# taz.de -- Freude am Hüpfen: Dem Affen ins Maul hopsen | |
> Hüpfen ist nicht gleich hüpfen, und neben dem Hüpfen gibt es ja auch noch | |
> das Smashen und das Purzeln. Beobachtungen beim Besuch eines | |
> Hüpfburgenlands. | |
„Wir verstehen unter ‚Hüpfen‘ eine fortgesetzte zyklische Bewegung in die | |
Höhe und/oder Weite, ein- oder auch beidbeinig, mit geringem | |
Bewegungsumfang und kurzer Flugphase. ‚Springen‘ ist dagegen eine | |
azyklische Bewegung, die nach einer Vorbereitungsphase über einen ein- oder | |
beidbeinigen Absprung in die Höhe und/oder Weite zur Hauptphase, danach zur | |
Landung – und damit zu ihrem Abschluss – führt.“ (aus Axel Horn/Christian | |
Weber: „Vom Hüpfen zum Springen“, Grundschule Sport Nr. 18/2018 Springen) | |
Die Frau im Verkaufswagen macht beinahe einen Satz rückwärts. „Was, Sie | |
sind ohne Kind da?“ Die Frage, ob man denn als Erwachsener auch hüpfen | |
dürfe, macht es nicht besser. „Nein, leider nur für Kinder“, sagt | |
Luciana-Manuela Thiel und schüttelt den Kopf. Sie erfährt den | |
journalistischen Auftrag, der hinter diesem Besuch ihres Holidays | |
Hüpfburgenland [1][in Schönefeld bei Berlin] steckt, und vernimmt die | |
Recherchefrage: Warum ist Hüpfen so spaßig? | |
Das macht die Szene nicht weniger schräg, aber nun erzählt Thiel ein wenig. | |
Sie [2][sei „ein Zirkuskind“], und das Hüpfburgenland bedeute ihr sehr | |
viel, seit zehn Jahren schon. Dabei würden die Freudenlaute der Kinder hier | |
so manchem auf die Nerven gehen. „Na gut, dann schauen Sie sich um“, sagt | |
Thiel und nimmt derweil eine Bockwurstbestellung entgegen. | |
Das Holidays Hüpfburgenland liegt zwischen einer Allee, einem Acker und | |
einem Gebrauchtwagenhandel, der Bus 744 fährt hier zum Flughafen | |
Berlin-Brandenburg. Der Begriff „Hüpfburgenland“ ist wahrlich eine | |
Untertreibung, es wirkt eher wie eine Staatengemeinschaft aus 14 | |
quietschbunten Mitgliedern. Ein Clownsland ist dabei, ein behopsbarer | |
Monstertruck, eine Tropicana Burg mit Papageien und Regenbogen, ein rosa | |
Märchenschloss mit Rundrutsche, ein Dinopark und ein Candyplay-Land, eine | |
Hüpfburg mit luftgefülltem Lebkuchenhaus, kindshohem Kaugummiautomaten und | |
Zuckerstangen. | |
## „Deelname op eigen Risico“ | |
Ein Mitarbeiter führt zwei Ponys zwischen den Burgen hindurch, meist mit | |
Kindern im Sattel. Die Kinder tragen dann einen Cowboyhut, davon gibt es | |
einen orangefarbenen, einen blauen und einen pinken. Sind gerade keine | |
Kinder beim Ponyreiten, schlurft der Mitarbeiter mit den Tieren weiter | |
seine Runden und trägt dabei alle drei Hüte gestapelt auf dem Kopf. | |
Warnhinweise verweisen auf den Ursprung mancher Hüpfburg: „Deelname op | |
eigen Risico“, Teilnahme auf eigene Gefahr. Die größte Gefahr ist wohl der | |
Wind. 2022 wurden im Hunsrück neun Kinder teils schwer verletzt, weil es | |
sie samt Burg über einen vier Meter hohen Zaun zog. Das Geschäft sei extrem | |
wetterabhängig, sagt Thiel, und dieses Jahr mache es das Wetter ihrem | |
Hüpfburgenland ganz schön schwer. | |
Die einfachste Variante einer Hüpfburg ist: von oben gesehen ein Quadrat, | |
an den vier Seiten knieflach zum Aufsteigen, in der Mitte eine Wölbung zum | |
Springen. | |
Von diesem Typ gibt es hier zwei. An der grün-gelb gestreiften mit den | |
Gummipalmen an den Ecken ziehen sich drei Jungs auf die Trampolinwölbung | |
und unterhalten sich dabei in den Worten „What the fuck.“ – „What the | |
fuck!“ – „What the fuck.“ Neben den Kindern sind vor allem die Gebläse… | |
insgesamt 14 Hüpfburgen zu hören. | |
Die Eltern ziehen ihren Kindern hinterher, wie in einem Theaterstück, in | |
dem jede Burg eine Bühne ist. Davor steht jeweils eine Reihe roter | |
Klappstühle, dort setzen sie sich hin und blicken hinein. | |
Den Kindern reicht eine Hüpfburg, um Schwerelosigkeit zu spüren – während | |
