# taz.de -- Fußball-Kontinentalturnier in Kamerun: Cup der großen Sorgen | |
> In Kamerun startet der Afrika-Cup. Schon vor Beginn des Turniers gibt es | |
> Probleme – der Bürgerkrieg im Gastgeberland ist nur eines davon. | |
Bild: Einer der großen Stars des Turniers: Mohamed Salah ist Ägyptens Hoffnun… | |
Mo Salah und Sadio Mané mussten sich ein bisschen beeilen am vergangenen | |
Wochenende. Nachdem die beiden afrikanischen Nationalspieler des FC | |
Liverpool den „Reds“ mit ihren Toren beim FC Chelsea ein 2:2-Remis | |
gesichert hatten, winkten sie noch rasch in die Menge der Liverpool-Fans. | |
Man wird sich ja jetzt eine Weile nicht sehen. Dann machten sie sich auf | |
zum Flughafen. Sie flogen nach Kamerun, wo vom 9. Januar bis 6. Februar die | |
33. Auflage des Afrika-Cups ausgetragen wird. Den Auftakt macht am Sonntag | |
Gastgeber Kamerun mit seinem Gruppenspiel gegen Burkina Faso. | |
Es hat viel Aufregung gegeben um den „African Cup of Nations“, wie er auf | |
dem Kontinent liebevoll genannt wird. Vor allem die englischen Profiklubs | |
hatten sich in den vergangenen Wochen mal wieder mächtig aufgeregt: Das | |
vierwöchige Turnier findet mitten in der Saison der Premier League statt, | |
die Klubs müssen wochenlang und in vielen wichtigen Spielen auf einige | |
ihrer größten Stars verzichten. | |
„Eine „Katastrophe“ nannte das Trainer Jürgen Klopp, der beim FC Liverpo… | |
neben dem Senegalesen Mané und Ägyptens Salah auch noch Naby Keïta (Guinea) | |
ziehen lassen muss. Als Klopp im November von einem „kleinen Turnier“ | |
sprach, das da im Januar noch auf seine Spieler zukomme, hatte er das | |
eigentlich ironisch gemeint. Ausgelegt wurde ihm der Satz aber als | |
Beleidigung der Menschen des afrikanischen Kontinents, die ihr größtes | |
sportliches Ereignis in Europa nicht genügend gewürdigt sehen. | |
Englands dunkelhäutiger ehemaliger Stürmer Ian Wright sprach von einer | |
„rassistisch geprägten Berichterstattung“, Ajax-Amsterdam-Stürmer Sébast… | |
Haller kritisierte in einem Interview mit der niederländischen Zeitung De | |
Telegraaf den Umgang der Medien mit Spielern. Die Frage, ob man nicht | |
lieber in den Niederlanden bleibe, um dort zu spielen, zeige „den Mangel an | |
Respekt für Afrika“, sagte der ivorische Nationalspieler. „Würde diese | |
Frage jemals einem europäischen Spieler vor den Europameisterschaften | |
gestellt werden?“ | |
## Brutale Waffengewalt in Kamerun | |
Die Diskussionen um Abstellungen sind schon fast so alt wie das Turnier | |
selbst. 1994, als der Cup in Tunesien ausgetragen wurde, stritten Eintracht | |
Frankfurt und der ghanaische Fußballverband wochenlang um die Abstellung | |
des seinerzeit überragenden Torjägers Anthony Yeboah. Mit dem Resultat, | |
dass der stämmige Angreifer damals zwischen Bundesliga- und | |
Afrika-Cup-Spielen per Privatflieger hin- und herpendelte. Allerdings nicht | |
lange: Nach zwei Wochen zog Yeboah sich infolge der Überlastung eine | |
Muskelverletzung zu und konnte fortan für keines der beiden Teams mehr | |
spielen. | |
Die Debatte verdrängt dabei eine Frage, die im Grunde viel wichtiger | |
erscheint: Warum kann der Afrika-Cup aktuell überhaupt in einem Land wie | |
Kamerun stattfinden? Das Land, das seit 1982 von dem [1][mittlerweile | |
89-jährigen Paul Biya autokratisch geführt wird], befindet sich inmitten | |
eines blutigen Bürgerkriegs. Eine englischsprachige Minderheit der | |
Bevölkerung aus dem westlichen Teil des Landes kämpft seit Jahren um | |
Unabhängigkeit – die separatistische Bewegung wird von der frankophilen | |
Regierung mit brutaler Waffengewalt bekämpft. Der Konflikt, in dem die | |
bewaffneten Gruppen seit 2017 vehement versuchen, einen abtrünnigen Staat | |
namens Ambazonia zu bilden, hat schon mindestens 3.000 Menschen getötet und | |
fast eine Million zur Flucht gezwungen. | |
In Limbe, das inmitten des aufständischen Westens liegt und das als | |
Spielort des Afrika-Cups vorgesehen ist, wurden Sicherheitsmaßnahmen | |
organisiert. Die Polizei hat an den Kreuzungen der Stadt bewaffnete Beamte | |
postiert, an den Straßen, die in die Stadt führen, wurden Kontrollpunkte | |
eingerichtet. Die Separatisten haben in den vergangenen Wochen immer mal | |
wieder Sprengstoffanschläge verübt. In der benachbarten Regionalhauptstadt | |
Buea gab es im November zwei Detonationen, eine davon in der Universität, | |
bei der elf Studenten verletzt wurden. | |
Die Verantwortlichen bemühen sich derweil, die Gefahren herunterzuspielen. | |
„Der Cup wird unter sehr guten Bedingungen stattfinden. Es gibt keinen | |
