# taz.de -- Frauenfußball vor der EM: Wird doch! | |
> Die EM in England wird den Frauenfußball auf eine andere Ebene heben. Und | |
> doch steht das Spiel der Frauen unter der Fuchtel des | |
> Männerfußballbusiness. | |
Bild: Die ballführende Spanierin Leila Ouahabi fällt durch gutes Spiel und ba… | |
Nun also der nächste Schritt. Mit der Europameisterschaft soll ein neues | |
Level im Spiel der Frauen erreicht werden. Sportlich, finanziell und vom | |
Interesse der Fans her. So ist das, wenn Frauen Fußball spielen. Von oben | |
herab blickt dann die Sportwelt auf die Fußballerinnen herunter: Dann zeigt | |
gefälligst mal, was sich in den Jahren seit dem letzten großen Turnier | |
getan hat! Wo dieses Oben liegt, ist offensichtlich. Es liegt auf dem | |
Niveau des professionellen Männerfußballs: sportlich, finanziell und vom | |
Interesse der Fans her. Von der entwickelten Fußballwelt schaut man also | |
runter auf das Entwicklungsgebiet Frauenfußball: gönnerhaft, beinahe schon | |
kolonial. | |
Da ist es fast schon folgerichtig, dass es Männer sind, die sich die | |
Entwicklung des Frauenfußballs zu ihrem Projekt gemacht haben. [1][Gianni | |
Infantino, der Fifa-Präsident mit Wohnsitz in Katar, wird nicht müde, von | |
den Chancen zu sprechen,] die im Frauenfußball liegen. Und die großen Klubs | |
aus den großen europäischen Fußballigen haben längst Frauenteams in den | |
oberen Ligen platziert, um dort zeigen zu können, wo der Fußball zu Hause | |
zu sein hat: bei den traditionallen Großklubs aus München, Mailand oder | |
Barcelona, bei den von Öl- und Gasmillionen gepäppelten Imagewaschmaschinen | |
von Emiraten wie Abu Dhabi und Katar, in Paris und Manchester. | |
In dieser Welt des europäischen Großfußballs gehören so traurige Sätze wie | |
der folgende zur banalen Normalität des Business rund um den Ball. | |
„Manchester City war immer ein Team, auf das ich ein Auge geworfen habe, | |
ich mag ihre Art, Fußball zu spielen, und die DNA des Klubs ist so | |
aufregend.“ Das hat Leila Ouahabi gesagt, nachdem sie ihren Wechsel vom FC | |
Barcelona nach England bekannt gegeben hatte. | |
Sie spielte links hinten, als Barcelona im vergangenen Jahr die Champions | |
League gewonnen hat, und [2][zählt zum Kader der spanischen | |
Nationalmannschaft], die zu den Favoriten bei dieser WM gehört. Dass sie | |
eine der besten Spielerinnen der Welt auf ihrer Position ist, würde wohl | |
niemand bestreiten. Ob sie eine interessante Persönlichkeit ist, darf schon | |
jetzt kaum mehr jemand wissen. Die von den Medienabteilungen glatt | |
gebügelten Spielerinnenstatements gehören zum Weg nach oben, wie ihn die | |
Männer aus der Fußballwelt vorgezeichnet haben. Wer wissen möchte, wie sie | |
in der Welt gesehen wird, kann ihren Instagram-Account abonnieren. Mehr als | |
200.000 Menschen tun das bereits. Dort ist offensichtlich, dass sie eine | |
Sponsoringpartnerschaft mit dem US-Sportartikelhersteller Nike eingegangen | |
ist. | |
## Star für ein paar Tage | |
Wird doch, mag sich denken, wer vom Niveau des Männerfußballs auf die | |
Fußballerin herunterblickt. Nur beim Marktwert, da ist noch viel Luft nach | |
oben. Mit 125.000 Euro gibt den das Portal soccerdonna.de an. Das ist ein | |
Ableger des zum Axel-Springer-Konzern gehörenden Portals transfermarkt.de, | |
wo die geschätzten Spielerwerte so glaubwürdig präsentiert werden, dass sie | |
wie Börsenwerte in vielen Sportpublikationen zitiert werden, von wo aus sie | |
dann zum Gesprächsthema an den Fußballstammtischen des Landes werden. | |
An denen wird bislang selten über das Spiel der Frauen gesprochen. Nur zu | |
Großereignissen, wenn die Fußballerinnen es mal ins Hauptabendprogramm der | |
großen Sender schaffen, dann kann es schon mal sein, dass auch mal über das | |
Können einer Fußballerin geschwärmt wird. So wurde [3][etwa die Japanerin | |
Homare Sawa] zum Star für ein paar Tage, nachdem sie bei der WM in | |
