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# taz.de -- Geplante Intel-Fabrik in Magdeburg: Wo die Chips an den Bäumen wac…
> Die Bundesregierung hat gigantische Subventionen organisiert, damit Intel
> in Magdeburg baut. Teils geht das zulasten eines Geldtopfs fürs Klima.
Bild: Bisher ist unklar, ob die Intel-Chips klimafreundlich eingesetzt werden
Es ist eine gigantische Fördersumme: Mit 9,9 Milliarden Euro beschenkt der
deutsche Staat den US-amerikanischen Chiphersteller Intel, damit der eine
[1][Fabrik in Magdeburg] baut. Das sind noch einmal 3 Milliarden Euro mehr
als ursprünglich angedacht. „Die Verständigung mit Intel ist ein großer
Erfolg und eine starke Investition in die Zukunft“, sagte
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Die Investition bedeute eine erhebliche Erweiterung der
Fertigungskapazitäten von Intel in Europa und sei die größte jemals
getätigte Investition eines ausländischen Unternehmens in Deutschland. „Wir
haben jetzt die Chance, ein neues florierendes und hochmodernes
Chip-Ökosystem in Deutschland und Europa zu schaffen“, so Habeck.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fand bei seinem Besuch der
Ministerpräsidentenkonferenz Ost ganz ähnliche Worte: Intel werde „ein
ganzes Ökosystem“ nach Magdeburg bringen.
Vor dem inneren Auge sieht man da kleine Käfer fröhlich durch die
Magdeburger Börde krabbeln, Bienen von Blume zu Blume surren, Rehe durch
gesunde Mischwälder springen. Zur Quelle des zusätzlichen Gelds würde das
jedenfalls passen: Dafür hat Habeck nämlich den sogenannten Klima- und
Transformationsfonds angezapft, ein Sondervermögen des Bunds. Deshalb
vielleicht die blumig-florierende Wortwahl der Bundesregierung.
Aber Intel betreibt eben keine Landschaftspflege, sondern baut
Nanotechnologie. Umweltschützer:innen sind deshalb irritiert. Der
Klima- und Transformationsfonds ist schließlich da, um Deutschland
klimafreundlicher zu machen. Dabei muss es nicht um Käfer gehen, aber doch
um die Abkehr von klimaschädlichen Technologien und den Übergang zur
Klimaneutralität.
## Ohne Chips keine digitale Welt
„Prinzipiell ist die Ansiedlung von Unternehmen in strukturschwachen
Gebieten natürlich immer zu begrüßen“, sagt Kai Niebert der taz. Er ist
Chef des Deutschen Naturschutzrings und Nachhaltigkeitsforscher an der
Universität Zürich in der Schweiz. „Aber jeder Euro kann nur einmal
ausgegeben werden – und da muss man dann prüfen, ob Intel der richtige
Adressat ist.“
Intel ist eines der bekanntesten Unternehmen auf dem Markt für Chips. Ohne
die winzigen Produkte gäbe es keine digitale Welt. Sie erledigen Rechen-
und Steueraufgaben, sie speichern Daten. Unzählige alltägliche Geräte sind
nicht denkbar ohne Chips, Computer oder Smartphones zum Beispiel. Auch
E-Autos zählen dazu. Die Magdeburger Chips können also durchaus auch in
Technologien zum Einsatz kommen, die den Klimaschutz voranbringen. Das
könnte man aber auch über Produkte wie Stahl sagen, denen wohl dennoch
niemand einen Klimapreis verleihen würde.
Umweltschützer Niebert würde sich zumindest wünschen, dass die
Bundesregierung sicherstellt, dass die Intel-Chips klimafreundlich
eingesetzt werden. „Es ist völlig unklar, was für Chips Intel für wen dort
herstellen will“, sagt er. „Der Klima- und Transformationsfonds ist
gegründet worden, um den Weg in die Klimaneutralität zu unterstützen. Nur
wenn Intels Chipfabrik hier einen signifikanten und messbaren Beitrag
liefert, ist eine Finanzierung aus dem Fonds gerechtfertigt.“
Der Fonds hat ohnehin schon viele Aufgaben. Sein Geld stammt vor allem aus
dem europäischen sowie nationalen Emissionshandel. Das heißt: Unternehmen
zahlen für ihren CO2-Ausstoß, etwa wenn sie Strom mit Kohle oder Gas
herstellen, Heizöl und -gas auf den Markt bringen oder Benzin und Diesel
zum Tanken. Die Hoffnung ist, dass sie dadurch stattdessen auf
klimafreundliche Geschäftsmodelle umsatteln. Solange sie das noch nicht
(vollständig) tun, nimmt der Staat mit ihrer Atmosphärenaufheizung
zumindest Geld ein – und das landet im Klima- und Transformationsfonds. Von
dort fließt es zum Beispiel in den ökologischen Heizungsaustausch. Auch die
Förderung von Solaranlagen und Windrädern kommt seit Kurzem aus dem Topf.
## Klimageld blieb bisher auf der Strecke
Dabei hat die Ampel-Regierung mit dem Emissionshandelsgeld eigentlich noch
etwas ganz anderes vor: Sie hatte in ihrem Koalitionsvertrag ein
[2][sogenanntes Klimageld] versprochen. Das würde heißen: Die Einnahmen aus
dem Emissionshandel werden regelmäßig durch die Anzahl der
Bürger:innen geteilt, und jede:r bekommt dieselbe Summe überwiesen. Wer
selbst besonders wenig Emissionen verursacht, bekäme vielleicht sogar
mehr zurück, als er:sie über den eigenen Konsum in den Emissionshandel
eingezahlt hat. Andere würden draufzahlen.
Weil arme Menschen allein schon aus finanziellen Gründen oft zur ersten
Gruppe gehören, würde ein solches Klimageld nicht nur ökologisches
Verhalten belohnen, sondern auch für eine Umverteilung von Reich zu Arm
sorgen. Bisher bleibt das Klimageld aber auf der Strecke. Das hat unter
anderem den Grund, dass der Staat nicht alle Kontodaten vorliegen hat – er
kann also bisher nicht einfach allen Bürger:innen direkt Geld zahlen.
In anderen Ländern gibt es schon ein Klimageld. In der Schweiz etwa wird es
über die Krankenkasse ausgezahlt. Da in Deutschland aber einige Gruppen von
der Versicherungspflicht ausgenommen sind, ließe sich auch darüber nicht
jede:r erreichen. Eine Arbeitsgruppe sucht derzeit nach einer Lösung.
Neben diesem praktischen Problem gibt es aber auch ein finanzielles: Für
viele andere Projekte, die ihr Geld in Zukunft aus dem Klima- und
Transformationsfonds bekommen sollen, bräuchte es eine neue Finanzierung.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) müsste also zum Beispiel im
Bundeshaushalt Platz dafür einräumen. Anders gesagt: Es bräuchte vielleicht
ein ganzes Ökosystem neuer Ökofinanzierung.
24 Jun 2023
## LINKS
[1] /Milliardeninvestition-von-Intel/!5842096
[2] /Nationale-Armutskonferenz-in-Berlin/!5888168
## AUTOREN
Susanne Schwarz
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