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# taz.de -- Folgen des Militärputsches in Myanmar: Auf dem Weg in den Bürgerk…
> Ethnische Rebellengruppen greifen das verhasste Putschmilitär
> mittlerweile in drei Randregionen an. Das schlägt mit Luftangriffen
> zurück.
Bild: Ex-Demonstrant*innen werden von der Karen National Liberation Army zu Gue…
Berlin taz | In Myanmar mehren sich die Zeichen, dass sich das
südostasiatische Land infolge des Militärputsches vom 1. Februar auf dem
Weg in einen Bürgerkrieg befindet. In den letzten Tagen hat es Kämpfe
zwischen Rebellengruppen ethnischer Minderheiten im Norden (Kachin), Westen
(Chin) und Osten (Karen) des Landes gegeben. Die genaue Zahl der dabei
getöteten Soldaten und Rebellen ist unklar.
Zuletzt griff am Dienstagmorgen die Karen National Liberation Army, der
bewaffnete Arm der Karen National Union (KNU), einen Außenposten von
Myanmars Armee an der thailändischen Grenze an. Laut einem KNU-Sprecher
wurde der Posten am Grenzfluss Salween eingenommen und in Brand gesteckt.
Auf Fotos sind zahlreiche erbeutete Waffen zu sehen.
Ein von der thailändischen Seite aufgenommenes Video, das in sozialen
Netzwerken kursierte, zeigt aufsteigende Flammen, Gewehrfeuer ist zu hören.
Augenzeugen sahen sieben Soldaten fliehen, auf die geschossen wurde. Über
Getötete und eigene Verluste wollte der KNU-Sprecher keine Angaben machen.
Am Nachmittag flog Myanmars Luftwaffe in dem Gebiet einen
[1][Vergeltungsangriff]. Über Opfer wurde noch nichts bekannt. Es ist
bereits das zweite Mal in den letzten Wochen, dass mutmaßliche KNU-Gebiete
aus der Luft bombardiert wurden. Bisher sollen rund 30.000 Menschen
geflohen sein, davon 3.000 über die Grenze nach Thailand.
## Jahrzehnte alte Konflikte
Der Konflikt zwischen Karen und Zentralmacht geht auf die Kolonialzeit
zurück. Die Minderheit der Karen wurde von den Briten gegenüber den
Birmanen bevorzugt. Doch gingen die Karen bei der Unabhängigkeit leer aus
und mussten sich den Birmanen unterordnen. Deshalb kämpft die KNU seit 1947
für einen eigenen Staat oder zumindest eine Autonomie.
Bis in die 1990er Jahre kontrollierte die KNU, die von christlichen Karen
dominiert wird, ein eigenes Gebiet mit dem Ort Mannerplaw als „Hauptstadt“.
Doch nachdem sich von der KNU eine buddhistische Karen-Gruppe abspaltete
und mit dem Militär kooperierte, nahm dieses 1995 Mannerplaw ein.
In den letzten Wochen stießen laut KNU 2.000 Aktivist:innen, die zuvor in
den Städten gegen den Militärputsch protestiert hatten und sich nicht
wehrlos erschießen lassen wollten, zur Karen-Guerilla. Ein von der Agentur
Reuters am Dienstag veröffentlichtes Video zeigt 120 schwarz gekleidete
Männer und Frauen, bei denen es sich um geflohene Städter handeln soll,
beim Rekrutentraining der KNU. Die Gruppe nennt sich „United Defense
Force“. Ihre Sprecherin Mon Mon erklärte laut Reuters: „Wir sind zu einem
dreimonatigen militärischen Training hier und haben alle ein Ziel: die
Revolution.“
Die KNU hatte bereits nach dem Putsch 1988 und der anschließenden
Niederschlagung der Demokratiebewegung vielen städtischen Aktivisten
Unterschlupf geboten. Trotzdem geriet die KNU gegenüber dem Militär in die
Defensive. Die letzten Jahre [2][wechselten sich Waffenstillstände und
kleinere Scharmützel] ab.
