# taz.de -- Fußball-Export in Schurkenstaaten: „Alle Annehmlichkeiten“ | |
> Die Kritik an der Austragung des spanischen Supercups in Saudi-Arabien | |
> wird lauter. Das öffentlich-rechtliche TV will das Spektakel nicht | |
> übertragen. | |
Bild: Geschäftstüchtig: Turki al-Sheikh, Besitzer von UD Almería und saudisc… | |
Vero Boquete sprach aus, was viele dachten, als sie von der Vergabe des | |
spanischen Supercups nach Saudi-Arabien erfuhren. „Die Botschaft ist, dass | |
alles geht. Aber ich finde, dass nicht alles geht. Wir reden von einem | |
Aggressor und Unterdrücker, der die Menschenrechte verletzt. Wir sollten | |
einen Weg finden, diejenigen zu bestrafen, die das tun. Stattdessen tragen | |
wir Sportveranstaltungen dahin.“ | |
Aber Boquete ist halt nur eine bekannte spanische Fußballerin, aktuell | |
unter Vertrag beim US-Klub Utah Royals – und kein Fußballer. Sie ist daher | |
um viele Millionen Euro ärmer, und ja, offenbar macht das einen | |
Unterschied, denn – alte Regel im Profisport – wer viel hat, bekommt den | |
Hals erst recht nicht voll. 120 Millionen über drei Jahre, 40 Millionen | |
Euro pro Ausgabe erhält der spanische Fußballverband RFEF dafür, dass er | |
das neu konzipierte Final-Four-Turnier im saudischen Dschidda austrägt. | |
Los geht’s im Januar mit FC Barcelona (Meister), Valencia (Pokalsieger), | |
Atlético Madrid (Ligazweiter) und Real Madrid (Dritter), und während aus | |
der Gesellschaft von der Linkspartei Podemos bis zu liberalkonservativen | |
Medien wie El Mundo heftige Kritik kommt, während Spaniens | |
öffentlich-rechtliches Fernsehen RTVE das Spektakel aus Protest nicht | |
übertragen will, reicht die Reflexion bei den beteiligten Vereinen nur bis | |
zur Sternezahl der Hotelsuite. „Wir haben überhaupt kein Problem damit, | |
dort zu spielen“, erklärte Atléticos Präsident Enrique Cerezo. „Ich gehe | |
davon aus, dass dieses Land alle Annehmlichkeiten bietet, damit wir uns | |
dort wohlfühlen.“ | |
Funktionäre und Spieler können beruhigt sein: Man wird schon dafür sorgen, | |
dass sie auf dem Weg zum Stadion keine der öffentlichen Hinrichtungen zu | |
sehen bekommen, die es laut [1][Amnesty International] weiterhin gibt, auch | |
wenn das wahhabitische Königreich zumindest oberflächlich einen Reformkurs | |
ausgerufen hat. Mit dem Jemenkrieg müssen sie sich auch nicht | |
herumschlagen, und was die Rechte der unterdrückten Frauen angeht, geriert | |
sich die RFEF sogar als emanzipatorische Kraft. „Frauen und Männer werden | |
vollkommen gleichberechtigt ins Stadion gehen können“, verkündet | |
Verbandspräsident Luis Rubiales. Also nicht wie sonst seit der Öffnung für | |
Frauen in manchen Partien, etwa zuletzt auch das Finale im italienischen | |
Supercup, segregiert in einem eigenen Block? Oder gilt das Versprechen nur | |
für westliche Frauen? | |
## Reinwaschen mit Sport | |
Eher wohl Letzteres, aber Rubiales sieht sich trotzdem auf der richtigen | |
Seite der Geschichte. „Saudi-Arabien möchte seine ganze Kultur ändern und | |
die Grenzen öffnen. Wir können das blockieren oder daran teilnehmen, und | |
wir haben beschlossen, daran teilzunehmen“, erklärte er. | |
Menschenrechtsexperten benutzen für solche Kooperationen eine andere | |
Umschreibung: Sportwashing. Das Reinwaschen eines Schurkenstaats-Images | |
über den internationalen Sport. Saudi-Arabien macht nach, was Nachbarn wie | |
Katar vormachten. Und Spanien macht begeistert mit. [2][Schon vor zwei | |
Jahren] verkaufte die Liga neun Kaderplätze bei Spitzenklubs an die Saudis, | |
die ihre Nationalspieler so auf die WM 2018 einstimmen wollten. Sie | |
spielten zwar letztlich kaum, aber gezahlt wurde trotzdem. | |
Eingefädelt hat den Deal damals Turki al-Sheikh, ein enger Gefolgsmann von | |
Kronprinz Mohammed bin Salman und inzwischen Vergnügungsminister im | |
Königreich. Seit dem Sommer besitzt er in Spanien den Zweitligisten UD | |
Almería und lässt es dort ziemlich krachen. Klubangestellten soll er | |
Umschläge mit je 5.000 Euro zugesteckt haben, wenn sie ihn dafür als | |
„Majestät“ ansprächen. | |
Bei Heimspielen lässt er Sportwagen unter den Zuschauern verlosen und trotz | |
sportlichem Erfolg hat er in vier Monaten bereits zwei Trainer gefeuert. | |
Neuester Übungsleiter ist der schillernde Ex-Real-Profi Guti, und der wird | |
mit allen Fans interessiert verfolgen, ob es in Almería anders läuft als in | |
Ägypten, wo Turki al-Sheikh 2018 den Klub Alassiouty kaufte, ihn unter den | |
Namen Pyramids FC nach Kairo verlegte und fünf Trainer verschliss, ehe er | |
nach wenigen Monaten wieder abzog. | |
Barça und Real sollen als Antrittsgage je 7 Millionen Euro kassieren, | |
Valencia nur 2,5 Millionen und Atlético irgendetwas dazwischen. Begründet | |
wird der Verteilungsschlüssel mit dem unterschiedlichen Abschneiden in der | |
Historie des Supercups. Die Fußnote zu diesem Geschäft ist nicht weniger | |
suspekt als seine Substanz. | |
15 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/saudi-arabien-10-dinge-die-du-ue… | |
[2] /Saudi-Arabien-zahlt-fuer-Fussballer/!5476117 | |
## AUTOREN | |
Florian Haupt | |
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