| # taz.de -- Gastgeber mit Blood-and-Honour-Tattoo: Urlaub bei einem Neonazi | |
| > Der Gastgeber einer kretischen Ferienwohnung ist ein Neonazi. Doch Airbnb | |
| > nimmt die Anzeige erst von der Plattform, nachdem die taz nachfragt. | |
| Bild: Eigentlich idyllisch: Hafen auf Kreta | |
| Der erste Urlaub seit Beginn der Pandemie sollte ursprünglich ein ruhiger | |
| werden. Auf der griechischen Insel Kreta die Sonne und das Meer genießen. | |
| Das war der Plan, wie Arnold Pregge erzählt. Mit seinem Freund und einem | |
| weiteren Pärchen buchte er über die [1][Internetplattform Airbnb] für eine | |
| Woche eine Wohnung von einer lokalen Firma namens „Guesteasy“. Die Kritik, | |
| dass Airbnbs dazu beitragen, [2][Mietpreise zu erhöhen], kennen sie. Aber | |
| so ist der Urlaub etwas günstiger. | |
| Als sie im Juli nach der erschöpfenden Reise ankommen, begrüßt sie ein | |
| Mann, der nicht nur die Schlüssel für ihre Unterkunft, sondern auch ein | |
| beunruhigendes Tattoo hat. Wegen seines kurzärmligen T-Shirts ist auf dem | |
| Unterarm das Logo von Blood and Honour zu sehen – gut 15 Zentimeter lang. | |
| [3][Blood and Honour ist ein internationales Neonazi-Netzwerk], das der | |
| britische Skinhead-Musiker Ian Stuart in den 80er Jahren gründete. Die | |
| Bezeichnung „Blood and Honour“ bezieht sich vermutlich auf die Inschrift | |
| der HJ-Messer „Blut und Ehre“. Die Verwendung der Parole steht in | |
| Deutschland unter Strafe. Und auch das Netzwerk wurde bereits im Jahr 2000 | |
| verboten. | |
| Verschwunden ist es deshalb aber nicht. NSU-Mitglieder sollen ihm angehört | |
| haben, und [4][Anfang des Jahres wurden elf Neonazis in München angeklagt], | |
| sie wollten das Netzwerk in Deutschland weiterführen. Auch in anderen | |
| Ländern, wie in Ungarn, ist Blood and Honour aktiv, und Teile davon sollen | |
| das [5][Neonazi-Treffen „Tag der Ehre“] organisieren. Andere feiern bis | |
| heute Blood and Honour in [6][Liedern, auch in Griechenland]. Verboten ist | |
| die Organisation dort aber nicht. | |
| Arnold Pregge und seine Begleiter hätten nichts zu dem Tattoo gesagt, | |
| erzählt er. Sie hätten die Wohnung betreten, und der Mann habe ihnen | |
| höflich gezeigt, wo sie was finden. Erst nachdem er ging, hätten sie | |
| darüber gesprochen und sich geärgert, dass sie „keinen Arsch in der Hose | |
| hatten, etwas zu sagen“, schimpft Pregge noch Monate später. Sie wurden | |
| nicht diskriminiert, nicht abgewiesen, wie es in [7][anderen Fällen bei | |
| Airbnb] [8][schon passiert ist]. Aber sie sind eben auch vier weiße | |
| Deutsche. Um andere vor dem offensichtlichen Neonazi zu warnen, will er bei | |
| Airbnb direkt eine Bewertung schreiben. | |
| Aber: Airbnb weist in den Richtlinien darauf hin, Kommentare zu politischen | |
| Ansichten zu vermeiden. Arnold Pregge möchte hingegen vermeiden, gesperrt | |
| zu werden, und fragt daher beim Kund*innenservice, ob er das Neonazi-Tattoo | |
| erwähnen dürfe. | |
| Erst antwortet ihm ein Chat-bot, dann ein Mitarbeiter. Der sagt, Arnold | |
| Pregge dürfe das nicht schreiben. Der Chatverlauf liegt der taz vor. Pregge | |
| ist irritiert und fragt nach: „Airbnb bezeichnet Rechtsradikalismus als | |
| legitime politische Ansicht?“ Der Mitarbeiter bestreitet das. „Wir dulden | |
| natürlich keinen Rechtsradikalismus“, aber wie sich Arnold Pregge verhalten | |
| soll, das weiß er auch nicht. Darum wird Pregge weitergeleitet. Und weiter. | |
| Und noch weiter. Über Wochen hinweg passiert nichts. Dann schreibt ein | |
| Mitarbeiter, er würde ihm per Mail kontaktieren, und schließt den Chat. | |
| ## Professionelle Gastgeber*innen sind keine Seltenheit | |
