# taz.de -- Rückständiger deutscher Frauenfußball: Viel Arbeit an den Standa… | |
> In Deutschland ist Frauenfußball strukturell weiter unterentwickelt – was | |
> vor allem am DFB liegt. Andere Länder sind da viel weiter. | |
Bild: Zweitligafußball als Hobby: Caroline Asteroth am Ball für den SG Andern… | |
ANDERNACH taz | Caroline Asteroth wird es am Sonntag wieder enorm eilig | |
haben. Die Mittelfeldspielerin der SG Andernach wird nach der Partie ihres | |
Teams am Sonntag gegen die zweite Mannschaft des FC Bayern München kaum | |
duschen können, um es noch rechtzeitig zur Arbeit zu schaffen. Vielleicht | |
kann sie die Partie noch nicht einmal zu Ende spielen. Um 11 Uhr ist | |
Anpfiff zur Zweitligapartie, ab 13.10 Uhr beginnt ihr Spätdienst in einem | |
Krankenhaus im knapp 20 Kilometer entfernten Koblenz. Für die 30-Jährige | |
ist das Alltag. | |
„Frauenfußball in der Zweiten Liga ist Hobby“, sagt sie. Es ist ein | |
aufwendiges. Viermal in der Woche ist Training in Andernach, am Wochenende | |
ein Spiel. Bei manchen Auswärtspartien steht für die Andernacher Frauen ein | |
Zwei-Tages-Trip auf dem Programm. Sechs von sieben Wochentagen gehen dann | |
für den Fußball drauf. „Ich bekomme vom Verein zwar eine kleine finanzielle | |
Unterstützung. Aber von professionellen Strukturen ist das alles so weit | |
entfernt wie die Erde vom Mond“, sagt sie. | |
Frauenfußball ist in Deutschland im Vergleich zur Männervariante | |
strukturell nach wie vor total unterentwickelt. „Andere Länder wie | |
Frankreich, Spanien und England haben uns längst überholt, was die | |
Professionalisierung des Frauenfußballs angeht“, sagt Ulf Baranowsky. | |
[1][Der Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV)] | |
fordert, man müsse schnellstens etwas unternehmen, um den Abstand zu diesen | |
Ländern aufzuholen. | |
Der jährlich erscheinende DFB-Saisonreport zum Frauenfußball belegt, dass | |
eine Professionalisierung des Frauenfußballs nur dort möglich zu sein | |
scheint, wo Klubs aus dem Männerprofibereich den Frauenfußball erheblich | |
unterstützen. „Relikte“ aus vergangenen Tagen sind hingegen reine | |
Frauenklubs wie die SGS Essen, der SC Sand oder Turbine Potsdam, die mit | |
erheblich kleineren Etats auskommen müssen. | |
In der aktuellen Spielzeit sind acht Klubs im Frauenoberhaus vertreten, die | |
gleichzeitig auch eine Männermannschaft in der Bundesliga, Zweiten | |
Bundesliga oder der Dritten Liga unterhalten, zudem vier Frauenklubs. | |
Durchschnittlich haben die Klubs 1,3 Millionen Euro für ihren jeweiligen | |
Kader ausgegeben. Hier zeigt sich am krassesten der Gegensatz zu den | |
Männern, von denen die meisten Bundesligaspieler allein auf derlei | |
Verdienst kommen. | |
## Auf dem Weg zum Vollprofitum | |
Immerhin verzeichnet die Liga dennoch ein Plus bei den Gehältern der | |
Spielerinnen von 113 Prozent innerhalb der vergangenen 10 Jahre. Das sorgt | |
für ein durchschnittliches Minus von 1,2 Millionen Euro pro Verein. „Das | |
Minus entsteht durch die Investitionen“, betonte der zuständige | |
DFB-Geschäftsführer Manuel Hartmann bei der Vorstellung des | |
„Frauen-Saisonreports“ am Donnerstag (5. 5. 22): „Es ist kein Anzeichen f… | |
wirtschaftliche Schwierigkeiten der Liga.“ | |
[2][Ähnlich sieht es Siegfried Dietrich.] Der Ausschussvorsitzende der | |
Frauenbundesligen sieht die gestiegenen Kosten als Anzeichen der | |
Professionalisierung. „In absehbarer Zeit können wir mit dem Frauenfußball | |
Geld verdienen“, sagte Dietrich: „Es ist eine Frage von ein, zwei Jahren – | |
dann sprechen wir in der Liga von Vollprofitum.“ | |
Gewerkschaftschef Ulf Baranowsky macht indes auf weitere Baustellen | |
aufmerksam: „Vor allem in den Strukturen, beim Staff um die Teams herum | |
muss sich dringend etwas ändern“, sagt er. Der FC Chelsea und Manchester | |
City haben zum Beispiels Staffs mit nahezu zwanzig Mitarbeitern, die den | |
Spielerinnen die professionellste Betreuung bieten. Diese Strukturen sind | |
Folge des Lizenzierungsverfahrens des englischen Fußballverbandes. Der hat | |
strenge Standards festgelegt, um die Liga langfristig zu | |
professionalisieren. | |
Diese Standards fehlen noch in Deutschland. Wie übrigens auch ein | |
gewerkschaftlicher Zusammenschluss der Spielerinnen. Und das würde die VDV | |
gern ändern. Seit Anfang des Jahres hat die Spielergewerkschaft eine | |
Mitarbeiterin eingestellt, die sich um die Interessen der Fußballerinnen | |
kümmern soll. Kerstin Neumann, eine BWL-Studentin, geht ihren neuen Job mit | |
viel Engagement an. Die erst 21-Jährige bietet zum Einstieg | |
Infoveranstaltungen für interessierte Fußballerinnen zu den Themen | |
Anti-Match-Fixing und Doping-Prävention an. „Wir wollen hier als | |
Gewerkschaft auch ein Zeichen setzen und bei der Entwicklung mithelfen“, | |
sagt Baranowsky. | |
Noch ist der Frauenanteil im Mitgliederbestand der VDV verschwindend | |
gering. Das soll sich laut Baranowsky so schnell wie möglich ändern. „Die | |
Frauen müssen sich auch untereinander organisieren, um ihre Wünsche und | |
Ideen gemeinsam formulieren zu können“, findet er. | |
„Eine gute Idee“, sagt Zweitligaspielerin Caroline Asteroth. Bessere | |
Strukturen, vor allem aber mehr TV-Präsenz wäre für sie ebenfalls ein | |
Schlüssel zur längst fälligen Weiterentwicklung ihres Sports. Sie glaubt: | |
„Unsere Erstligaspiele müssten regelmäßig im bezahlfreien Fernsehen | |
übertragen werden, dann würde das Interesse steigen und wir könnten | |
vielleicht auch bald vor 50.000 Zuschauern spielen. Das wäre schon cool.“ | |
8 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Olaf Jansen | |
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