| # taz.de -- Frauenfußball in der Ukraine: Zurück auf dem Rasen | |
| > Der Krieg hat viele ukrainische Fußballerinnen in die Flucht getrieben. | |
| > Ein Team aus Mariupol spielt nun in Kyjiw. | |
| Bild: Zurück auf dem Platz: Julia Stez aus Cherson spielt jetzt in Wladimir | |
| Luzk taz | Julia geht hoch. Sie köpft den Ball ins Tor. Dann sitzt sie | |
| lange auf dem Rasen und bedeckt das Gesicht mit ihren Händen. In diesem | |
| Moment erinnert sie sich daran, wie schwer es war, nach dem Leben unter | |
| Besatzung in den großen Fußball zurückzukehren. Und daran, wie lange es | |
| gedauert hat. | |
| Julia Stez ist seit 20 Jahren Fußballerin. Im vergangenen Frühjahr hat sie | |
| ihre Heimatstadt Cherson verlassen, um nicht unter russischer Besatzung | |
| leben zu müssen. Der Krieg brachte sie nach Wladimir im Westen der Ukraine | |
| – zehn Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt. Während ihrer Karriere | |
| spielte die 31-Jährige bei Vereinen in der Ukraine, Belarus und Armenien, | |
| sogar in der Champions League ist sie aufgelaufen. Kurz vor Kriegsausbruch | |
| war Julia nach Cherson zurückgekehrt, sie dachte darüber nach, den | |
| Profifußball zu verlassen. | |
| „In den ersten Kriegswochen haben wir lange in Kellern verbracht und | |
| versucht, uns nicht weit von ihnen zu entfernen. Wir haben in | |
| Winterkleidung geschlafen, in Stiefeln “, erzählt sie. Dann begann die Zeit | |
| der ruswsischen Besetzung. Eine der besten Fußballerinnen der Ukraine | |
| begann in einer kleinen Bäckerei zu arbeiten. Sie backte das Brot, das ihr | |
| Vater dann ausgeliefert hat. Explosionen aus umkämpten Orten unweit von | |
| Cherson waren bis zu ihrem Haus zu hören. Zudem hatten die russischen | |
| Besatzer ihre Grad-Raketen in der Nähe von Wohnhäusern aufgestellt. | |
| Julia und ihre Familie hatten sich mit der Zeit an den Kriegslärm gewöhnt | |
| und wagten es auch, in die Stadt zu gehen. Und doch sei das Leben | |
| unerträglich. gewesen. Julia Stez wollte weg. „Die ersten drei Versuche, | |
| Cherson zu verlassen, sind gescheitert. Im April hatten wir Glück. Als wir | |
| ukrainische Soldaten sahen, haben wir vor Freude geweint. Ich war mit | |
| meinen Eltern unterwegs, meiner jüngeren Schwester, meiner Tante und einem | |
| Freund, der eins der Autos fuhr“, erzählt sie. | |
| ## Rückkehr für den Fußball | |
| Julia ist zunächst zum Arbeiten nach Polen gegangen. Doch dort wurde ihr | |
| klar, dass sie ohne Fußball nicht leben kann. Sie sehnte sich danach, | |
| zurück in die Ukraine zu gehen und wieder Fußball zu spielen. In Wladimir | |
| klappte es. Dort gibt es einen Erstligaklub. „Schwierig wird es, wenn es | |
| während eines Spiels Luftalarm gibt. [1][Das Spiel wird abgebrochen, wir | |
| gehen in Deckung.] Es kommt vor, dass der Alarm mehrere Stunden anhält. | |
| Einmal mussten wir das Spiel im Dunkeln beenden, wir konnten den Ball kaum | |
| sehen. Aber alle Ukrainer*innen bringen Opfer, unsere Unannehmlichkeiten | |
| sind minimal“, sagt die Fußballerin. Am liebsten würde sie in ihre | |
| Heimatstadt Cherson zurückkehren, aber das ist immer noch gefährlich. | |
| In der höchten ukrainischen Frauenliga spielt die Mannschaft aus Mariupol | |
| um die Meisterschaft. Seit vier Jahren muss das Team ohne Sponsoren | |
| zurechtkommen. Die Spielerinnen haben den Klub vor dem Bankrott bewahrt, | |
| indem sie angefangen haben, in der trainingsfreien Zeit Teigwaren und | |
| Pfannkuchen herzustellen und zu verkaufen. Das Business hat Jana Winokurowa | |
| organisiert, eine der Fußballerinnen aus dem Klub. Zusammen mit ihrer | |
| Freundin Karina Kulakowskaja, der Trainerin, stellte sie ein Team zusammen. | |
| Ein Trainingsplan wurde aufgestellt. Jana Winokurowa finanzierte alle | |
| Ausgaben – sie hat unter anderem ein Café in der Stadt betrieben. | |
| Die meisten Spieler*innen erhielten keine Gehälter. Auch wenn sie in der | |
| höchsten Liga gespielt haben, waren sie keine Profis und mussten Sport und | |
| Arbeit miteinander verbinden. Eine arbeitete bei der Polizei, eine andere | |
| für Azovstal, jemand unterrichtete Sport in der Schule, einige hatten | |
| Teilzeitjobs in Winokurowas Café, das auch noch eine Konditorei eröffnete. | |
| Jana Winokurowa war alles in einer Person: Unternehmerin, Klubmanagerin und | |
| Spielerin. Dann kam der Krieg über die Ukraine. | |
| ## Flucht aus Mariupol | |
| 2022 verbrachten die Fußballerinnen des FK Mariupol [2][21 Tage unter | |
| Beschuss in der bereits von Russen eingeschlossenen Stadt]. Sieben | |
| Spieler*innen versammelten sich im Haus von Winokurowa. Die Mädchen | |
| kochten Essen auf offenem Feuer und versteckten sich während des Beschusses | |
| im Keller. Drei Wochen lang gingen sie immer wieder das Risiko ein und | |
| versuchten, mit Autos der Belagerung zu entkommen Am Ende hat es 29 Stunden | |
| gedauert, nach Saporischschja zu kommen. | |
| Die Flucht ging weiter. Einige Zeit lebte die Mannschaft in Bulgarien. Dort | |
| kochten und verkauften die Frauen, was sie am besten kannten – Knödel, | |
| Pfannkuchen, Pasteten und Schaschlik. Das Geschäft lief gut, aber als die | |
| Wiederaufnahme des Fußballbetriebs in der Ukraine angekündigt wurde, | |
| kehrten die Frauen in die Ukraine zurück – nach Kyjiw. Da lebt der FK | |
| Mariupol in einem gemieteten Haus – und spielt wieder in der höchsten | |
| Frauenliga. Auf Platz acht ist das Team im Dezember in die Winterpause | |
| gegangen. | |
| Die Fußballer*innen haben immer noch keine Sponsoren und müssen sich | |
| selbst finanzieren. Vormittags trainieren sie, nachmittags arbeiten sie in | |
| einer Konditorei. Das Business ermöglicht es ihnen, das von Russland | |
| besetzte Mariupol bei Fußballwettbewerben in der Ukraine zu vertreten. Alle | |
| träumen davon, nach Hause zurückzukehren. | |
| Aus dem Russischen: Barbara Oertel | |
| 1 Feb 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Juri Konkewitsch | |
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