| Wenn Gäst*innen über Airbnb eine Unterkunft buchen, zahlen sie in der | |
| Regel etwa 14 Prozent der Zwischensumme als Servicegebühren. Die | |
| Zwischensumme umfasst den „Übernachtungspreis zuzüglich Reinigungsgebühren | |
| und Gebühren für zusätzliche Gäste, falls zutreffend, aber ohne | |
| Airbnb-Gebühren und Steuern“, [9][schreibt Airbnb auf seiner Seite]. Die | |
| Servicegebühren fließen dann in „beispielsweise den täglich rund um die Uhr | |
| verfügbaren Kundenservice“, heißt es an anderer Stelle. Doch Arnold Pregge | |
| fühlt sich alles andere als gut beraten. Er zweifelt an der Kompetenz der | |
| Servicemitarbeiter*innen. | |
| Allerdings ist sein Fall sicher nicht alltäglich. Auf [10][dem | |
| Bewertungsportal „Trustpilot“] kommt Airbnb aktuell zwar nur auf 1,4 von 5 | |
| möglichen Sternen. Wer unzufrieden mit Airbnb oder dem Kundenservice ist, | |
| nimmt sich vermutlich die Zeit und lässt dort Frust raus. Aber von Nazis | |
| oder Neonazis berichtet nur eine der tausend Bewertungen, und die ist von | |
| Arnold Pregge. Er schreibt sie fünf Wochen nach der ersten Kontaktaufnahme | |
| im Chat. | |
| Ist Airbnb überhaupt verantwortlich oder doch die Firma Guesteasy, zu der | |
| der Mann mit dem Tattoo gehört? Airbnb ermöglicht es den Gastgeber*innen, | |
| Räume und Wohnungen anzubieten, ursprünglich für kurze Reisen. Auf der | |
| Firmenwebsite wirbt Airbnb dabei vor allem mit privaten Personen, die ihre | |
| eigenen vier Wände bereitstellen. Doch in vielen Fällen stehen dahinter | |
| auch professionelle Firmen. Wie häufig das in Griechenland so ist, das ist | |
| unklar. Airbnb beantwortet das auf Anfrage nicht. | |
| Der Tourismus-Wissenschaftler Czesław Adamiak hat mit einem | |
| [11][Algorithmus Inserate bei Airbnb untersucht.] Er forscht an der | |
| Universität im polnischen Toruń. In seine Analyse gingen 89.000 | |
| Airbnb-Angebote aus Deutschland und 67.000 aus Griechenland. Auf Anfrage | |
| schickte Adamiak seine Ergebnisse an die taz. | |
| Laut ihnen waren im September 2019 in Deutschland 13,7 Prozent aller | |
| Angebote Einzelzimmer und 31,5 Prozent Apartments und Wohnungen, die sich | |
| Anbieter*innen zuordnen ließen, die mehrere Anzeigen hatten. Adamiak | |
| bezeichnet sie als professionelle Gastgeber*innen. In Griechenland waren es | |
| zwar ebenfalls 13,7 Prozent bei Zimmern, aber insgesamt 50,3 Prozent aller | |
| Angebote waren Apartments oder Wohnungen von professionellen | |
| Gastgeber*innen. | |
| Die Daten sind nur ein Anhaltspunkt, da sie nicht aus der Datenbank von | |
| Airbnb stammen, sondern automatisiert von der Website ausgelesen und | |
| verarbeitet wurden. Sie sind wahrscheinlich nicht vollständig. Trotzdem | |
| zeigt sich deutlich, dass professionelle Gastgeber*innen keine | |
| Seltenheit bei Airbnb sind. | |
| ## Lange ist unklar, warum Airbnb nichts tut | |
| Arnold Pregge habe die vermietende Firma Guesteasy direkt nach dem Urlaub | |
| mit dem Tattoo konfrontiert, sagt er – doch die habe widersprüchlich | |
| geantwortet: Erst, es gebe kein Tattoo, und dann, es sei „in process of | |
| removing“, also gerade dabei, entfernt zu werden. „Das passt doch nicht“, | |
| schließt Pregge, „entweder es ist kein Neonazi-Tattoo oder es gibt ein | |
| Tattoo und einen Grund, es zu entfernen.“ Er glaubt nicht, dass bei der | |
| Firma etwas passiert. | |
| Von Airbnb habe er auch keine Antwort per Mail bekommen. Weil er selbst | |
| nicht diskriminiert wurde, sei die Antidiskriminierungsstelle von Airbnb | |
| nicht zuständig, habe diese gesagt und das Gespräch beendet. Seine Frage | |