## Ethnische Gruppen unterstützen Demonstranten
Vor einigen Wochen hatte die KNU zusammen mit anderen Organisationen
ethnischer Minderheiten und ihrer bewaffneten Milizen der
[3][Protestbewegung] ihre Unterstützung erklärt. So kam es auch im
nördlichen Kachin-Staat seit Ende März zu Angriffen der Kachin
Unabhängigkeitsarmee (KIA), dem bewaffneten Arm der Kachin
Unabhängigkeitsorganisation (KIO), auf kleinere Militärposten. Die letzten
Tage flog das Militär laut dem Webportal [4][Irrawaddy] auch hier
Luftangriffe zur Vergeltung und trieb 5.000 Menschen in die Flucht. Das
Militär soll in den Kämpfen zuvor bis zu 100 Mann verloren haben, vermutet
Irrawaddy.
Eine neue ethnische Miliz hat sich am 4. April im Süden des westlichen
Chin-Staates gebildet mit dem expliziten Ziel, juntakritische
Demonstrationen vor dem Militär zu schützen. So griffen mit Jagdgewehren
bewaffnete Dorfbewohner der neuen Chinland Defence Force laut [5][Radio
Free Asia] in einem Hinterhalt einen Militärkonvoi an, der auf dem Weg in
ihre Region war, um dort Proteste niederzuschlagen. Die Dorfbewohner
töteten bei dem Angriff bei Matupie bis zu zehn Soldaten und verbrannten
einen Militär-Lkw. Auch vier Rebellen starben. Weitere fünf Soldaten wurden
bei einem Angriff in Mindat getötet.
In Myanmar sind in etwa einem Drittel des Landes rund zwei Dutzend
Guerillaorganisationen aktiv. Auch der Friedensnobelpreisträgerin und bis
zum Putsch faktische [6][Regierungschefin Aung San Suu Kyi] war es kaum
gelungen, die ethnischen Minderheiten zu befrieden, zumal ihr das Militär
nur wenig Spielraum ließ. Doch entpuppte sich auch Aung San Suu Kyi selbst
zunehmend [7][als birmanische Nationalistin].
## Hoffnungen auf Föderalismus
Jetzt sehen einige der Minderheiten den anti-diktatorischen Kampf, der auf
die Entmachung des birmanisch-nationalistischen Putschmilitärs zielt, als
Chance, den birmanisch dominierten Einheitsstaat in einen föderalen
Bundesstaat mit mehr Autonomie für die Minderheiten zu verwandeln. So plant
auch die selbst ernannte [8][Gegenregierung] eine föderale Armee, in der
auch die Minderheiten angemessen repräsentiert sein sollen.
Trotz der anhaltenden [9][Gewalt des Militärs gegen Demonstranten] gehen
auch in den Städten die Proteste weiter, am Dienstag etwa in Mandalay und
in der Metropole Yangon. Bisher töteten Militär und Polizei beim Versuch,
die Demonstrationen zu unterbinden, laut der lokalen
Menschenrechtsorganisation [10][AAPP] 753 Menschen und nahmen 4.484 fest,
von denen noch 3.441 inhaftiert sind.
27 Apr 2021
## LINKS
[1] https://www.irrawaddy.com/news/burma/myanmar-military-launches-air-raid-kar…
[2] /Frieden-fuer-Birmas-Karen-Minderheit/!5103302
[3] /Myanmars-Militaer-setzt-Kriegswaffen-ein/!5764752
[4] https://www.irrawaddy.com/news/burma/thousands-flee-myanmar-junta-planes-bo…
[5] https://www.rfa.org/english/news/myanmar/ethnic-militia-04262021210302.html
[6] /Aung-San-Suu-Kyis-Rolle-in-Myanmar/!5751994
[7] /Gambia-verklagt-Myanmar/!5648223
[8] /Widerstand-gegen-das-Militaerregime/!5757398
[9] /Reaktionen-auf-Gewalt-in-Myanmar/!5761700
[10] https://aappb.org/?p=14638
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
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