# taz.de -- Fußball in der Ukraine: Im Stadion während des Kriegs | |
> Männer dürfen die Ukraine nicht verlassen – auch die Fußballer nicht. | |
> Also trainieren sie zu Hause und die Fans schauen zu. | |
Bild: Auch die Kleinen spielen schon wieder: Fußballtraining im zerstörten Ir… | |
In der Ukraine laufen in diesem Sommer Vorbereitungen, Fußball notfalls | |
auch im Bombenhagel zu spielen. So wurde beschlossen, am 24. August, dem | |
Unabhängigkeitstag, wieder mit Spielen der ersten Liga zu starten, die dann | |
faktisch unter Raketenangriffen stattfinden werden. | |
Eine Zeit lang wollten die Klubs einen Teil der Spiele im Ausland | |
austragen, doch dann mischte sich Präsident Wolodimir Selenski ein: Er | |
deutete an, dass sich auch die Fußballspieler, wie die Mehrheit [1][aller | |
Männer im wehrfähigen Alter], für eine Mobilmachung bereithalten müssten. | |
Deshalb dürften sie das Land in Kriegszeiten nicht verlassen. „Für alle | |
gelten die gleichen Bedingungen. Wenn ihr Fußball wollt, dann spielt zu | |
Hause“, hatte Selenski gesagt. | |
Ich habe während des Krieges diese Situation mit dem Fußball immer als | |
etwas Künstliches empfunden. In den ersten Monaten nach dem 24. Februar | |
konnte ich mir nicht einmal 20 Minuten lang ein Spiel anschauen. Mit meinen | |
Freunden traf ich mich erst im Mai – drei Monate nach Kriegsbeginn. Bis | |
dahin waren wir nicht einmal in der Lage, einen Ball anzugucken. | |
Denn wie ist es möglich, während des Krieges Profifußball zu spielen? Mit | |
welchem Ziel? Nur um Geld für Klubs zu verdienen, die dann bei europäischen | |
Wettbewerben antreten? Um sich von den Problemen abzulenken und etwas | |
auszuspannen? Daran zu glauben fällt schwer. | |
## Geld sammeln für die Armee | |
Hier im Westen der Ukraine schlagen nicht jeden Tag Raketen ein, aber | |
ständig werden Soldaten beerdigt, die an der Front getötet wurden. | |
In Luzk sind viele Kontrollpunkte abgebaut, aber die Grenze zu Belarus mit | |
seinem verrückten Staatspräsidenten Alexander Lukaschenko ist nur 150 | |
Kilometer entfernt. Luftalarm wegen russischer [2][Raketen vom Schwarzen | |
Meer] oder wegen Flugzeugen aus Belarus gehören deshalb zum Alltag. | |
Dennoch bin ich jetzt wieder bei Fußballspielen in meiner Heimatstadt Luzk. | |
Ich kommentiere Partien der „Veteranen“ auf YouTube – dort wird [3][Geld | |
für die Armee] gesammelt. Am 24. Juli 2022 berichtete ich über das „Spiel | |
für eine Million Griwna“, wie es bei uns genannt wird. Lokale | |
Helfer*innen sammeln 25.000 Euro, um dafür Drohnen zu kaufen – mit | |
Wärmebildkameras und großer Reichweite. Sie hatten sich mit erfahrenen | |
Fußballstars auf ein Benefizspiel geeinigt. | |
Die Organisatoren hatten gewarnt: Sollte es Luftalarm geben, müssten alle | |
sofort in den Luftschutzkeller 300 Meter von dem Stadion entfernt. Zu dem | |
Freundschaftsspiel kamen Tausende Menschen. Vor der Tribüne warfen die | |
Leute Geld in einen durchsichtigen Kasten – der eine ein paar Griwna, der | |
andere mehrere Hundert Griwna. Alles zählte. Die Freiwillige, mit der ich | |
das Spiel kommentierte, war zufrieden. So ein Fußball gefällt mir. | |
Aus dem Russischen Barbara Oertel | |
Finanziert wird das Projekt von der [4][taz Panter Stiftung]. Einen | |
Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA im | |
September heraus. | |
20 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Rekrutierung-im-Ukraine-Krieg/!5870098 | |
[2] /Explosionen-am-Schwarzen-Meer/!5873924 | |
[3] /Kriegsverbrechen-in-der-Ukraine/!5856892 | |
[4] /!p4550/ | |
## AUTOREN | |
Juri Konkewitsch | |
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