# taz.de -- Folgen des Militärputsches in Myanmar: Verdoppelung der Armut bef�… | |
> Ein UN-Bericht sieht bis 2022 die Hälfte von Myanmars Bevölkerung von | |
> Armut bedroht. Neben der Pandemie hat das auch mit dem Putsch zu tun. | |
Bild: Die Proteste gegen das Militär gehen weiter – wie hier am Freitag in M… | |
BERLIN/BANGKOK taz/rtr | Die Hälfte der Bevölkerung von Myanmar ist infolge | |
des Militärputsches und der Coronapandemie nach UN-Angaben von Armut | |
bedroht. Für bis zu 25 Millionen Menschen bestehe das Risiko, bis 2022 | |
unter die Armutsgrenze zu rutschen, heißt es in einem am Freitag | |
veröffentlichten Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen | |
(UNDP). | |
Am schlimmsten dürfte es demnach Frauen und Kinder treffen. Covid-19 und | |
die anhaltende politische Krise bildeten sich gegenseitig verstärkende | |
Schocks, die die Schwächsten noch tiefer in die Armut zurückdrängten, sagte | |
die für den Asien-Pazifikraum zuständige UNDP-Regionaldirektorin Kanni | |
Wignaraja der Nachrichtenagentur Reuters. | |
Die Entwicklungsfortschritte, die in dem Jahrzehnt während des | |
demokratischen Übergangs erzielt worden seien, würden „innerhalb weniger | |
Monate ausgelöscht“. Lieferketten funktionieren nicht mehr richtig, die | |
Landeswährung steht unter Druck, Preise für Energie steigen und das | |
Bankensystem ist gelähmt, wird in dem UNDP-Bericht ausgeführt wird. | |
Womöglich könne das Land auf den Stand von 2005 zurückfallen, als in | |
Myanmar ebenfalls das Militär herrschte und die Hälfte der Bevölkerung arm | |
war, sagte Wignaraja. Das Ausmaß der Krise erfordere eine dringende und | |
internationale Reaktion. | |
## Kaum noch Bekämpfung der Coronapandemie | |
Im Zuge des Putsches vom 1. Februar und der seitdem anhaltenden massiven | |
Proteste lähmen [1][Dauerstreiks] viele Bereiche der Wirtschaft und des | |
öffentlichen Lebens. Dabei ist die Bekämpfung der Coronapandemie völlig in | |
den Hintergrund getreten, zumal auch viele Krankenhäuser bestreikt werden. | |
So wird derzeit kaum noch auf Covid-19 getestet und kaum noch gegen Corona | |
geimpft. Leitende Ärzte, die gegen die Junta protestieren, wurden verhaftet | |
oder werden steckbrieflich gesucht. Gesundheitspersonal wird von Militär | |
und Polizei verprügelt und Krankenwagen zerstört, weil ihre Besatzungen | |
verletzte Demonstrant:innen versorgen. | |
Inzwischen haben viele Hilfsorganisationen ihre Projekte zunächst | |
eingestellt, ebenso liegen viele wirtschaftliche Investitionen auf Eis. Die | |
exportorientierte Textilindustrie liegt völlig brach. Einige westliche | |
Firmen haben bereits ihren Rückzug aus Myanmar angekündigt, hinzu kommen | |
Sanktionen westlicher Regierungen gegen zwei Konglomerate des Militärs | |
sowie Kreditsperren durch Entwicklungsbanken. | |
Der Außenhandel leidet, weil kaum noch Schiffe Myanmar anlaufen. Auch | |
innerhalb des Landes stocken die Transporte. Und Überweisungen aus dem In- | |
und Ausland werden wegen des effektiven Streiks im Banksektor kaum noch | |
bearbeitet. Hinzu kommt, dass das Militär jetzt Geldflüsse überprüft, um | |
den Widerstand auszutrocknen. | |
## Schwere Bankenkrise | |
Sobald eine Bankfiliale überhaupt öffnet, bilden sich große Schlangen. | |
Angesichts der Knappheit von Bargeld versuchen Kund:innen verzweifelt an | |
Geld zu kommen. Teilweise stehen sie schon ab 4 Uhr vor Filialen an. Diese | |
fertigen aber nur eine sehr begrenzte Zahl an Kund:innen pro Tag ab. Und | |
sie dürfen nur maximal 1 Million Kyat (580 Euro) pro Konto pro Woche | |
auszahlen. In Mawlamyaing gab die Polizei am Donnerstag sogar Warnschüsse | |
auf Wartende vor einer Filiale der KBZ-Bank ab, berichtete [2][Eleven | |
Media]. | |
Die Junta hofft auf Erleichterungen durch die am Donnerstag erfolgte | |
[3][Wiederaufnahme mobiler Bezahlsysteme] bei zunächst fünf Banken. Die von | |
der Junta aus politischen Gründen verhängten Internetsperren hatten auch | |
den Zahlungsverkehr getroffen und die Bankenkrise noch verstärkt. | |
Das Militär will jetzt die lokale Menschenrechtsorganisation [4][AAPP] | |
(Assistance Association for Political Prisonsers) ausschalten. Diese | |
dokumentiert akribisch die Verbrechen der Militärherrschaft gegen die | |
Bevölkerung und veröffentlicht dazu täglich die neuesten Zahlen, die von | |
Medien in aller Welt zitiert werden. Der Stand am Donnerstag: mindestens | |
759 Tote, 3.461 Inhaftierte und 1.276 per Haftbefehl Gesuchte. | |
Trotz dieser erschreckenden Zahlen gehen die Proteste auch nach inzwischen | |
fast drei Monaten weiter. So wurde am Freitag wieder in den Städten Monya | |
und [5][Bago] demonstiert. Und in der Metropole Yangon ging bei strömendem | |
Regen ein großer Flashmob auf die Straße. | |
30 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Wirtschaftskrise-in-Myanmar/!5758313 | |
[2] https://elevenmyanmar.com/news/policeman-fires-into-air-to-control-the-crow… | |
[3] https://elevenmyanmar.com/news/five-banks-resumed-mobile-banking-services-v… | |
[4] https://aappb.org/?p=14723 | |
[5] /Myanmars-Militaer-setzt-Kriegswaffen-ein/!5764752 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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