Deutschland im Finale Japan auf schier unbegreifliche Art den Ball mit der | |
Hacke ins Elfmeterschießen gegen die USA befördert hatte. Da schien der | |
Fußball der Frauen reif zu sein für den großen Aufbruch in Richtung | |
Professionalität. Das Eröffnungsspiel der WM im Berliner Olympiastadion | |
zwischen Deutschland und Kanada sahen über 70.000 Menschen, und die seit | |
2006 unvermeidliche Sommermärchenmetapher war besonders oft zu hören. | |
Elf Jahre später ist dieses Turnier längst vergessen, auch weil der vom | |
Deutschen Fußball-Bund in schierer Arroganz beinahe fest eingeplante Titel | |
an das Team aus Japan gegangen war. Dafür hat sich die Bundesliga stark | |
verändert. Hießen die besten Mannschaften damals Turbine Potsdam, 1. FFC | |
Frankfurt und FCR 2001 Duisburg, standen nach dieser Saison der VfL | |
Wolfburg, Bayern München und Eintracht Frankfurt oben in der | |
Abschlusstabelle. Die großen Klubs des Männerfußballs haben den Fußball der | |
Frauen geentert. | |
Auch in den anderen Ligen Europas bestimmen die bekannten Großklubs längst | |
das Geschehen in den Frauenligen. Suchte man bis 2020 beim Blick auf die | |
spanische Liga noch vergeblich nach Real Madrid, kamen in der abgelaufenen | |
Sasion 90.000 Zuschauer, als der FC Barcelona sein Heimspiel gegen die | |
Königlichen ausgetragen hat. Ein Duell fast ohne jegliche Geschichte war in | |
Rekordzeit zum Clasico geworden. Und natürlich gibt es längst | |
Transfermeldungen, die Frauen von Real Madrid betreffend. Dass die | |
schwedische Stürmerin Kosovare Asllani nach dem Sommer für AC Mailand | |
spielen wird, war eine davon. Da tut sich also was, wird man wohlwollend | |
feststellen, wenn man mit der Brille des Männerfußballs herabblickt auf die | |
Frauen. | |
## Schmuckwerk Frauenfußball | |
Da wird dann auch wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass es immer mehr | |
Fußballverbände gibt, die den Frauen genauso viel bezahlen wie den Männern. | |
In den USA mussten sich die Spielerinnen das erklagen. [4][Norwegens | |
Superstar Ada Hegerberg] spielt fünf Jahre lang nicht für die | |
Nationalmannschaft, weil sie Gleichbehandlung mit den Männern forderte. Nun | |
bekommt sie die gleichen Einsatzprämien wie ein männlicher Profi. In | |
Dänemark, Spanien, der Schweiz, den Niederlanden oder Brasilien ist das | |
ebenfalls so. | |
Auch hier mag so mancher gönnerhaft den Daumen heben, und doch ist nicht zu | |
übersehen, dass sich der Frauenfußball in Europa zu einem Anhängsel des | |
großen Fußballbusiness entwickelt, in dem sich die großen Klubs mit ihrem | |
Engagement für die Frauen schmücken. Je perverser das große Geschäft mit | |
Spielern wird, je irrwitziger die Transfersummen und Gehälter eines Profis | |
und je geschmackloser die Herkunft des Geldes, desto wichtiger werden die | |
Frauenabteilungen der Klubs für die Imagepflege. Mit jeder von den | |
Männerklubs wohl dosierten Professionalisierung, verliert der Fußball der | |
Frauen seine Rolle als Alternativmodell zur überdrehten Welt des | |
Männerfußballs. Die meist von Männern geführten Verbände und Klubs werden | |
weiterhin alles dafür tun, die Emanzipation des Spiels der Frauen unter | |
Kontrolle zu behalten. | |
Worauf sie keinen Einfluss haben, ist das Spiel auf dem Platz. Das | |
unterscheidet sich ohnehin nicht groß von dem der Männer. Und so wird auch | |
die EM, die am Mittwoch in Manchester beginnt, typische Fußballgeschichten | |
rund um Traumtore, enge Spiele, bittere Niederlagen und den einen ganz | |
großen Sieg schreiben. | |
5 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Weltfussballverband-Fifa/!5604313 | |
[2] /UEFA-Womens-Champions-League-Finale/!5593041 | |
[3] /Die-Japanerinnen-im-Halbfinale/!5116540 | |
[4] /Ada-Hegerberg-wieder-Nationalspielerin/!5841443 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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