrier*innen sind | |
im Nahen Osten religiöse Minderheiten. Sie wurden in Genoziden ermordet, | |
vertrieben, gezwungen, zum Islam zu konvertieren. Der Kampf gegen rechts | |
muss auch immer ein Kampf gegen den politischen Islam sein. | |
21 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Ditib-Moscheegemeinden-in-der-Kritik/!5633852 | |
[2] /Konflikt-in-Nordsyrien/!5635821 | |
[3] /Der-Fall-Mesut-Oezil/!5526301 | |
## AUTOREN | |
Ronya Othmann | |
Cemile Sahin | |
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