# taz.de -- Fleetwood Mac auf Reunion-Tour: Poröse Melodien, komplexe Gefühle | |
> Fleetwood Mac steht für hochwertige, formvollendete Gebrauchsmusik mit | |
> zeitlosen Songs. Im Oktober spielen sie mehrere Konzerte in Deutschland. | |
Bild: The Köln Concert. Also das von Fleetwood Mac am 6. Oktober | |
Böswillige Menschen könnten sagen, das war ja unvermeidlich. Dass auch | |
Fleetwood Mac irgendwann „cool“ sein würden. In den vergangenen Jahren | |
hatte die Retromanie schon das Revival von Postpunk, Acid-Folk und selbst | |
Hair-Metal zu verantworten. Im archivarischen Geschichtsverständnis der | |
nuller Jahre war keine musikalische Nische zu entlegen, um nicht von einer | |
cleveren Bescheidwisser-Band aus der Obskurität ans Licht der | |
Öffentlichkeit gezerrt zu werden. | |
Mit Fleetwood Mac musste sich diese Mühe niemand machen. In den | |
Asservatenkammern der Mainstreamradio-Playlisten stehen ihre Songs | |
gleichberechtigt neben Evergreens wie „Hotel California“ von den Eagles. | |
Wer in den achtziger Jahren einen Teil seiner Jugend vor dem Radio | |
verbracht hat, kennt „Rumours“ auswendig. | |
Retromanie beruht auf kulturellen Codes und stillschweigenden | |
Übereinkünften: getrieben von der Sehnsucht, in den Verwerfungen der | |
Popgeschichte noch einen unberührten Moment zu entdecken. Auf Fleetwood Mac | |
trifft nichts von alldem zu. Mick Fleetwood, Lindsey Buckingham, Stevie | |
Nicks und die Geschwister McVie galten nie als Stilikonen. Man benötigt | |
kein Geheimwissen und die Vertrautheit ihrer Songs war einer nachträglichen | |
Mythifizierung ebenfalls abträglich. | |
Der Name Fleetwood Mac steht für hochwertige, formvollendete | |
Gebrauchsmusik, möglich gemacht durch die 48-Kanal-Studio-Exzesse. Die | |
Musik ist so vollkommen in ihrer technischen Ausführung, dass die Songs | |
eine Aura der Unantastbarkeit umgab. „Rumours“ ist aber auch das letzte | |
große Classic-Rock-Album, das hinter seiner geradezu zwanghaft polierten | |
Oberfläche seelische Abgründe erkennen lässt. Denn „Rumours“ handelte | |
hauptsächlich vom Ende der Liebe. | |
## Ein Fleetwood-Mac-Tribute-Album mit angesagten Künstlern | |
Wenn Fleetwood Mac diese Woche ihre epische Wiedervereinigungstour (die | |
dritte seit der Jahrtausendwende) durch deutsche Mehrzweckarenen | |
absolvieren, treffen sie jedoch auf eine neue Ausgangssituation. Einer | |
großen amerikanischen Kaffeehauskette ist es gelungen, für das | |
Fleetwood-Mac-Tribute-Album „Just tell me how you want me“ einige angesagte | |
Künstler, darunter etwa MGMT, Washed Out und Antony, aber auch graue | |
Eminenzen wie J.Mascis, Bonnie „Prince“ Billy und Marianne Faithful zu | |
gewinnen. | |
Bereits im letzten Jahr veröffentlichte Warner ein historiografisch | |
erschöpfendes „Rumours“-Boxset. Die diesjährige Fleetwood-Mac-Roadshow | |
findet also unter anderen Vorzeichen statt als die Tourneen 2003 und 2009. | |
Es dürfte interessant zu sehen sein, wie die Band auf den unerwarteten | |
Zuspruch einer neuen Generation von Musikern und Musikerinnen reagiert, die | |
eigentlich mit Punk sozialisiert sein sollten. Im „Rumours“-Jahr 1977 kamen | |
immerhin die Debütalben von den Sex Pistols, The Clash, Television, Wire, | |
Elvis Costello und die Talking Heads auf den Markt. | |
## Bestimmen über das musikalische Vermächtnis | |
Eine frisch veröffentlichte Fleetwood-Mac-4-Song-EP „Extended Play“ sendete | |
im Vorfeld diesbezüglich gemischte Signale aus. Auf den schmissigen | |
Auftaktsong „Sad Angel“, ein leicht überkonfektioniertes Stück Power Pop, | |
folgen drei durchwachsene Stücke, die etwas bemüht an den klassischen | |
Folkrock-Sound der Siebziger anzuknüpfen versuchen. Was den Stücken dabei | |
verloren geht, ist Buckinghams Gespür für die poröse Melodik und | |
irrlichternden Soundsignaturen. Genau das, wofür „Tusk“, rückblickend noch | |
das beste Fleetwood-Mac-Album, heute wieder von jüngeren Hörern geschätzt | |
wird. | |
Das Timing könnte also nicht perfekter sein. Fleetwood Mac haben es selbst | |
in der Hand, ihr musikalisches Vermächtnis mitzubestimmen. Interpretationen | |
von großenteils deutlich jüngeren Bands sind dabei hilfreich. Sie haben dem | |
oftmals zu Unrecht als glatten Radiorock geschmähten Sound der Macs eine | |
sagenhafte Bandbreite von Genres und hochkomplizierten Gefühlslagen | |
abgewonnen. | |
14 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Busche | |
## TAGS | |
Musik | |
Deutschland | |
Konzert | |
Rock'n'Roll | |
taz.gazete | |
Wien | |
Schwerpunkt Syrien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zum Tod von Glenn Frey: Eagles-Mitgründer gestorben | |
Mit Hits wie „Take It Easy“ verströmten die Eagles das warme Lebensgefühl | |
des California Rock. Nun trauert die Band um ihren Mitgründer und | |
Gitarristen. | |
Utopie-Theater: In König Herberts Reich | |
In drei Produktionen widmet sich das LOT-Theater den "Alltagsutopien für | |
das Braunschweiger Land". Eine davon ist die Geschichte vom frühverrenteten | |
König Herbert. | |
Neukölln als Zentrum für Kunst: Braukunst der Gegenwart | |
Ein Schweizer Ehepaar baut die alte Kindl-Brauerei in Neukölln zum Zentrum | |
für zeitgenössische Kunst um. Was macht das mit dem Kiez? | |
Debütalbum der Wienerin Mimu: Krieg und Frida | |
Die Wiener Künstlerin und Musikerin Mimu holt ihre Daten aus den sozialen | |
Netzen zurück. Sie zerlegt diese Sprach-Fundstücke mit feinsinniger Musik. | |
Neues Album von Omar Soulayman: Auf Hochzeiten nicht mehr gefragt | |
Omar Souleyman mischt arabischen Folk mit elektronischen Produktionsweisen. | |
Mit „Wenu Wenu“ veröffentlicht er das erste, außerhalb Syriens produzierte | |
Studioalbum. |