Grund zur Besorgnis“, sagte Emmanuel Ledoux Engamba, hochrangiger Beamter | |
der Buea-Regionalregierung gegenüber der überregionalen südafrikanischen | |
Tageszeitung The Star. | |
Derweil sind die bewaffneten Separatisten nicht das einzige Problem des | |
Ausrichterlandes. Im Dezember stand der afrikanische Fußballverband Caf | |
kurz davor, Kamerun das Turnier – wie schon 2019 passiert – erneut zu | |
entziehen. Wieder waren die Vorbereitungen des örtlichen | |
Organisationskomitees als eher stümperhaft entlarvt worden. Weder standen | |
genügend Unterkünfte für die zu erwartenden Teilnehmer und Fans bereit, | |
noch war der Transport zwischen Hotels, Stadien und Trainingsstätten | |
organisiert. Zudem hatte man kein Konzept im Umgang mit dem auch in Afrika | |
grassierenden Coronavirus parat. | |
## 16 Spieler von Gambia coronapositiv | |
Mithilfe des Weltverbands Fifa eröffnete die Caf daraufhin in Yaoundé | |
kurzerhand ein eigenes Organisationsbüro, um die Dinge in die Hand zu | |
nehmen. Neben allerlei organisatorischen Maßnahmen schaltete man sich ganz | |
schnell in die unbeantworteten Coronafragen ein, deren fehlende Antworten | |
vor allem die europäischen Klubs vehement moniert hatten. Resultat: Die | |
Spieler werden sich in von außen undurchdringlichen Blasen bewegen müssen, | |
in den Stadien werden nur komplett Geimpfte zugelassen. Heißt: Die Spiele | |
werden nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, denn in | |
Kamerun [2][sind lediglich etwa drei Prozent der Bevölkerung gegen das | |
Virus geimpft.] | |
Dass das Virus dennoch ein gewichtiges Wort auch in der sportlichen | |
Entwicklung des Turniers spielen könnte, wurde wenige Tage vor Beginn | |
bereits deutlich. Außenseiter und Turnierdebütant Gambia musste ein für | |
Anfang Januar in Doha geplantes Vorbereitungsspiel gegen Algerien | |
kurzerhand absagen. Gleich 16 Spieler des 25-köpfigen Kaders waren positiv | |
auf das Virus getestet worden. Mit welcher Besetzung die Mannschaft des | |
belgischen Trainers Tom Saintfiet am 12. Januar zum ersten Gruppenspiel | |
gegen Mauretanien antreten wird, steht noch in den Sternen. | |
Dabei darf man sich beim Afrika-Cup eigentlich traditionell vor allem auf | |
das Auftreten der – meist schillernden – Außenseiter am meisten freuen. | |
Schon 2019, als das Turnier erstmals mit 24 statt 16 Mannschaften | |
durchgeführt wurde, hatten es „Zwerge“ wie Burundi, Madagaskar und | |
Mauretanien zum Endturnier geschafft. Diesmal ist das Gambia und den | |
Komoren gelungen. Während der Turniersieg mutmaßlich zwischen den | |
Favoritenteams Algerien (mit Manchester Citys Riyad Mahrez), Ägypten mit Mo | |
Salah [3][und Senegal (Sadio Mané)] ausgespielt wird, sind es gerade diese | |
kleinen Teams, deren Geschichten besonders hervorstechen. | |
Das Inselarchipel der Komoren hat zum Beispiel nur um die 850.000 | |
Einwohner, die weit verstreut auf irgendwelchen Landflecken im weiten Ozean | |
leben. Zum fußballerischen Leben erweckt wurde die Inselgruppe vom in | |
Frankreich geborenen 49-jährigen Amir Abdou, der das Team 2014 übernahm und | |
völlig neu zusammenstellte. Fußballlehrer Abdou, der „nebenbei“ auch noch | |
das mauretanische Vereinsteam FC Nouadhibou trainiert, schaute sich | |
europaweit nach Spielern mit komorischen Wurzeln um und wurde tatsächlich | |
fündig – wenn auch nur in der zweiten und dritten Liga Frankreichs. | |
Abdou arbeitet mit dem Nationalteam wie mit einer Vereinsmannschaft: Seit | |
fünf Jahren hat er immer nahezu die gleichen Spielern zusammen, der Kader | |
wurde seither kaum einmal verändert. Dadurch haben sich in teils | |
wochenlangen Trainingslagern Automatismen und ein Zusammenhalt entwickelt, | |
die spielerische Nachteile mehr als wettmachen. | |
Das Team konnte sich so in den Qualifikationsspielen für den Cup gegen | |
Größen wie Kenia und Togo durchsetzen. In Kamerun wurden die Komoren in | |
eine Gruppe mit den erfahrenen afrikanischen „Schwergewichten“ Gabun, | |
Marokko und Ghana gelost. Eigentlich nicht zu schaffen für die | |
Inselspieler. Aber Trainer Abdou gibt sich zuversichtlich: „Wir sind nicht | |
zufällig qualifiziert. Wir glauben daher nicht, dass wir uns die | |
Gelegenheit entgehen lassen, so weit wie möglich zu gehen. Wir werden mit | |
unseren Waffen gegen unsere verschiedenen Gegner kämpfen, so hart sie auch | |
sind. Fußball ist auf dem Platz.“ | |
9 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Olaf Jansen | |
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