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# taz.de -- Urteil im G20-Rondenbarg-Prozess: Tiefschlag der Hamburger Justiz
> Im Rondenbarg-Prozess wurden zwei G20-Gegner*innen zu Unrecht verurteilt.
> Grundprinzipien des Rechtsstaats galten für sie nicht.
Bild: Alle kriminell? Wenn eine*r eine Straftat begeht, könnte es so sein
Angst ist kein rationales Gefühl. Das räumte die Richterin im
G20-Rondenbarg-Prozess bei der [1][Verkündung des Urteils] ein. Trotzdem
sei die Angst der Passanten ausschlaggebend für das Urteil gewesen: 90
Tagessätze verhängte sie für das martialische Auftreten am Rondenbarg. Was
war geschehen?
Nicht viel, auch das räumte die Richterin ein. Die Gruppe von 200
überwiegend dunkel gekleideten Demonstrant*innen war während des
G20-Gipfels 2017 in Hamburg festgenommen worden, wobei sie zum Teil
krankenhausreif geprügelt wurde. Alle, derer die Polizei habhaft werden
konnte, wurden angeklagt – 85 Personen. Zwei von ihnen wurden am Dienstag
für Landfriedensbruch und Beihilfe zu versuchter gefährlicher
Körperverletzung, tätlichem Angriff, Widerstand und Sachbeschädigung
verurteilt.
Auf dem kurzen Weg vom Protestcamp zum Ort der Festnahme in der Straße
Rondenbarg hatten Demoteilnehmer*innen zwei Müllcontainer und drei
Bauzaunelemente auf die Straße gezerrt. Im hinteren Bereich der Demo
zertrümmerten Teilnehmer*innen Gehwegplatten, jemand sprayte „No G20“
an die Wand.
Als zwei Polizeieinheiten die Demo von vorne und hinten angriffen,
schmissen Teilnehmer*innen 14 Steine und vier Böller Richtung Polizei,
trafen jedoch nicht. Das Gericht rechnet all diese Taten den beiden
Verurteilten nicht direkt zu. Bestrafen tat es sie dafür trotzdem. Durch
ihre dunkle Kleidung und das geschlossene Auftreten hätten sie
Gewalttäter*innen ermöglicht, in der Gruppe unterzutauchen. „Diese
[2][nach außen getragene Militanz] und die Förderung von Gewalttaten, das
ist es, was wir hier bestrafen“, sagte die Richterin.
## Eventuell war die Angst übertrieben
Drei Lkw-Fahrer und Mitarbeiter einer Autofirma hatten ausgesagt, ihnen sei
beim Anblick des schwarzen Blocks angst und bange geworden. „Hier ist
gleich Krieg“, schilderte ein Zeuge seine Gedanken. „Mag sein, dass die
Angst etwas übertrieben war“, räumte die Richterin ein. Aber es sei eben
kein rationales Gefühl.
Eine Verurteilung auf ein irrationales Gefühl einiger Passanten zu gründen
ist verantwortungslos. Die Richterin hat damit nicht nur dem
Brokdorf-Beschluss von 1985 widersprochen, der besagt, dass die
Versammlungsfreiheit derjenigen zu schützen ist, die nicht eigenhändig
Steine schmeißen. Das Urteil hat auch Folgen für alle weiteren
Rondenbarg-Angeklagten. Gegen 17 weitere Beklagte wurden kürzlich die
Verfahren eröffnet. Über ihnen schwebt jetzt eine Drohkulisse, die es
wahrscheinlicher machen wird, dass sie sich auf Deals mit der
Staatsanwaltschaft einlassen, anstatt Gerechtigkeit zu erwarten.
In diesem Prozess wurde Unrecht gesprochen. Der Grundsatz, dass
Tathandlungen den Schuldigen direkt und zweifelsfrei nachgewiesen werden
müssen, galt nicht. Alles was zweifelsfrei nachgewiesen wurde, ist, dass
die Verurteilten vor Ort waren und schwarze Kleidung trugen. Sie dafür zu
bestrafen, dass das Passanten ängstigte, die wahrscheinlich nie
Berührungspunkte [3][mit autonomen Demos] hatten, ist nicht haltbar.
„Der G20-Gipfel und die Proteste haben tiefe Wunden in der Stadt
hinterlassen“, sagte die Richterin. Die Geschehnisse am Rondenbarg zählte
sie nicht dazu. Doch das stimmt so nicht: Die juristische Aufarbeitung von
G20 reißt sehr wohl Wunden in die Gesellschaft. Olaf Scholz hatte harte
Strafen für die G20-Gegner*innen gefordert. Die Justiz lieferte. Aus über
100 Anklagen wegen Polizeigewalt folgte kein einziger Prozess gegen
Polizist*innen. Stattdessen werden die verurteilt, die von der Polizei
verprügelt wurden. Rondenbarg und viele andere G20-Prozesse gehen als
Tiefschlag der Justiz in die Geschichte der Stadt ein.
5 Sep 2024
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## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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