| sei aber offengeblieben: Darf man bei Airbnb ein Neonazi-Tattoo in der | |
| Bewertung erwähnen? Er schreibt erneut über den Kund*innenservice, doch die | |
| Chats werden sofort geschlossen. Für Arnold Pregge ist völlig | |
| unverständlich, dass Airbnb nichts tut. Auf taz-Anfrage bittet die | |
| Plattform zunächst um Zeit, um den Fall zu prüfen. Wie und was genau | |
| geprüft wird, macht das Unternehmen nicht transparent. | |
| Dabei hatte sich Airbnb selbst auf die Fahne geschrieben, eine „Welt | |
| mitzugestalten, in der sich jeder überall zu Hause fühlen kann“, und setzte | |
| sich auch schon gegen Neonazismus ein. 2017 [12][sperrte die Plattform | |
| mehrere Neonazis]. Eine Reaktion des Unternehmens, nachdem ein Neonazi in | |
| Charlottesville mit einem Auto in eine Demonstration fuhr, eine junge Frau | |
| namens Heather Heyer tötete und Dutzende weitere Menschen verletzte. Im | |
| vergangenen Jahr spendete Airbnb unter anderem an die Black Lives Matter | |
| Foundation, sprach sich damit gegen Rassismus aus und forderte „Allyship“, | |
| also aktive Solidarität von Nichtbetroffenen. | |
| Im Blood-and-Honour-Fall antwortet Airbnb der taz, sie hätten hohe | |
| Antidiskriminierungsstandards. Weil das Inserat nicht mit diesen Standards | |
| übereingestimmt habe, sperrte es Airbnb. „Ansichten und Verhalten, die | |
| gegen diese Regeln verstoßen, haben keinen Platz auf Airbnb – das gilt für | |
| Gastgeber und Gäste auf Airbnb gleichermaßen“, steht in der Stellungnahme. | |
| Guesteasy darf weiter andere Inserate schalten. Ob sich das ändert, | |
| beantwortet Airbnb nicht. | |
| Aber der Konzern entschuldigt sich bei Arnold Pregge für den schlechten | |
| Kundenservice, der nicht den Standards entsprochen habe, und stellt ihm | |
| einen Gutschein von 200 Euro aus. | |
| Seine Bewertung habe den Richtlinien nicht widersprochen. Airbnb empfehle | |
| zwar, die politischen Ansichten der Mitglieder nicht zu erwähnen, aber in | |
| diesem Fall habe es „relevant das Urlaubserlebnis der Reisenden | |
| beeinflusst“. Blood-and-Honour-Tattoos dürfen also in Bewertungen bei | |
| Airbnb erwähnt werden. | |
| Die Rezensionsrichtlinien stünden in keinem Konflikt mit den | |
| Antidiskriminierungsrichtlinien. Sollten Gäst*innen bei Airbnb | |
| diskriminiert werden, könnten sie sich rund um die Uhr beim Hilfezentrum | |
| oder bei Twitter an Airbnb wenden. Fraglich bleibt aber, wie der Fall | |
| ausgegangen wäre, wenn die taz nicht nachgefragt hätte. | |
| Arnold Pregge heißt anders, aber zu seinem persönlichen Schutz hat die taz | |
| seinen Namen geändert. Der echte Name ist der Zeitung bekannt. | |
| 7 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Airbnb/!t5010117 | |
| [2] /Schaerferes-Zweckentfremdungsverbot/!5747309 | |
| [3] /Rechtsextremes-Neonazi-Netzwerk/!5555699 | |
| [4] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-blood-honour-rechtsextremismu… | |
| [5] /Rechter-Tag-der-Ehre-in-Ungarn/!5662587 | |
| [6] https://www.discogs.com/de/search/?q=Blood+%26+Honour&country_exact=Gre… | |
| [7] https://www.washingtonpost.com/nation/2019/06/03/airbnb-racism-host-monkey-… | |
| [8] https://edition.cnn.com/2017/07/14/us/airbnb-host-fine-asian-comment/index.… | |
| [9] https://www.airbnb.de/help/article/1857/was-sind-die-airbnbservicegeb%C3%BC… | |
| [10] https://de.trustpilot.com/review/www.airbnb.de | |
| [11] https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/13683500.2019.1696758 | |
| [12] https://www.zeit.de/digital/internet/2017-08/airbnb-charlottesville-rassis… | |
| ## AUTOREN | |
| David Muschenich | |
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