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# taz.de -- G20-Demos in Hamburg: Schwarze Kleidung = kriminell
> Der Rondenbarg-Prozess gegen G20-Gegner*innen endet mit Geldstrafen.
> Dabei wird den Verurteilten vor allen ihr Outfit am Demo-Tag zum
> Verhängnis.
Bild: Zu Geldstrafen verurteilt: Angeklagte im Rondenbarg-Prozess (Archivbild)
HAMBURG taz | Kann man Demonstrant*innen dafür bestrafen, dass sie
dabei waren, als andere Demonstrant*innen Steine warfen? Nein, sagte das
Bundesverfassungsgericht [1][im Brokdorf-Urteil] 1985 – das schränke die
Versammlungsfreiheit zu sehr ein. Doch, urteilte am Dienstag das Hamburger
Landgericht. Teilnehmer*innen der G20-Proteste hätten [2][am 7. Juli
2017 in der Straße Rondenbarg] an einem gemeinschaftlichen
Bedrohungsszenario mitgewirkt.
Die Richterin verurteilte die Angeklagten zu jeweils 90 Tagessätzen. Sie
seien des Landfriedensbruchs schuldig sowie der Beihilfe zu versuchter
gefährlicher Körperverletzung, zu tätlichem Angriff, Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung.
Das Geschehen liegt sieben Jahre zurück: Während in Hamburg die
G20-Staatschef*innen tagten, waren überwiegend schwarz gekleidete
Gipfelgegner*innen frühmorgens vom Protestcamp Richtung Innenstadt
gelaufen. In der Straße Rondenbarg wurde der Protestzug von zwei
Polizeieinheiten umzingelt und brutal zerschlagen.
14 Steine und 4 Böller wurden aus der Demo Richtung Polizei geworfen,
trafen jedoch nicht. 85 Demonstrant*innen wurden festgenommen,
zahlreiche verletzt – 14 so schwer, dass sie teils mit offenen Brüchen ins
Krankenhaus kamen.
## Staatsanwaltschaft forderte Haftstrafen
Zwei der Festgenommenen mussten sich seit Januar vor dem Landgericht
verantworten. Ursprünglich waren sechs Personen angeklagt worden. Zwei von
ihnen nahmen einen Deal mit der Staatsanwaltschaft an, bei zwei anderen
wurde das Verfahren aus persönlichen Gründen abgetrennt. Der 29-jährige
Nils Jansen und die 35-jährige Gabi Müller (Name geändert) lehnten den Deal
aus politischen Gründen ab.
Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich Haftstrafen gefordert, obwohl sie
den Angeklagten [3][keine eigenen Taten vorwarf.] Aber durch ihre schwarze
Kleidung und das geschlossene Auftreten hätten sie Straftäter*innen
ermöglicht, in der Masse unterzutauchen und diese in ihrem Handeln bestärkt
– daher seien sie ebenfalls als Täter*innen zu verurteilen.
Im Vergleich sind die Taten indes „Peanuts“, sagte selbst die Richterin in
der Urteilsverkündung. Drei Bauzäune und Müllcontainer waren auf die
Fahrbahn gezerrt worden, ohne einen Stau zu verursachen. Im hinteren
Bereich der Demo wurden Gehwegplatten zertrümmert, zudem wurde der
Plastikfahrplanhalter einer Bushaltestelle beschädigt und eine „No
G20“-Parole gesprayt. Auch die Staatsanwaltschaft sah das ein und plädierte
letztlich auf 150 Tagessätze.
## Verteidiger: Versammlung kein Schönheitswettbewerb
Es war in 24 Verhandlungstagen unter anderem darum gegangen, ob der
Protestzug ein versammlungsrechtlich geschützter Teil einer
„Fünf-Finger-Protesttaktik“ gewesen sei.
Nach Ansicht der Verteidigung sowie eines Sachverständigen habe [4][der
schwarze Finger am Rondenbarg] genauso dazu gehört wie der rote, grüne und
lilafarbene Finger, die zur gleichen Zeit an anderen Orten gestartet waren.
Demnach habe für die Angeklagten der Aktionskonsens gegolten, in dem sich
Protestierende darauf geeinigt hatten, keine Gewalt anzuzetteln.
Die Richterin sah das anders: Der schwarze Finger sei eine ganz andere
Nummer gewesen als die andersfarbigen Finger mit quietschbunten
Accessoires. Die Kleidung der Angeklagten, insbesondere die Vermummung und
die schwarzen Schuhe mit weißer Sohle von Deichmann, die viele
Teilnehmer*innen getragen hätten, beweise, dass die beiden sehr genau
gewusst hätten, worauf sie sich einließen.
„Jeder weiß, dass ein schwarz gekleideter Aufzug nichts Gutes bedeutet“,
sagte die Richterin. Das Ziel sei Krawall gewesen. Entscheidend sei zudem,
dass der schwarze Finger Passant*innen in Angst versetzt habe.
„Man wird immer jemanden finden, der sich von einer Versammlung
eingeschüchtert fühlt“, kritisierte der Verteidiger Sven Richwin. Das
Grundgesetz frage aber beim Schutz von Versammlungen nicht nach dem
ästhetischen Ausdruck. „Eine Versammlung ist kein Schönheitswettbewerb“, …
Richwin. Das Urteil auf die Angst von Personen zu stützen, entziehe sich
der Rationalität.
Der Verurteilte Nils Jansen kritisierte den Schuldspruch als Angriff auf
die Versammlungsfreiheit. Ob er und Müller in Revision gehen, wollen sie
jetzt prüfen.
3 Sep 2024
## LINKS
[1] /Polizeikritiker-aus-den-eigenen-Reihen/!5741412
[2] /Prozess-gegen-Linke-in-Hamburg/!5986530
[3] /Angeklagte-ueber-G20-Prozess/!5983116
[4] /G20-Prozess-in-Hamburg/!6027169
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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