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# taz.de -- Demonstrationen am Wahlsonntag: Antifaschistische Flutschfinger
> In Erfurt und Dresden demonstrieren Hunderte Menschen gegen die AfD. Sie
> wollen sich einander Mut machen, Ernüchterung ist spürbar.
Bild: Demnonstrant:innen in Erfurt am Sonntagabend
Erfurt/Dresden taz | Die Sonne scheint an diesem Sonntag auf den
Theaterplatz in Dresden. Eine Bühne ist aufgebaut, daneben ein großer
Bildschirm und Musik kommt aus den Boxen der Bühne. Eine Frau steht alleine
vor der Bühne und tanzt. Hier könnte ein sommerliches Public Viewing für
ein Fußballspiel stattfinden. Und ein Public Viewing ist es wirklich – nur
keines für den Sport, sondern für die „Qualergebnisse dieser
Landtagswahlen“, wie die Initiative „Herz statt Hetze“ es formuliert.
Zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen hat das Bündnis
hierher eingeladen. „Wir möchten einen Raum für Gemeinschaft und
Zusammenhalt bieten, damit niemand das alleine erleben muss“, sagt Tristian
Runge, Mitinitiator der Initiative „Taktisch Wählen“.
Rund 1.000 Menschen erwartet die Polizei am Nachmittag in Dresden, sagt ein
Sprecher der taz vor der Veranstaltung. Bis 19:30 Uhr werden es lange nicht
so viele sein.
Auch in Erfurt versammeln sich am Nachmittag einige Hundert Leute zu einer
Demo, organisiert vom Bündnis „Auf die Plätze“. Rund 550
Teilnehmer*innen zählt die Polizei vor dem Thüringer Landtag. Am frühen
Abend werden sie weiter ziehen, in der Erfurter Innenstadt gerät zeitweise
der Nahverkehr durcheinander.
## Solidaritätsappelle in Dresden
In Dresden füllt sich der Theaterplatz am Nachmittag nur langsam. Ein paar
Neugierige nähern sich der Bühne. Als erste spricht Rita Kunert von „Herz
statt Hetze“. Sie erinnert daran, dass heute vor 85 Jahren Deutschland das
benachbarte Polen überfallen hat. Heute stünden wir an einem Punkt, an dem
eine rechtsextreme Partei das Gleiche predigt, was damals gepredigt wurde.
„Wir müssen aufeinander aufpassen in den nächsten fünf Jahren. Solidarität
ist das Wichtigste“, sagt sie mit brüchiger Stimme.
Als die ersten Wahlergebnisse über den Bildschirm laufen, ist die Stimmung
angespannt. Ein Sprecher von „Herz gegen Hetze“ spricht noch eine
Triggerwarnung aus: Die ersten Zahlen könnten die schlimmsten sein, denn
erst würden kleinere Orte ausgezählt, in denen die AfD stärker ist. Die
größeren Städte kommen erst später.
Als das vorläufige Ergebnis der Linken auf dem Bildschirm erscheint,
schütteln viele enttäuscht die Köpfe – [1][die Linke landet bei unter fünf
Prozent]. „Es war abzusehen, dass es so kommt, aber ich bin trotzdem
erschüttert“, sagt eine Frau. Etwas Erleichterung zieht auf, als der Balken
der Grünen bei 5,5 Prozent stehen bleibt. Die Menschen auf dem Platz
klatschen. Auch die Nachricht, dass die AfD in Sachsen wahrscheinlich nicht
stärkste Kraft wird, ruft verhaltenes Klatschen hervor.
Einige Menschen haben sich Decken zum Sitzen und ein kleines Picknick
mitgebracht. Die Altersgruppen sind durchgemischt, viele ältere Menschen
sind da, aber auch Eltern mit kleinen Kindern und Jugendliche, die „Kein
Mensch ist illegal“-Banner halten. Manche wippen zum Takt und lachen. Die
Stimmung wirkt vorsichtig ausgelassen, aber die Bedrückung ist doch
spürbar. „Ich wollte das Ergebnis heute lieber unter Gleichgesinnten
sehen“, sagt ein Mann der taz.
## Antifaschistisches Eis in Erfurt
Hinter dem Thüringer Landtag steht ein etwa drei Meter großer
Papp-Flutschfinger. Darauf steht in Großbuchstaben „Nein zu Nazis“. Den
Eis-Aufsteller, der zugleich einen erhobenen Zeigefinger darstellt, hat die
Kampagnenorganisation [2][Campact] mitgebracht. Die Organisation hat zu
einer Demo aufgerufen und verteilt am Sonntagnachmittag kostenloses
„antifaschistisches Eis“. Auch das antifaschistische Bündnis Auf die
Plätze, zu dem unter anderem die [3][Omas gegen Rechts] gehören,
veranstaltet hier, direkt neben dem von Metallgittern und
Polizist*innen umzingelten Landtag, eine Demo. Die beiden Vereine
teilen sich ein kleines Podest als Bühne.