sich andere Menschen [3][dafür ins All schießen lassen], zum Preis von | |
Hunderttausenden Dollars. Die erwachsenen Begleitpersonen hier könnten das | |
Gefühl zumindest erahnen, wenn sie sich nur auf den Rand einer Burg setzen | |
und etwas mitschubsen ließen. Dieses Kribbeln im Magen. Aber sie tun es | |
nicht. | |
Und trotz Schwüle scheinen die Alten auch nicht darauf zu warten, bis | |
endlich ausgehopst ist. Eine Frau mit Sonnenbrille fächert sich mit einer | |
Serviette Luft zu. Erschöpfte Zufriedenheit. | |
Nun ist Hüpfen nicht gleich Hüpfen. Neben der senkrechten Bewegung gibt es | |
das Smashen. Dazu braucht der Standardaufbau vier Wände rundum. So wie bei | |
der Safarihüpfburg, deren Seiten eine Savannenlandschaft ziert, mit Affe, | |
Giraffe, Nashorn, Tiger und Zebra. | |
Drei Kinder erproben hier die Gesetze der Physik: „Wir müssen | |
gleichzeitig!“ Nachdem Kind 1 auf die Schräge der Wölbung klettert, | |
springen Kind 2 und 3 von der anderen Seite auf einmal drauf. Kind 1 | |
katapultiert es daraufhin gegen das Nashorn. Impuls [p] = 1 Kilogramm mal | |
Meter durch Sekunde. | |
Die Klettersteine und Rutschen an mancher Burg erlauben weitere Praktiken. | |
Beim weitgehend unkontrolliert wirkenden Purzeln bildet der Körper einen | |
Hohlraum zwischen Brust und Knie, das Aufkommen wird dem Zufall überlassen. | |
Das Rollen zielt darauf ab, sich mit gestreckten Armen und Beinen | |
prädestiniert nach unten zu drehen. | |
## Parole: Hüpfburgenalarm | |
„Guck mal, da ist ein Feuerwehrturm. Ich glaube, das ist richtig schwer!“, | |
sagt ein mutmaßlicher Vater zu seinem mutmaßlichen Sohn. Die | |
Feuerwehrhüpfburg hat die Form eines überdimensionalen Planschbeckens, in | |
ihrer Mitte ragt ein etwa 5 Meter hoher Turm in den Himmel. Im Turm sind | |
backsteingroße Löcher zum Hineingreifen. Gerade sind zwei Kinder rauf und | |
lassen sich in die Tiefe plumpsen. Der Junge will auch hinauf, aber zum | |
Hochziehen fehlt die Kraft. „Probier’s noch mal!“, ruft der Mann. | |
Zum Sprung gehört der Fall. Und das eine geht fließend ins andere über. | |
Auch emotional: Ein Mädchen rutscht die Tropicanahüpfburg runter und | |
beginnt zu weinen. Eine Frau lässt ihren Kinderwagen stehen und tröstet. | |
Doch als andere Kinder von der Tropicana zur nächsten Hüpfburg eilen, löst | |
sich das Mädchen und schlängelt sich, noch weinend, durch die Gummibommel, | |
-tunnel und -säulen an der benachbarten Attraktion, die an ein | |
Spiegelkabinett auf einem Jahrmarkt erinnert. | |
Die Kinder bilden Banden, Parole: Hüpfburgenalarm. Und sie ziehen weiter | |
zur nächsten Attraktion. Das Highlight ist ein Gorilla, der seinen Mund | |
immer wieder öffnet und schließt. Das Gummitier hat dicke, kubusförmige | |
Gummizähne. | |
Klappt sein Gummikinn nach unten, klettern die Kinder an ihnen hinein. | |
„Bitte achten Sie mit darauf, dass nicht mehr als fünf Kinder im Maul des | |
Affen spielen“, steht hier auf einem Schild. Zu keinem | |
Beobachtungszeitpunkt wurden weniger als sieben Kinder im Affen gesichtet. | |
Im Gorilla kommt dem Fall eine besondere Bedeutung zu. Der Affe schließt | |
sein Maul, an seiner gelben Unterlippe schaut noch ein Kinderbein raus, von | |
außen ist nicht zu sehen, was drinnen passiert. | |
Die Kinder dort stehen nun vor der Wahl: 1. Herausstolpern, sobald der | |
Gorilla sein Maul wieder öffnet. 2. In den Rachen des Affen klettern, wo | |
sie auf der Hinterseite runterrutschen können. So werden sie quasi verdaut. | |
3. Sich vorne aus dem noch geschlossenen Maul herauskämpfen und in die | |
Tiefe fallen. So entscheidet sich das Kind, dessen Bein heraushängt. Es | |
kommt flach auf und wartet, bis der Affe sein Maul wieder öffnet und die | |
Kinder nacheinander herauspurzeln. Keines wurde verdaut. | |
23 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Stark | |
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