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# taz.de -- Geplantes Abtreibungsgesetz in Polen: „Unser Körper! Unsere Ents…
> Polnische Frauen sollen gezwungen werden, das Kind ihres Vergewaltigers
> auszutragen. Tausende demonstrieren gegen das totale Abtreibungsverbot.
Bild: Die Demonstrant_innen am Samstag in Warschau
Warschau taz | Die Metallkleiderbügel klimpern leise im Wind. Manche sind
mit blutroter Farbe bekleckst. Auch Monika Marecka hat zwei Bügel zur
Warschauer Frauen-Demo mitgebracht: „Damit haben unser Mütter und
Großmütter abtreiben müssen. Wann hört diese Barbarei endlich auf?“, emp�…
sie sich, schwenkt die Bügel hoch über dem Kopf und skandiert mit Tausenden
jungen Frauen und Männern „Mein Körper, meine Entscheidung“.
Polens Frauen droht ein totales Abtreibungsverbot. Die katholischen
Bischöfe des Landes fordern es, eine Gruppe fanatischer Katholiken brachte
bereits eine Gesetzesinitiative ins Parlament ein, und Polens
Regierungschefin Beata Szydlo bestätigte zunächst: „Wenn es um meine
Meinung geht, so bin ich für diese Initiative.“
Vergewaltigungen, schwerste Missbildungen des Fötus und sogar eine Gefahr
für die Gesundheit der Frau sollen demnächst keine Abtreibung mehr
rechtfertigen. Polnische Frauen sollen gezwungen werden, das Kind ihres
Vergewaltigers auszutragen und es mit dem Ehepartner und den gemeinsamen
Kindern aufzuziehen, oder aber es nach der Geburt zur Adoption freizugeben.
Die Diagnose schwerster Krankheiten oder Missbildungen dürfe künftig keinen
„Mord des ungeborenen Lebens“ mehr nach sich ziehen, argumentieren Bischöfe
und radikale Pro-Life-Anhänger. Auch in der Regierung scheint sich die
Meinung durchzusetzen, dass insbesondere dem „Mord aus eugenischen Gründen“
ein Riegel vorgeschoben werden müsse.
In der Gesetzesinitiative, die die Bürgerinitiative Ordo Iuris eingebracht
hat, ist auch von der „Gefahr für Gesundheit und Leben der Mutter“ die
Rede, allerdings in so verschwommener Weise, dass viel Raum für
Interpretation bleibt. Am Ende, so befürchten viele Polinnen, wird es der
Arzt sein, der darüber entscheidet, ob der Frau eine bleibende Behinderung
zugemutet werden kann oder der gar den Tod der Frau in Kauf nimmt, um das
Leben des Babys zu retten. Der Gesetzesinitiative zufolge verliert eine
Frau in Polen in dem Moment jede Selbstbestimmung, in dem sie schwanger
wird.
## Protest auch auf Facebook
„Die Priester und Bischöfe wollen keinen Sex, keine Ehefrau und keine
Kinder. Sie wollen keine Familie“, ruft eine junge Frau von der Bühne vor
dem Parlament herab. „Das ist ihre Entscheidung. Wir kritisieren das nicht.
Aber – niemand gibt den Bischöfen das Recht, über unseren Bauch zu
bestimmen! Auch nicht Gott.“ Die Masse jubelt und skandiert erneut: „Unser
Körper! Unsere Entscheidung!“
Beata Szydlo zog sich inzwischen von ihrer Unterstützung des totalen
Abtreibungsverbots zurück. Denn Tausende Frauen schilderten als Trolle auf
der Facebook-Seite der Regierungschefin den aktuellen Stand des
Menstruationszyklus, wie die Hormone der Antibabypille bei ihnen wirkten,
dass sie gerne – nach persönlicher Beratung von Szydlo – auf eine andere
Verhütungsmethode umsteigen würden. Manche boten auch an, in
Dreimonatspaketen die gebrauchten Tampons oder Binden an Szydlo zu
schicken, denn sicher würde doch bald eine Menstruationskontrolle
eingeführt.
Seither rudert Szydlo zurück: „Was ich gesagt habe, war nur meine
Privatmeinung. In der Regierung diskutieren wir zurzeit nicht über das
Abtreibungsgesetz.“ Aber die Bischöfe werden nicht lockenlassen. Immerhin
haben sie der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit zum Wahlsieg
verholfen. Es ist also noch eine Rechnung offen.
9 Apr 2016
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
Schwerpunkt Abtreibung
Feminismus
PiS
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Familie
Beata Szydło
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Protest
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