Am Nachmittag sammeln sich nach und nach Menschen auf der Straße hinter dem
Landtag und der angrenzenden Wiese. Einige haben pink-grünen
AfD-Verbotsschildern dabei. Auf einem Banner steht: „faschistische
Allianzen verhindern.“
Lara Eckstein ist Campaignerin bei Campact. Am Sonntagnachmittag sagt sie
der taz, dass es eine mediale Fokussierung auf Höcke gebe: „Und so
schrecklich die Ergebnisse heute Abend sein werden, so wichtig ist es, zu
zeigen, dass es hier in Thüringen und auch in Sachsen eine demokratische
Mehrheit gibt.“ Eckstein sagt, heute am Landtag zu demonstrieren, sei für
sie wichtig: „Das ist ein aufgeladener Ort, wenn wir an den
‚Kemmerich-Moment‘ zurückdenken.“ Nach der Wahl 2019 war Thomas Kemmerich
(FDP) mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsident gewählt worden.
## Aktive Omas gegen Rechts
Unter den Demonstrierenden sind mehrere Omas gegen Rechts. Roswitha Montag
ist eine von ihnen. Montag erzählt der taz, dass sie gemeinsam mit anderen
Omas und Opas in den vergangenen Wochen auf zahlreichen Demos gewesen sei:
„Gemeinschaft gibt Stärke, Austausch und Zusammenhalt“, sagt sie. Es sei
wichtig, heute etwas dagegenzuhalten. „Wir hoffen bis zur letzten Minute,
[4][dass Höcke es nicht schafft]. Aber so oder so: Wir geben nicht auf!“,
so Montag. „Es macht mir Hoffnung, dass sich viele andere auch gegen rechts
stellen.“
Richard Gleitsmann engagiert sich beim Verein Erfurt Pride e.V., der unter
anderem den CSD organisiert. Er hat Angst, dass, wenn die AfD eine
Sperrminorität erreiche, sie die Arbeit der Regierung behindern würde: „Wir
sind als CSD auf die Fördermittel angewiesen. Je mehr Macht die AfD hat,
desto schwieriger wird es für uns“, sagt Gleitsmann.
Kurz nach 18 Uhr steigt Lara Eckstein auf das Podest. Sie liest die ersten
Prognosen der Wahl in Thüringen vor: „Die AfD ist nach jetzigen Zahlen die
stärkste Kraft in Thüringen.“ Ein Buhen geht durch das Publikum. „Es ist
[5][richtig, richtig scheiße]“, ruft Eckstein. „Aber es ist möglich, eine
demokratische Koalition gegen die AfD zu bilden.“ Eckstein liest die
Ergebnisse der übrigen Parteien vor. Im Anschluss ruft die Menge: „Alle
zusammen gegen den Faschismus. Alle zusammen gegen den Faschismus.“
Jan Walther engagiert sich bei Auf die Plätze und hat die Demonstration des
Bündnisses mitorganisiert. Er betont, wie wichtig es sei, mit den
Wahlergebnissen nicht allein zu Hause zu sein: „Wir haben in den
vergangenen Wochen mit vielen Menschen gesprochen, die besonders unter der
Politik der AfD leiden würden. Es ist wichtig, besonders heute Solidarität
mit diesem Menschen zu sein“, sagt Walther.
## Neue Demos angekündigt
In den nächsten Wochen wolle Walther gemeinsam mit dem Bündnis beobachten,
was passiere: „Wenn die demokratischen Parteien mit der AfD kooperieren
sollte, dann werden wir wieder auf die Straße gehen“, sagt Walther.
Die Abendsonne scheint auf den Asphalt hinter dem Landtag: Auf der kleinen
Bühne steht eine junge Frau: „Wehrt euch, leistet Widerstand, gegen den
Faschismus hier im Land. Auf die Barrikaden, auf die Barrikaden“, stimmt
sie an. Einige im Publikum steigen ein. Gegen 19 Uhr beginnt eine weitere
Demo. Die meisten Demonstrierenden erheben sich nach und nach von der
Wiese, schließen sich dem Umzug durch die Stadt an.
1 Sep 2024
## LINKS
[1] /Linkspartei-in-Sachsen-am-Abgrund/!6033598
[2] /Kontroverse-im-saechsischen-Wahlkampf/!6030147
[3] /Der-Hausbesuch/!6018554
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[5] /Landtagswahlen/!6033444
## AUTOREN
Marie Sophie Hübner
Louise Ringel
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