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# taz.de -- Foodsharing und die Tafeln: Niemand nimmt sich was weg
> Steht Foodsharing in Konkurrenz zu den Tafeln? Das suggerieren
> Medienberichte. Doch die Tafeln im Norden dementieren.
Bild: Genug für alle: Foodsharer retten Lebensmittel, die die Tafeln gar nicht…
Hamburg taz | Das Verhältnis ist angespannt zwischen den Tafeln und dem
Verein Foodsharing. Denn der 2012 gegründete, eingetragene Verein, der sich
der Rettung von Lebensmitteln verschrieben hat, klaue [1][der Tafel
sprichwörtlich die Butter vom Brot]. Diesen Eindruck zumindest vermitteln
aktuelle Berichte, unter anderem in der „Tagesschau“: Neben dem
bundesweiten Versorgungsproblem der Tafeln aufgrund steigender Nachfrage
und fehlender Nahrungsmittel stehe die karitative Essensausgabe zunehmend
in Konkurrenz zu Foodsharing.
So käme es immer wieder zu unglücklichen Situationen, in denen Mitglieder
von Foodsharing Lebensmittel beziehen, die dann für die Tafel fehlen. Die
taz nord hat in Hamburg, Niedersachsen und Bremen nachgefragt.
Das „Brot-und-Butter-Geschäft“, wie es Uwe Lampe, Vorsitzender des
Landesverbands der Tafeln in Niedersachsen und Bremen, nennt, laufe derzeit
schwierig. Grund seien laut Lampe vor allem die wachsende Nachfrage um 30
bis 40 Prozent, was auf die andauernde Energiekrise zurückzuführen sei.
Außerdem komme es zu einem Rückgang der nicht verkauften Lebensmittel.
Letzteres ist Lampe zufolge Folge von Rabattierungsmaßnahmen wie
beispielsweise die „Rettertüte“ von Lidl sowie Folge optimierter
Kalkulationen der Supermärkte.
Als zentralen Grund für die [2][ernste Lage der Tafeln] sieht Lampe die
Lebensmittelretter-Initiativen wie Foodsharing und Co. aber nicht. „Es ist,
wenn überhaupt, ein sehr punktuelles Problem“, sagt er, „und es ist absolut
nicht dramatisch!“ Das bestätigt auch Julia Bauer, Pressesprecherin der
Hamburger Tafel.
## Tafeln stehen an erster Stelle
Anna Verres, Tafel-Sprecherin auf Bundesebene, ist zwar der Überzeugung,
dass es zu Situationen kommen könne, in denen Foodsharing-Mitglieder
Lebensmittel entgegennehmen, die [3][die Tafeln hätten verteilen können.]
An eine Tafel verweisen, die derartige Erfahrungen gemacht hat, können aber
weder Lampe noch Verres.
Frank Bowinkelmann, erster Vorsitzender und Mitbegründer von Foodsharing,
sieht in den Vorwürfen in erster Linie ein Kommunikationsproblem: „Aus
unserer Sicht liegt kein struktureller Konflikt zwischen der Tafel und
unserem Verein vor.“ Dabei sei in der bundesweiten Vereinbarung zwischen
der Tafel und den Lebensmittelretter*innen klar geregelt: „Die Tafel
steht immer an erster Stelle.“
Dass es im Einzelfall bei nicht „gebrieften“ Ehrenamtler*innen zu
Kommunikationsschwierigkeiten kommen könne, sei nicht ausgeschlossen, meint
Bowinkelmann. Dabei handele es sich aber um kaum nennenswerte Einzelfälle.
Konkrete Fälle, in denen Foodsaver der Tafel Lebensmittel weggeschnappt
haben, sind auch der Hildesheimer Foodsharing-Initiative nicht bekannt.
Solche Situationen seien laut Bowinkelmann schon allein deswegen eher
unwahrscheinlich, weil die Lebensmittelretter-Initiative ganz andere
Lebensmittel beziehe als die Tafel. So werden Lebensmittel, die bereits
abgelaufen und trotzdem genießbar sind, von der Tafel gar nicht erst
ausgegeben. Der Vorsitzende betont, dass es auch dazu kommen könne, dass
bei den Tafeln Lebensmittel im Abfall landen, die wiederum von Foodsavern
gerettet werden würden. Auch hier scheint ein Kommunikationsproblem
vorzuliegen.
## Kommunikation statt Eskalation
Auch stehe die Menge der geretteten Lebensmittel von Foodsharing nicht im
Verhältnis zu den Mengen der Tafel, sagen Bowinkelmann und Lampe. Während
die meisten Foodsaver nur mit einem Rucksack ausgestattet seien, befülle
die Tafel ganze Lieferwagen. Bowinkelmann ist der festen Überzeugung, dass
die derzeitigen Engpässe bei der Tafel nur schwer auf Foodsharing
zurückzuführen sind.
Lampe rechnet damit, dass die Zahl der Bedürftigen in den kommenden Monaten
weiter ansteigen wird. Gerade in den noch bevorstehenden Krisenzeiten ist
daher eine gute Kommunikation unabdingbar, um die überwiegend friedliche
Koexistenz der Tafel und des Foodsharings aufrecht zu erhalten.
„Denn an sich sind die beiden Initiativen eine sinnvolle Ergänzung“, findet
Anna Verres, Tafel-Sprecherin auf Bundesebene. Auch
Foodsharing-Vorsitzender Bowinkelmann wünscht sich eine mediale
Berichterstattung, die auf Kommunikation statt Eskalation setzt, um in
Zukunft insinuierte Schuldzuweisungen zu vermeiden.
20 Oct 2022
## LINKS
[1] /Tafeln-in-Hamburg-und-Niedersachsen/!5880097
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[3] /Tafeln-muessen-Beduerftige-wegschicken/!5856985
## AUTOREN
Matthias Propach
Jasper von Römer
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